ZPO § 91 Abs. 1, 2, 3; EGZPO § 15a Abs. 1, 4; BWSchlG § 1 Abs. 1 Nr. 3; RVG VV Nr. 2303
Leitsatz
Anwaltskosten, die in einem gescheiterten obligatorischen außergerichtlichen Verfahren zur Streitschlichtung entstanden waren, sind im nachfolgenden Klageverfahren als Vorbereitungskosten erstattungsfähig, wenn die Hinzuziehung eines Anwalts notwendig war.
LG Freiburg, Beschl. v. 12.11.2008–9 T 68/08
1 Aus den Gründen
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.
Nach h.M. (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 23.11.2007–14 U 188/06; Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 91 Rn 9), welcher sich das Gericht anschließt, zählen die außergerichtlichen Auslagen der Parteien, welche durch eine obligatorische Streitschlichtung nach § 15a EGZPO ausgelöst wurden, zu den notwendigen Kosten zur Vorbereitung eines gerichtlichen Verfahrens und sind deshalb nach § 91 Abs. 1 ZPO grundsätzlich erstattungsfähig. Es ist im Einzelfall nach den allgemeinen Grundsätzen die Erforderlichkeit des geltend gemachten Aufwands zu prüfen.
Vorliegend ist die Einschaltung eines Rechtsanwalts mit Blick auf die Mehrzahl der Beteiligten und der sich daraus ergebenden rechtlichen Schwierigkeiten als erforderlich anzusehen, so dass die daraus resultierenden Kosten als erstattungsfähig zu betrachten sind.
Dies ergibt folgenden Erstattungsantrag:
1. |
2,4-Geschäftsgebühr, Nrn. 2303, 1008 VV |
386,40 EUR |
2. |
Fahrtkosten, Nr. 7003 VV |
10,80 EUR |
3. |
Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 Nr. 1 VV |
20,00 EUR |
4. |
Pauschale für Post und Telefon, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
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Netto |
437,20 EUR |
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
83,07 EUR |
|
Gesamt |
520,27 EUR |
Da die Kläger in der Kostengrundentscheidung nicht als Gesamtschuldner zur Kostentragung verpflichtet wurden, erstatten die Kläger nach den Grundsätzen des § 100 Abs. 1 ZPO die Kosten nur anteilig.
Gründe für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde sind nicht ersichtlich.
Mitgeteilt von Rechtsanwalt Tilman Winkler, Kenzingen
2 Anmerkung
Einige Bundesländer haben von einer Öffnungsklausel in § 15a EGZPO Gebrauch gemacht: Vor der Durchführung bestimmter Verfahren ist in jenen Ländern zwingend ein Schlichtungsverfahren vor einer dazu eingerichteten Gütestelle durchzuführen. Nach ernüchternden Erfahrungen mit dem Schlichtungsverfahren haben einige Bundesländer dieses wieder abgeschafft, die meisten es auf Nachbarrechtsstreitigkeiten und Auseinandersetzungen wegen der Verletzung der Ehre beschränkt. Baden-Württemberg hält auch für Verfahren bis zu einem Gegenstandswert von 750,00 EUR weiter an der obligatorischen vorgerichtlichen Schlichtung fest. Gläubiger kleiner Ansprüche werden damit in das Mahnverfahren gezwungen.
Liegt der Wohnsitz der Parteien im gleichen oder in aneinander angrenzenden Landgerichtsbezirken in Baden-Württemberg, muss nach § 1 Abs. 1, 3 SchlG BW zunächst ein Schlichtungsversuch unternommen werden. Eine Klage, die ohne die vorherige Durchführung des Schlichtungsverfahrens eingereicht wird, ist als unzulässig abzuweisen. Das Schlichtungsverfahren kann weder im erstinstanzlichen Gerichtsverfahren noch im Berufungsverfahren nachgeholt werden.
OLG Karlsruhe und LG Freiburg haben in ihren beiden Entscheidungen aus dem Zwangscharakter des Verfahrens die richtige Konsequenz gezogen und die Erstattung der Kosten des Schlichtungsverfahrens als notwendige Kosten der Verfahrensvorbereitung angesehen. Damit sind diese Kosten erstattungsfähig i.S.d. § 91 Abs. 1 ZPO. In beiden Fällen wurden konkret auch die Kosten einer anwaltlichen Vertretung im Schlichtungsverfahren als notwendig angesehen. Die Angelegenheiten seien nicht so einfach gestaltet, dass es hätte zugemutet werden können, sich nicht vertreten zu lassen. Zu erstatten waren also die Gebühren des Schlichters und die Gebühren der späteren Prozessbevollmächtigten nach Nr. 2303 Nr. 1 VV.
Im Fall des OLG Karlsruhe waren die Kosten als materieller Schadenersatz eingeklagt und in erster Instanz durch das LG Freiburg noch zugesprochen worden. Das OLG hob die Entscheidung insoweit auf und verwies auf die Möglichkeit der Festsetzung im Kostenfestsetzungsverfahren. Es verneinte zu Recht das Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses für eine Klage. Die Besonderheit der Entscheidung des OLG Karlsruhe liegt in der Klageerhebung durch den Gegner des Schlichtungsantrags vor dem LG. Durch diese Klage wurde das durch den späteren Beklagten eingeleitete Schlichtungsverfahren obsolet, da ein solches Verfahren nur einer Klage vor dem AG vorauszugehen hat. Dennoch spricht – zu Recht – das OLG die Kosten jenes Verfahrens zu, da der beabsichtigte Antrag des Beklagten zur Zuständigkeit des AG gehört hatte. Das LG Freiburg folgt dieser Rechtsprechung des OLG, die es als herrschende Meinung bezeichnet.
Rechtsanwalt Tilman Winkler, Kenzingen