RVG § 15a; RVG VV Vorbem. 3 Abs. 4, Nrn. 2300, 3100
Leitsatz
- § 15a RVG stellt lediglich die bereits unter § 118 Abs. 2 BRAGO geltende und mit Einführung des RVG nicht geänderte Rechtslage klar, wonach sich die Gebührenanrechnung im Verhältnis zu Dritten und damit insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich nicht auswirkt (Anschluss an BGH, Beschl. v. 2.9.2009 – II ZB 35/07, AGS 2009, 466).
- Die Begrenzung des Instanzenzugs in Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gilt nicht für das Kostenfestsetzungsverfahren.
BGH, Beschl. v. 9.12.2009 – XII ZB 175/07
Sachverhalt
Im Kostenfestsetzungsbeschluss hatte die Rechtspflegerin des LG die von der Antragsgegnerin vollumfänglich zu tragenden Kosten des vorausgegangenen Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf 1.394,09 EUR festgesetzt. In diesem Betrag war u.a. eine von dem Antragsteller für seine Verfahrensbevollmächtigten geltend gemachte 1,3-Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV) in voller Höhe berücksichtigt. Eine Anrechnung der Verfahrensgebühr aufgrund der eventuell außergerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr hat die Rechtspflegerin mit der Begründung abgelehnt, eine unverminderte Festsetzung der 1,3-Verfahrensgebühr scheide nur dann aus, wenn in demselben Rechtsstreit der auf materiellem Recht bestehende Anspruch auf Erstattung der vollen Geschäftsgebühr bereits tituliert worden sei.
Die dagegen erhobene sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat das OLG zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde, mit der die Antragsgegnerin im Hinblick auf Vorbem. 3 Abs. 4 VV die Herabsetzung der Verfahrensgebühr um den anzurechnenden Teil der außergerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr erstrebt.
Die Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen
Die Rechtsbeschwerde ist gem. §§ 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 2 ZPO i.V.m. Art. 111 Abs. 1 FGG-RG statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere steht ihr nicht entgegen, dass dem angefochtenen Beschluss ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zugrunde liegt, in dem gem. §§ 574 Abs. 1 S. 2, 542 Abs. 2 S. 1 ZPO ein Rechtsmittel zum BGH nicht gegeben ist. Diese Begrenzung des Instanzenzugs gilt nicht für das Kostenfestsetzungsverfahren (vgl. BGH, Beschl. v. 6.4.2005 – V ZB 25/04, NJW 2005, 2233 = AGS 2005, 413). Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Daran ist der Senat gebunden (§ 574 Abs. 3 S. 2 ZPO).
In der Sache hat die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg. Die Rechtspflegerin hat zu Recht die von der Antragsgegnerin an den Antragsteller zu erstattenden Kosten auf 1.394,09 EUR festgesetzt und dabei trotz des unbestrittenen Anfalls der außergerichtlichen Geschäftsgebühr die geltend gemachte 1,3-Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV) im Ergebnis zutreffend in voller Höhe berücksichtigt.
1. Das Beschwerdegericht hat die Auffassung vertreten, die Anrechnung der vorgerichtlich angefallenen Geschäftsgebühr scheide aus, weil der Antragsteller diese weder im Hauptsacheverfahren noch in einem anderen Verfahren als materiell-rechtlichen Schadenersatzanspruch geltend gemacht habe. Deshalb sei hier eine vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr gem. Nr. 2400 (jetzt Nr. 2300) VV nicht im Kostenfestsetzungsverfahren mit zu berücksichtigen, da dies nur in Betracht komme, wenn entweder deren Anfall und die Pflicht des Gegners, sie zu tragen, oder jedenfalls die für ihre Berücksichtigung maßgebenden Tatsachen unstreitig seien. Denn die Anrechnungsvorschrift gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV gelte grundsätzlich nur im Verhältnis zwischen einer Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten. Demgegenüber hafte der Prozessgegner auf Erstattung vorgerichtlicher Kosten nur nach materiellem Recht. Daher könne im Kostenfestsetzungsverfahren nur eine bereits rechtskräftige Verurteilung zur Zahlung oder anderweitige bestandskräftige Regelung über einen solchen materiell-rechtlichen Anspruch berücksichtigt werden. Dies entspreche auch der früher einhelligen Handhabung unter der Geltung des § 118 Abs. 2 BRAGO.
Eine Änderung der Rechtslage habe der Gesetzgeber mit der Schaffung der rechtstechnisch gleichen Anrechnungsvorschrift in Vorbem. 3 Abs. 4 VV nicht herbeiführen wollen.
2. Diese Sichtweise rügt die Rechtsbeschwerde als fehlerhaft und stützt ihre Ansicht auf die neuere Rspr. des VIII. Zivilsenats des BGH. Danach sei Vorbem. 3 Abs. 4 VV so zu verstehen, dass eine entstandene Geschäftsgebühr unter der Voraussetzung, dass es sich um denselben Gegenstand handelt, teilweise auf die spätere Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen sei. Durch diese Anrechnung verringere sich die erst später nach Nr. 3100 VV angefallene Verfahrensgebühr, während die zuvor bereits entstandene Geschäftsgebühr von der Anrechnung unangetastet bleibe (vgl. BGH, Urt. v. 7.3.2007 – VIII ZR 86/06, NJW 2007, 2049; v. 14.3.2007 – VIII ZR 184/06, NJW 2007, 2050 = AGS 2007, 283 u. v. 11.7.2007 – VIII ZR 310/06, NJW 2007, 3500 f. = AGS 2008, 41 sowie BGH, Beschl. v. 22.1.2008 – VIII ZB 57/07, FamRZ 2008, 878...