§§ 465 Abs. 2, 473 StPO
Leitsatz
- Entfällt die Einziehungsanordnung aus Rechtsgründen, muss sich dies, wenn die Tragung der gesamten Kosten durch den Angeklagten unbillig wäre, bei der Kostenentscheidung zugunsten des Angeklagten auswirken.
- Dies geschieht dadurch, dass die Gerichtskosten um die in Bezug auf das Einziehungsverfahren in den Rechtsmittelinstanzen anfallenden Gebühren (Nrn. 3430 und 3440 GKG KV) gemindert (§ 473 Abs. 4 S. 1 StPO) und dem Angeklagten diejenigen durch das Einziehungsverfahren in allen Instanzen entstandenen notwendigen Auslagen (Nr. 4142 VV) erstattet werden (§ 473 Abs. 4 S. 2, § 465 Abs. 2 S. 3 StPO analog).
- Der Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung steht dem nicht entgegen, da sich für das Strafverfahren und das Einziehungsverfahren unterschiedliche Gebühren- und Vergütungssysteme gegenüberstehen, die es schwierig machen, den Rechtsmittelerfolg in einer jeweils einheitlichen Quote der zu ermäßigenden Gerichtskosten und der zu erstattenden notwendigen Auslagen abzubilden, während demgegenüber die auf die Einziehung entfallenden Kosten ohne Weiteres ausscheidbar sind.
BayObLG, Beschl. v. 27.10.2023 – 204 StRR 394/23
I. Sachverhalt
Das AG hat den Angeklagten wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten ohne Bewährung verurteilt und die Einziehung des sichergestellten iPhone 11 des Angeklagten angeordnet. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte unbeschränkt Berufung ein, die keinen Erfolg hatte.
Mit seiner gegen das Berufungsurteil eingelegten Revision hat der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Das Rechtsmittel war, soweit es sich gegen den Schuldspruch des Diebstahls und die hierfür festgesetzte Freiheitsstrafe gerichtet hat, unbegründet und ist nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen worden.
Erfolgreich war die Revision u.a. aber hinsichtlich der angeordneten Einziehung. Das BayObLG hat insoweit festgestellt, dass gem. § 74 Abs. 1 StGB nur Gegenstände eingezogen werden können, die durch eine vorsätzliche Tat hervorgebracht (Tatprodukte) oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind (Tatmittel). Keine dieser Tatbestandsalternativen treffe auf das sichergestellte Mobiltelefon iPhone 11 des Angeklagten zu. Es hat daher die Anordnung der Einziehung des sichergestellten Mobiltelefons iPhone 11 des Angeklagten entfallen lassen. Das BayObLG hat sodann folgende Kostenentscheidung getroffen:
Zitat
"Die Gerichtskosten werden um die in Bezug auf das Einziehungsverfahren in der Berufungs- und in der Revisionsinstanz anfallenden Gerichtsgebühren gemindert. Die Staatskasse hat die dem Angeklagten im Verfahren aller Instanzen entstandenen notwendigen Auslagen, die die Einziehung betreffen, zu erstatten. Der Angeklagte hat die weiteren Kosten seiner Rechtsmittel zu tragen."
II. Grundlagen der Kosten-/Auslagenentscheidung
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruhe hinsichtlich der Gerichtsgebühren sowie der notwendigen Auslagen des Angeklagten im Berufungs- und Revisionsverfahren auf § 473 Abs. 4 S. 1 und 2 StPO, und hinsichtlich der notwendigen Auslagen des Angeklagten in erster Instanz auf § 465 Abs. 2 StPO analog.
Die vom AG angeordnete sowie vom LG bestätigte Einziehung des Mobiltelefons ist auf die Revision des Angeklagten hin aus Rechtsgründen ebenso weggefallen wie der Gesamtstrafenausspruch des LG. Das Rechtsmittel der Revision und in dessen Folge auch das Rechtsmittel der Berufung hatten somit jeweils teilweise Erfolg. Dieser Erfolg müsse sich in der nach § 473 Abs. 4 StPO zu treffenden Kostenentscheidung, die nur die Kosten des Rechtsmittels, nicht die der ersten Instanz betrifft (vgl. KK-StPO/Gieg, 9. Aufl., 2023, § 473 Rn 7), ebenso niederschlagen wie für die vom Senat in entsprechender Anwendung des § 465 Abs. 2 S. 3 StPO zu treffende Kostenentscheidung erster Instanz (vgl. zum Ganzen BGH, Beschl. v. 25.2.2021 – 1 StR 423/20, AGS 2021, 287 = NJW 2021, 1829; v. 6.10.2021 – 1 StR 311/20, AGS 2022, 369; zu letzterem – § 465 Abs. 2 StPO analog – auch BGH, Beschl. v. 13.10.2021 – 4 StR 270/21). Da der Senat bezüglich der Einziehungsanordnung in der Sache selbst entscheide, sei ihm auch insoweit – nicht anders als etwa bei einem Teilfreispruch (§ 354 Abs. 1, § 467 Abs. 1 StPO) – die Entscheidung über die zugehörigen Kosten des gesamten Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Beteiligten zugewiesen (vgl. BGH, Beschl. v. 25.2.2021 – 1 StR 423/20, a.a.O.).
Gem. § 473 Abs. 4 S. 1 StPO habe das Gericht bei teilweisem Erfolg eines Rechtsmittels die Gebühr zu ermäßigen und die (gerichtlichen) Auslagen teilweise oder ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Entsprechendes gelte für die notwendigen Auslagen der Beteiligten (§ 473 Abs. 4 S. 2 StPO).
Eine Unbilligkeit in diesem Sinne liege vor (s. nachfolgend), sodass der Angeklagte hinsichtlich der Gerichtskosten und seiner notwendigen Auslagen zu entlasten sei. Im Ergebnis habe dies den Wegfall der allein aufgrund der Nebenfolge der Ein...