§ 56 Abs. 1 S. 1 RVG; § 80 AsylG
Leitsatz
Die Entscheidung über eine Erinnerung nach § 56 Abs. 1 S. 1 RVG gegen die Festsetzung der aufgrund der Beiordnung in einem Asylrechtsstreit aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung nach § 55 Abs. 1 S. 1 RVG ist eine von § 80 AsylG erfasste Nebenentscheidung (wie OVG Bremen, Beschl. v. 25.11.2020 – 1 F 295/20, JurBüro 2021, 144).
OVG Lüneburg, Beschl. v. 6.11.2023 – 2 OA 92/23
I. Sachverhalt
Die Kläger, eine achtköpfige Familie syrischer Staatsangehörigkeit, erhoben vor dem VG Osnabrück Klage auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Durch Beschl. v. 1.11.2016 bewilligte das VG den Klägern für das Verfahren im ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe (PKH) und ordnete ihnen ihren Prozessbevollmächtigten bei. Am 9.10.2018 wurde die Klage vor dem Einzelrichter des VG Osnabrück mündlich verhandelt. An dieser Verhandlung nahm der Prozessbevollmächtigte der Kläger nicht teil, weil er aufgrund eines Versehens der Geschäftsstelle nicht ordnungsgemäß geladen worden war. Im Termin gab jedoch der erschienene Kläger zu 1 zu Protokoll, er habe seinen Prozessbevollmächtigten am 20.9.2018 über den Termin unterrichtet. Das VG Osnabrück wies die Klage durch das dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am 14.11.2018 zugestellte Urt. v. 9.10.2018 zurück.
In seinem Antrag auf Festsetzung der PKH-Anwaltsvergütung v. 15.11.2018 hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Festsetzung seiner ihm aus der Staatskasse zustehenden Vergütung beantragt, wobei er u.a. eine 1,2-Terminsgebühr nebst Umsatzsteuer geltend gemacht hatte. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) des VG Osnabrück setzte die Vergütung am 12.4.2019 wie beantragt fest und wies den Betrag zur Auszahlung an den Rechtsanwalt an.
Gegen die Mitfestsetzung der Terminsgebühr erhob der Vertreter der Staatskasse am 7.10.2020 Erinnerung gem. § 56 Abs. 1 S. 1 RVG. Dieser Erinnerung half die UdG durch Absetzung der Terminsgebühr zzgl. Umsatzsteuer ab und forderte von dem Prozessbevollmächtigten der Kläger die überzahlte Vergütung i.H.v. 458,38 EUR zurück.
Gegen die Abhilfeentscheidung der UdG legte der Prozessbevollmächtigte der Kläger am 3.12.2020 seinerseits Erinnerung ein. Die UdG half der Erinnerung am 5.3.2021 nicht ab. Die Einzelrichterin des VG Osnabrück wies die Erinnerung des Prozessbevollmächtigten des Klägers durch Beschluss v. 19.9.2023 zurück. Gegen diesen Beschluss, dem eine Rechtsmittelbelehrung nach § 33 Abs. 3 RVG i.V.m. § 56 Abs. 2 S. 1 RVG beigegeben war, legte der Prozessbevollmächtigte der Kläger am 25.9.2023 Beschwerde ein. Das OVG Lüneburg hat diese Beschwerde als unzulässig verworfen.
II. Rechtsbehelfe bei Festsetzung der PKH-Anwaltsvergütung
1. Erinnerung
Gegen Entscheidungen in Verfahren über die Festsetzung der PKH-Anwaltsvergütung nach § 55 RVG ist gem. § 56 Abs. 1 S. 1 RVG sowohl für den Rechtsanwalt als auch für die Staatskasse die Erinnerung gegeben. § 56 Abs. 2 S. 1 RVG erklärt für das Erinnerungsverfahren die Vorschriften des § 33 Abs. 4 S. 1, Abs. 7 und 8 RVG betreffend die Festsetzung des Gegenstandswertes für entsprechend anwendbar.
a) Erinnerung der Staatskasse
Der Vertreter der Staatskasse hatte gegen die ursprüngliche Festsetzung der PKH-Anwaltsvergütung durch die UdG am 12.4.2019 am 7.10.2020 Erinnerung eingelegt. Die Erinnerung war unbefristet, was sich aus der Verweisung in § 56 Abs. 2 S. 1 RVG auf die Vorschriften der §§ 33 Abs. 4, 7 und 8 RVG ergibt. Eine Verweisung auf die Vorschrift des § 33 Abs. 3 S. 3 RVG, in dem die Beschwerdefrist geregelt ist, sieht das Gesetz für das Erinnerungsverfahren nicht vor.
b) Erinnerung des Rechtsanwalts
Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat gegen die Abhilfeentscheidung der UdG v. 30.11.2020 am 3.12.2020 seinerseits Erinnerung eingelegt. Diese Erinnerung hat die Einzelrichterin des VG Osnabrück durch Beschl. v. 19.9.2023 zurückgewiesen.
2. Beschwerde
Gegen die Entscheidung über die Erinnerung ist gem. § 56 Abs. 2 S. 1 RVG die Beschwerde gegeben. Für das Verfahren über die Beschwerde erklärt § 56 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 RVG die Regelungen in § 33 Abs. 3 bis 8 RVG für entsprechend anwendbar. Die formellen Voraussetzungen für die Einlegung der Beschwerde waren hier erfüllt. Der Wert des Beschwerdegegenstandes überstieg hier mit 458,38 EUR den in § 33 Abs. 3 S. 1 RVG bestimmten Wert des Beschwerdegegenstandes deutlich. Der Rechtsanwalt hatte die Beschwerde auch innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung des VG Osnabrück eingelegt, wie es § 33 Abs. 3 S. 3 RVG erfordert.
III. Beschwerde durch § 80 AsylG ausgeschlossen
Obwohl diese Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Einlegung der Beschwerde erfüllt waren, hat das OVG Lüneburg die Beschwerde des Rechtsanwalts als unzulässig verworfen. Dies hat das OVG damit begründet, der verfahrensgegenständlichen Festsetzung der PKH-Anwaltsvergütung liege ein Asylrechtsstreit zugrunde, in dem die Beschwerde nach § 80 AsylG schlechthin ausgeschlossen sei. Nach dieser Vorschrift können Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach dem Asylgesetz vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 VwGO, der hier keine Rolle spielte, nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
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