ZPO § 91 Abs. 1, 2, 3; EGZPO § 15a Abs. 1, 4; BWSchlG § 1 Abs. 1 Nr. 3; RVG VV Nr. 2303
Leitsatz
Anwaltskosten, die in einem gescheiterten obligatorischen außergerichtlichen Verfahren zur Streitschlichtung entstanden waren, können im nachfolgenden Klageverfahren als Vorbereitungskosten erstattungsfähig sein. Voraussetzung hierfür ist, dass im Einzelfall die Inanspruchnahme eines Anwalts im vorgeschriebenen Schlichtungsverfahren erforderlich war.
OLG Karlsruhe, Urt. v. 23.11.2007–14 U 188/06
1 Sachverhalt
Der Kläger hatte von der Beklagten erfolglos die Abgabe einer diesbezüglichen Unterlassungserklärung verlangt. Daraufhin hat er das obligatorische Streitschlichtungsverfahren ebenfalls erfolglos durchgeführt und anschließend Klage auf Unterlassung und auf Zahlung eines Schmerzensgeldes sowie Erstattung seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten erhoben. Die Beklagte hat – widerklagend – vom Kläger die Erstattung der ihr vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten verlangt.
Das LG hatte die Klage abgewiesen und den Kläger verurteilt, an die Beklagte 449,69 EUR vorgerichtliche Kosten zu zahlen. Die Entscheidung zu den außergerichtlichen Anwaltskosten ergebe sich aus der Unbegründetheit des vom Kläger geltend gemachten Unterlassungsbegehrens.
Mit seiner Berufung verfolgte der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge weiter. Die Berufung führte zu einem Teilerfolg hinsichtlich der Widerklage.
2 Aus den Gründen
Erfolg hat die Berufung, soweit sie sich dagegen wendet, dass das LG dem Kläger auf die Widerklage die der Beklagten im Schlichtungsverfahren entstandenen Anwaltskosten insoweit auferlegt hat, als diese nicht auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV anzurechnen sind. Die Widerklage war unzulässig, da diese Kosten im Wege der Kostenfestsetzung zu berücksichtigen sein werden.
Bei dem vorgerichtlichen Schlichtungsverfahren vor der Gütestelle hat es sich um ein solches nach § 15a EGZPO i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Baden-Württembergischen Gesetzes zur obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung (BWSchlG) gehandelt. Gem. § 15a Abs. 4 EGZPO und § 91 Abs. 3 ZPO gehören die durch ein erfolgloses Einigungsverfahren entstandenen Kosten der Gütestelle zu den Kosten i.S.v. § 91 Abs. 1 u. 2 ZPO des nachfolgenden Rechtsstreits und sind als solche von der unterlegenen Partei zu tragen. Mit den in § 91 Abs. 3 ZPO und § 15a Abs. 4 EGZPO genannten Kosten der Gütestelle sind freilich nur die von der Gütestelle selbst verlangten Kosten, nicht aber auch die einer Partei erwachsenen Kosten – insbesondere nicht die Anwaltskosten der Parteien – gemeint (vgl. – für § 91 Abs. 3 ZPO – OLG Hamburg MDR 2002, 115).
Mit dem BayObLG (eingehend BayObLGZ 2004, 169 [172] = NJW-RR 2005, 724; ebenso wohl auch Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 15a EGZPO Rn 26, m. w. Nachw.; a.A. OLG Hamm JurBüro 2007, 489) ist der Senat der Auffassung, dass die im obligatorischen Schlichtungsverfahren entstandenen Anwaltskosten im Klageverfahren nach gescheiterter Schlichtung unter dem Gesichtspunkt der Vorbereitungskosten grundsätzlich als erstattungsfähig anzusehen sind; dabei ist aber nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob die Inanspruchnahme eines Anwalts für das gesetzlich vorgeschriebene Schlichtungsverfahren erforderlich war.
Diese Grundsätze müssen auch im hier vorliegenden Fall Anwendung finden, in dem sich die Beklagte gegen die Inanspruchnahme wegen behaupteter Ehrverletzungen verteidigt.
Nach Auffassung des Senats durfte die in das Güteverfahren gezogene spätere Beklagte anwaltschaftliche Hilfe als erforderlich ansehen (hierzu BayObLGZ 2004, 169 [174] = NJW-RR 2005, 724). Die mit dem Verfahren beanstandete Ehr- und Persönlichkeitsverletzung war – auch angesichts der Bedeutung, die der Sache durch den späteren Kläger beigemessen wurde – "nicht so einfach gestaltet", dass es ihr hätte zugemutet werden können, sich gegenüber dem anwaltschaftlich vertretenem Kläger nicht des Rats und der Vertretung durch einen Anwalt zu bedienen.
Damit waren die dem Kläger im obligatorischen Güteverfahren entstandenen Anwaltskosten erstattungsfähig, so dass sie im Kostenfestsetzungsverfahren geltend zu machen waren.
Mitgeteilt von Rechtsanwalt Tilman Winkler, Kenzingen