ZPO § 97 Abs. 2
Leitsatz
Wird in der Berufung festgestellt, dass erst jetzt die Voraussetzungen für eine Scheidung vorliegen, hat der Antragsteller die Kosten des Rechtsmittels zu tragen, da er verfrüht den Antrag gestellt hat.
OLG Naumburg, Urt. v. 19.3.2009–8 UF 24/09
Sachverhalt
Die Parteien hatten in 2006 geheiratet. Am 22.5.2008 hatte der Antragsteller einen Antrag auf einverständliche Scheidung der Ehe nach dem Hilfstatbestand zu § 1566 Abs. 1 BGB i.V.m. § 630 BGB anhängig gemacht, und zwar mit der Begründung, die Parteien hätten bereits seit Mai 2007 zunächst innerhalb der Ehewohnung getrennt gelebt; anschließend sei die Antragsgegnerin aus der Ehewohnung am 1.1.2008 ausgezogen; beide Ehegatten würden die Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft ablehnen; Regelungsbedarf in Folgesachen bestehe aufgrund einverständlicher Regelungen der Parteien nicht.
Die Antragsgegnerin hat erwidert, die Trennung sei erst mit ihrem – unstreitigen – Auszug aus der Ehewohnung am 1.1.2008 erfolgt (§ 1567 Abs. 1 S. 1 BGB); eine vorherige Trennung innerhalb der Ehewohnung (§ 1567 Abs. 1 S. 2 BGB) habe es nicht gegeben. Sie habe bis Ende 2007 noch regelmäßig die üblichen Versorgungsleistungen für den Antragsteller, etwa durch Zubereitung des Essens und sonstige Haushaltstätigkeiten, erbracht. Abgesehen davon habe man sich auch nicht über den Aufenthalt und den Umgang mit dem gemeinschaftlichen Kind geeinigt, das sie seit ihrem Auszug allein betreut. Aus all diesen Gründen sei der Scheidungsantrag verfrüht, und die Antragsgegnerin beantragte Antragsabweisung.
Bei der persönlichen Anhörung der Parteien (§ 613 Abs. 1 ZPO) in der mündlichen Verhandlung am 3.12.2008 vermochte der Antragsteller lediglich anzugeben, dass es im Mai 2007 innerhalb der Ehewohnung einen "heftigen Streit" gegeben habe, woraufhin sich die Antragsgegnerin im Oktober 2007 eine andere Wohnung "gesucht" habe; demgegenüber hat die Antragsgegnerin erklärt, dass ihre "Wohnungssuche" erst im November 2007 begonnen habe und erst dieser Umstand der Anlass dafür gewesen sei, dass sie sich vom Antragsteller immer mehr "zurückgezogen" habe.
Mit Rücksicht darauf wies das FamG den – gleichwohl gestellten – Scheidungsantrag des Antragstellers mit dem angefochtenen Urteil ab.
Aus den Gründen
1. Die zulässige Berufung des Antragstellers ist begründet, weil das erste Trennungsjahr – das nach den Feststellungen des FamG erst am 1.1.2008 begann – inzwischen abgelaufen ist (§ 1565 Abs. 2 Hs. 1 BGB), der Antragsteller nach wie vor die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt (§ 1567 Abs. 1 S. 1 BGB) und sie auch nicht wiederherstellen will, wie sich aus seiner Berufungsbegründungsschrift ersehen lässt. Infolgedessen ist mittlerweile der Scheidungsgrundtatbestand (§ 1565 BGB) erfüllt, so dass die Gründe des angefochtenen Urteils die Abweisung des Scheidungsantrages des Antragstellers nicht mehr tragen und das Urteil – nicht zuletzt mit Rücksicht auf die Folgesache Versorgungsausgleich, die das FamG von Amts wegen eingeleitet hat (§ 623 Abs. 1 S. 3 ZPO) – aufzuheben und die Sache an das FamG zurückzuverweisen ist (§ 629b Abs. 1 S. 1 ZPO).
2. Obgleich eine Aufhebung und Zurückverweisung erfolgt, hat der Senat auch über die Kosten des Berufungsrechtszuges zu entscheiden, denn der Inhalt der Kostenentscheidung steht fest (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 629b Rn 7 m. w. Nachw.): Der Antragsteller hat die Kosten des Berufungsrechtszuges zu tragen (analog § 97 Abs. 2 ZPO), da seine Berufung gegen die Abweisung seines Scheidungsantrages nur deshalb Erfolg hat, weil im Verlaufe des Berufungsrechtszuges das erste Trennungsjahr abgelaufen ist (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 629b Rn 7 m. w. Nachw.). Den ihm obliegenden Beweis dafür, dass das erste Trennungsjahr bereits bei Schluss der letzten erstinstanzlichen Verhandlung v. 3.12.2008 (dieser Zeitpunkt ist maßgebend; vgl. AnwK-BGB/Bisping, § 1565 Rn 12 m. w. Nachw.) abgelaufen war, hat der Antragsteller weder bei seiner erstinstanzlichen Parteivernehmung (§ 613 Abs. 1 ZPO) noch im Berufungsrechtszug erbracht.
Anmerkung
Auch nach der seit dem 1.9.2009 geltenden Rechtslage ist hier § 97 Abs. 2 ZPO anzuwenden. In Verbundverfahren verweist § 113 Abs. 2 FamFG auf die Vorschriften der ZPO, sofern im FamFG keine vorrangigen Regelungen enthalten sind. Eine vorrangige Regelung findet sich nur für das Verbundverfahren bei Ausspruch der Scheidung (§ 132 FamFG), nicht aber für den Fall, dass das Rechtsmittelgericht die Voraussetzung der Scheidung für gegeben hält und deshalb aufhebt und zurückverweist.
Darauf hinzuweisen ist noch, dass das Verbundverfahren vor dem FamG vor Zurückverweisung und nach Zurückverweisung eine einzige Angelegenheit bilden (§ 21 Abs. 2 RVG). Die Anwaltsgebühren entstehen daher insgesamt nur einmal. Es handelt sich insoweit um eine Ausnahme zur Regelung des § 21 Abs. 1 RVG, wonach das Verfahren nach Zurückverweisung als neue Angelegenheit gilt also mit der Maßgabe, dass die Verfahrensgebühr des Verfahrens vor Zurückverweisung auf die Verfahrensgebühr des Verfa...