Die Entscheidung des OLG München ist noch zur früheren Rechtslage ergangen.
Nach der neuen Rechtslage (§ 15a Abs. 2 RVG) ist in allen Fällen so vorzugehen. Das bedeutet, dass eine eventuell vom Auftraggeber gezahlte Wahlanwaltsgeschäftsgebühr bei nachfolgender Prozesskostenhilfe zunächst einmal auf die nicht gedeckte Wahlanwaltsvergütung anzurechnen ist.
Entgegen der Ansicht des OLG München bin ich allerdings der Auffassung, dass die Geschäftsgebühr nur auf die nicht gedeckte Differenz zwischen Wahlanwalts- und Pflichtanwaltsverfahrensgebühr zu verrechnen ist, nicht auf die gesamte Gebührendifferenz.
Dies ergibt sich daraus, dass die Geschäftsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV nicht auf sämtliche nachfolgenden Gebühren eines gerichtlichen Verfahrens angerechnet wird, sondern nur auf die Verfahrensgebühr eines nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens. Mit anderen Worten: Die Zahlung der vollen Geschäftsgebühr bewirkt im Umfang der Anrechnung auch die Zahlung der Verfahrensgebühr.
Wird aber auf eine bestimmte Gebühr gezahlt, dann kann auch nur auf diese Gebühr verrechnet werden.
Zu beachten ist, dass sich die Verrechnung auf die nicht gedeckten Wahlanwaltsgebühren erst ab einem Streitwert von 3.000,00 EUR auswirkt, da erst bei Werten von über 3.000,00 EUR die Pflichtgebühren von den Wahlanwaltsgebühren abweichen.
Beispiel 1
Außergerichtlich war der Anwalt wegen einer Forderung in Höhe von 3.000,00 EUR als Wahlanwalt tätig und hat dafür eine 1,5-Geschäftsgebühr erhalten:
1. |
1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV (Wert: 3.000,00 EUR) |
283,50 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
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Zwischensumme |
303,50 EUR |
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
57,67 EUR |
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Gesamt |
361,17 EUR |
Im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren wird der Anwalt im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordnet.
Die Zahlung des Mandanten auf die Geschäftsgebühr ist nach § 58 Abs. 2 RVG zu berücksichtigen. Da sich hier keine Differenz zwischen Wahlanwalts- und Pflichtanwaltsgebühren ergibt, ist die Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV in voller Höhe vorzunehmen. Der Anwalt erhält aus der Landeskasse im Ergebnis lediglich noch 0,55 der Verfahrensgebühr.
1. |
1,3-Verfahrengsgebühr, Nr. 3100 VV |
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245,70 EUR |
2. |
gem. § 58 Abs. 2 RVG i.V.m. Vorbem. 3 Abs. 4 VV |
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anzurechnen, 0,75 aus 3.000,00 EUR |
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– 141,75 EUR |
3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
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226,80 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
350,75 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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66,64 EUR |
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Gesamt |
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417,39 EUR |
Beispiel 2
Der Anwalt wird für den Auftraggeber wegen einer Forderung in Höhe von 10.000,00 EUR als Wahlanwalt tätig. Beratungshilfe war nicht beantragt worden. Erhalten hat der Anwalt wiederum eine 1,5-Geschäftsgebühr:
1. |
1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV (Wert: 10.000,00 EUR) |
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729,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
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Zwischensumme |
749,00 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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142,31 EUR |
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Gesamt |
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891,31 EUR |
Hiernach wird der Anwalt im Rechtsstreit tätig. Der Partei wird Prozesskostenhilfe bewilligt und der Anwalt beigeordnet.
Die Zahlung, die der Anwalt von der bedürftigen Partei auf die Geschäftsgebühr erhalten hat, ist im Rahmen des § 58 Abs. 2 RVG zu berücksichtigen. Und zwar ist der nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnende Teil der Geschäftsgebühr jetzt zunächst auf die nicht gedeckten Wahlanwaltsgebühren des § 13 RVG anzurechen und erst hiernach auf die PKH-Vergütung des § 49 RVG. Dies ergibt folgende Berechnung:
1. |
1,3-Verfahrengsgebühr, Nr. 3100 VV, § 49 RVG |
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314,60 EUR |
2. |
anrechnungsfähig nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV: |
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0,75 aus 10.000,00 EUR nach § 13 RVG |
– 364,50 EUR |
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(631,80 EUR – 314,60 EUR) |
317,20 EUR |
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– 47,30 EUR |
3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV, § 49 RVG |
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290,40 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
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Zwischensumme |
577,70 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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109,76 EUR |
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Gesamt |
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687,46 EUR |