FamFG § 78 Abs. 2; ZPO §§ 114 ff.
Leitsatz
§ 78 Abs. 2 FamFG erfordert die Feststellung, dass die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint, weil die Sach- und Rechtslage schwierig ist. Diese Feststellung lässt sich nicht generell, sondern nur nach einer Abwägung im Einzelfall treffen. Dabei ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Entscheidend ist nicht der Kenntnisstand eines erfahrenen Familienrichters, sondern die Perspektive eines juristischen Laien, der ohne besondere Vorkenntnisse um Rechtsschutz nachsucht und sich unter Umständen nach Trennung oder Scheidung in einer schwierigen Lebensphase befindet.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.12.2009–8 WF 204/09
Sachverhalt
Die Kindeseltern streiten um die Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechts. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Frage, ob ihnen für diese Angelegenheit eine Rechtsanwältin beizuordnen ist.
Aus der geschiedenen Ehe der Parteien stammt die Tochter S., die am 24.11.1995 geboren wurde. Das Mädchen lebte nach der Trennung zunächst mehrere Jahre bei seiner Mutter, ehe es spätestens im Sommer 2008 in den Haushalt seines Vaters wechselte, der mit einer neuen Partnerin zusammenlebt. Im September 2009 besuchte S. für einige Tage ihre Mutter. Danach äußerte sie, wieder zu ihrer Mutter zurückkehren zu wollen. Seither streiten die Beteiligten darüber, wo ihr Kind in Zukunft leben soll.
Nachdem Gespräche mit dem Jugendamt erfolglos verlaufen sind, hat die Kindesmutter beantragt, ihr Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen und sodann das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen.
Der Kindesvater hat seinerseits einen Gegenantrag gestellt und ebenfalls um Verfahrenskostenhilfe gebeten.
Durch den angefochtenen Beschluss hat das AG den Parteien Verfahrenskostenhilfe gewährt, die Beiordnung eines Anwalts aber abgelehnt. Gegen diesen Teil der Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, der das AG nicht abgeholfen hat.
Aus den Gründen
Das Rechtsmittel ist zulässig und führt zu einem vorläufigen Erfolg.
Der Antragstellerin ist ein Rechtsanwalt beizuordnen. Die Prüfung der Frage, ob Rechtsanwältin T. aus Bottrop beigeordnet werden kann, wird dem Amtsrichter übertragen.
1. Das Verfahren richtet sich im vorliegenden Fall nach dem FamFG, das zum 1.9.2009 in Kraft getreten ist und das FGG abgelöst hat. Damit haben sich auch die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten geändert. Nach wie vor wird danach unterschieden, ob eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben ist oder nicht. In den Angelegenheiten, in denen Anwaltszwang herrscht, ist dem jeweiligen Beteiligten grundsätzlich ein Rechtsanwalt seiner Wahl beizuordnen, §§ 78 Abs. 1 FamFG, 121 Abs. 1 ZPO. Ist dagegen eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, ist eine zusätzliche Prüfung vorzunehmen. Während früher nach §§ 14 FGG, 114 f., 121 Abs. 2 ZPO für eine Beiordnung genügte, dass "die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist", ist jetzt nach § 78 Abs. 2 FamFG eine Beiordnung nur auszusprechen "wenn wegen der Schwierigkeiten der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint". Damit hat der Gesetzgeber die Anforderungen in den selbstständigen Besuchs- und Sorgerechtsverfahren erhöht. Sie zählen nicht zu den sog. Familienstreitsachen und unterliegen folglich nicht dem Anwaltszwang, vgl. § 114 Abs. 1 i.V.m. §§ 111 Nr. 2, 151 Nr. 1 und 2 FamFG.
Unter der Geltung des alten Prozessrechts konnten die Parteien eines Sorgerechtsverfahrens im Allgemeinen mit einer Beiordnung rechnen (vgl. die Nachweise bei Zöller ZPO 27. Aufl. § 121 Rn 7). Auch für Umgangsrechtsverfahren wurde im Schrifttum die Auffassung vertreten, dass wegen der besonderen Bedeutung und Auswirkung auf die Lebensumstände der Betroffenen "in aller Regel" die Beiordnung erforderlich sei (Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Aufl., Rn 555 m. w. Nachw.). Allerdings hat der BGH am 18.2.2009 entschieden, dass es eine derartige Regel nicht gebe und stattdessen im Einzelfall zu prüfen sei, ob das Besuchsrechtsverfahren rechtlich und tatsächlich schwierig sei (FamRZ 2009, 857 f. = NJW-RR 2009, 794 f.); geboten sei eine konkrete, an den objektiven wie subjektiven Gegebenheiten des jeweiligen Falles orientierte Bewertung (XII ZB 137/08).
Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 78 Abs. 2 FamFG gebieten es nach Auffassung des Senats, die zum FGG ergangene Rspr. zu modifizieren. Indem das Gesetz auf die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage abstellt, zwingt es dazu, zwischen schwierigen und einfachen Fällen zu unterscheiden. Es lässt sich nicht leugnen, dass es auch im Bereich der Kindschaftssachen Fälle gibt, die eindeutig sind. Keineswegs kann aus dem Rang dieser Rechte und ihrer Verbürgung durch höherrangige Normen (Art. 6 GG, 8 EMRK) auf die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage bei der verfahrensrechtlichen Wahrnehmung geschlossen werden. Ebenso wenig geht es an, aus dem Eingriff in di...