Wenn man es liest, mag man kaum glauben, dass ein LG so viel gebührenrechtlich Falsches zusammenschreiben kann. Aber leider ist das der Fall. Und leider scheint das, da das LG an verschiedenen Stellen auf eigene Rspr. – andere kennt man offenbar nicht – Bezug nimmt, – "herrschende Meinung" in der Kammer zu sein.
1. Vorab: Der Entscheidung insgesamt ist m.E. anzumerken, dass das LG mit dem Beschluss die Verteidigungsstrategie und das Verteidigungskonzept des Verteidigers abstrafen will, um nicht das Wort "Retourkutsche" zu gebrauchen. Nur dabei übersieht es, dass der Verteidiger im Hinblick auf die Rspr. des BVerfG in 2 BvR 1167/20 in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren nicht nur alles beanstanden darf, sondern sogar beanstanden muss, wenn es um das Messverfahren geht. Anders hat er – vor allem auch im Hinblick auf die Rspr. der OLG – kaum eine Chance, die Ordnungsgemäßheit einer Messung zu beanstanden. Und das geht, wenn die Verwaltungsbehörden und zunächst wohl auch das AG "bockig" sind, eben nur mit ggf. wortgleichen Anträgen und Textbausteinen, die ein Verteidiger ebenso wie ein AG bzw. LG zur Verfügung hat. Das kann man ihm also nicht vorhalten.
2. Darüber hinaus ist auf folgende Punkte hinzuweisen:
a) Schon der Ansatz des LG, im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren in der Regel von Gebühren unterhalb der Mittelgebühr auszugehen, ist falsch, wird aber leider – nicht nur vom LG Koblenz – immer wieder gewählt (vgl. zu der Problematik Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Vorbem. 5 VV Rn 55). Dieser gebührenrechtliche Nonsens, für den sich im RVG kein Anknüpfungspunkt findet, wird aber leider immer wieder vertreten. Auch spielt die Höhe der Geldbuße bei der Bemessung der Gebühr keine Rolle mehr. Der Bemessungsumstand ist durch die Einordnung der Gebühr in die jeweilige Gebührenstufe verbraucht (Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Vorbem. 5 Rn 57 m.w.N.). Es besteht ein gebührenrechtliches Doppelverwertungsverbot. Für die Abweichung von diesem Grundsatz bleibt das LG eine nachvollziehbare Begründung schuldig.
Hinzu kommt, dass nicht ganz klar ist, von welcher Bemessungsgrundlage das LG im Nachgang zum AG überhaupt ausgeht. Man hat den Eindruck, dass man von den "Mindestgebühren" ausgegangen ist und die dann angemessen (?) erhöht und geprüft hat, ob die Mittelgebühr angemessen ist. Das ist jedoch vollkommen falsch, denn Ausgangspunkt für die Gebührenbemessung ist (immer) die Mittelgebühr, die dann unter Berücksichtigung aller gebührenerhöhenden und -ermäßigenden Umstände zu erhöhen oder zu erniedrigen ist (vgl. nur Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Teil A Rn 1793 ff.). Das sollte auch in Koblenz bekannt sein.
b) Zur Wertung der einzelnen Umstände durch das AG ist nur anzumerken, dass diese m.E. – zumindest teilweise – falsch gewichtet werden, was ersichtlich damit zusammenhängt, dass man offensichtlich die Verteidigungsstrategie "nicht mag" und wohl abstrafen will. In dem Zusammenhang soll nur darauf hingewiesen werden, dass es sich nicht um einen "äußerst einfach gelagerten Fall" handelt, wenn Fahrereigenschaft und Ordnungsgemäßheit der Messung im Streit sind. Das zeigt sich allein schon daran, dass im Verfahren insgesamt wohl drei Sachverständigengutachten erstattet worden sind. Man fragt sich, wenn das LG Koblenz von einem "schwierigen Verfahren" ausgehen will.
3. Insgesamt: Gewogen und (viel) zu leicht befunden.
Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
AGS 1/2024, S. 17 - 21