RVG VV Nrn. 2300, 2301
Leitsatz
- Hat der Rechtsanwalt einen Antragsteller bereits im Vergabeverfahren vertreten, indem er für ihn einen Vergabeverstoß gerügt hat, bemisst sich die erstattungsfähige Geschäftsgebühr für seine Tätigkeit im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer nach Nr. 2301 VV (0,5 bis 1,3).
- Die bereits zuvor für die Tätigkeit im Vergabeverfahren entstandene Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV (0,5 bis 2,5) ist nicht erstattungsfähig.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 13.7.2009–11 Verg 1/09
Sachverhalt
Die Vergabekammer des Landes Hessen hatte auf den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin die Antragsgegnerin verpflichtet, die Wertung der Angebote neu und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer vorzunehmen und entschieden, dass die Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin trägt; zudem erklärte sie die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin für erforderlich.
Auf Antrag der Antragstellerin setzte die 1. Vergabekammer des Landes Hessen mit Kostenfestsetzungsbeschluss die von der Antragsgegnerin der Antragstellerin zu erstattenden Kosten auf 1.220,60 EUR fest. Dieser Betrag enthält eine 2,2-fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV in Höhe von 1.157,20 EUR.
Gegen die Festsetzung dieser Position hat die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde erhoben. Sie ist der Ansicht, es sei nur eine 1,1-fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2301 VV in Höhe von 578,60 EUR festzusetzen, da der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin bereits im Ausschreibungsverfahren tätig geworden sei.
Die Antragstellerin ist der Meinung, die Erhebung der Rüge sei dem Nachprüfungsverfahrens zuzurechnen. Hilfsweise ist sie der Ansicht, es seien sowohl eine 1,5-fache Gebühr nach Nr. 2300 VV als auch eine 1-fache Gebühr nach Nr. 2301 VV erstattungsfähig.
Die sofortige Beschwerde hatte Erfolg.
Aus den Gründen
Für seine Tätigkeit im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer verdient der Rechtsanwalt in Ermangelung eines konkreten Gebührentatbestands eine Geschäftsgebühr nach Teil 2 Abschnitt 3 VV (BGH, Beschl. v. 23.9.2008 – X ZB 19/07, VergabeR 2009, 39 [= AGS 2008, 553]).
Die Gebührentatbestände Nrn. 2300 und Nr. 2301 VV sind dabei im Nachprüfungsverfahren genauso anzuwenden, wie sie im verwaltungsrechtlichen Vorverfahren anzuwenden wären (BGH, wie vor).
Danach kommt hier die Gebühr nach Nr. 2301 VV zur Anwendung, weil der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin diese bereits im Vergabeverfahren vertreten hat, indem er für die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin einen Vergabeverstoß gerügt hat.
Die Rügen, welche die Bieter noch im Verlauf des Ausschreibungsverfahrens erheben, zählen zum Vergabeverfahren und nicht zum Nachprüfungsverfahren (vgl. etwa Summa, in: jurisPK-VergR, 2. Aufl. 2008, VT 1 zu § 128 GWB Rn 24). Dass diese Rügen nicht zum Verfahren vor der Vergabekammer gehören, zeigt auch § 107 Abs. 1 GWB, der den Beginn des Verfahrens an die Stellung eines Nachprüfungsantrages knüpft (OLG München, Beschl. v. 7.10.2005 – Verg 7/05, VergabeR 2006, 291).
Die Antragstellerin kann auch nicht eine 1,5-fache Gebühr nach Nr. 2300 VV und eine 1-fache Gebühr nach Nr. 2301 VV erstattet verlangen.
Es kann insoweit dahinstehen, ob der Feststellung, dass die anwaltliche Vertretung der Antragstellerin auch im Vergabegabeverfahren notwendig war, nicht schon die Bestandskraft der Kostengrundentscheidung entgegensteht. Für eine Erstattung der im Vergabeverfahren entstandenen Rechtsanwaltsgebühren fehlt nämlich eine gesetzliche Grundlage.
War der Rechtsanwalt schon im Vergabeverfahren für einen Beteiligten des späteren Nachprüfungsverfahrens tätig, so hatte er zwar bereits durch diese Tätigkeit die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV verdient (Summa in: jurisPK-VergR, 2. Aufl. 2008, VT 1 zu § 128 GWB Rn 24). Diese Gebühr ist jedoch nicht erstattungsfähig.
Wenn ein Rechtsanwalt wie hier sowohl im Vergabeverfahren (Verwaltungsverfahren) als auch im Nachprüfungsverfahren (Widerspruchsverfahren) tätig wird, kann im Wege der Kostenerstattung durch die Behörde nach § 80 Abs. 2 VwVfG nur die Geschäftsgebühr aus Nr. 2301 VV festgesetzt werden (vgl. zum Verwaltungsverfahren VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 7.2.2008–13 S 2939/07, Justiz 2008, 231).
Anmerkung
Zu Leitsatz 1) zwischenzeitlich auch BGH.