Weil nicht sein kann, was nicht sein darf ...

Zugegeben, gerade zum RVG gibt es eine ganze Reihe von Entscheidungen – auch und gerade von Obergerichten – die mit dem Gesetzestext nur schwerlich in Übereinstimmung zu bringen sind. Man erinnere sich nur an die Entscheidung des BGH v. 15.3.2007 zur Terminsgebühr, die im Verfahren nach § 522 ZPO angeblich nicht anfallen könne[5] oder an die jüngste Entscheidung des IX. Senats zu Nr. 4141 VV, wo im Schulterschluss mit der Rechtsschutzversicherungswirtschaft ernsthaft die Auffassung vertreten wird, das nach einer Einstellung des Strafverfahrens sich anschließende Bußgeldverfahren hindere den Verdienst einer Gebühr nach Nr. 4141 VV.[6]

Es würde den Rahmen dieser Anmerkung sprengen, wollte man die Aufzählung hier fortsetzen. Den meisten solcher gesetzesfremden Entscheidungen ist allerdings zu Eigen, dass sie auf eine Reduzierung von Anwaltsgebühren hinauslaufen.

Das OLG Koblenz zeichnet sich nunmehr zum wiederholten Male dadurch aus, dass mit dem Gesetzestext nicht kompatible Entscheidungen getroffen werden, die dem jeweils betroffenen Anwalt auch einmal zugute kommen. So darf daran erinnert werden, dass es auch das OLG Koblenz war, dass eine Terminsgebühr bei wechselseitigem Email-Austausch für abrechenbar ansah, was der BGH dann allerdings postwendend verneinte.[7]

Nach der "Erfindung einer Terminsgebühr im Rahmen der Emailkorrespondenz" kommt das OLG Koblenz nunmehr mit einem "neuen Produkt" auf dem Markt und erfindet buchstäblich die Terminsgebühr für den – zwangsläufig – noch nicht mit einem Verfahrensauftrag ausgestatteten Beklagtenanwalt.

Der vom OLG beurteilte Sachverhalt kommt in der Praxis immer wieder vor:

Anwalt A – bereits mit Klage- oder Verfahrensauftrag ausgestattet nimmt – möglicherweise unter Hinweis auf einen Klageentwurf – vor Einreichung der Klage mit dem gegnerischen Anwalt Verbindung auf und versucht, auf eine Vermeidung des Rechtsstreites hinzuwirken.

Nachdem ihm dies gelingt, kann er neben einer Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 VV und einer Einigungsgebühr auch noch die Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 VV abrechnen. Dem Gegenanwalt ist dies – mangels Verfahrensauftrag – versagt, eben weil es bei ihm an einem Verfahrensauftrag fehlt, der nach der Rspr. des BGH aber Grundvoraussetzung für den Anfall einer Terminsgebühr ist.

Dies wird auch vom OLG Koblenz eigentlich nicht verkannt, das sich ja zunächst einmal mit der einschlägigen Rspr. einschließlich der Rspr. des BGH auseinandersetzt und diese zutreffend zitiert. Kurz darauf erfolgt dann in den Entscheidungsgründen der überraschende Bruch:

Jetzt stellt ein Gericht Überlegungen darüber an, was gerecht ist und was nicht und entscheidet dem klaren Gesetzestext und der einschlägigen Rspr. und Lit. zu wider, dass auch der Beklagtenvertreter eine Terminsgebühr verdienen müsse, da er doch eine identische Tätigkeit erbringe, wie der Klägervertreter.

Abgesehen davon, dass es dem Beklagtenvertreter unbenommen ist, seine diesbezüglichen Aktivitäten beim Bemessen der Rahmengebühr nach Nr. 2300 VV gebührend zu berücksichtigen, sollte der Maßstab für Gerichtsentscheidungen – schon aus Gründen der Rechtssicherheit – der Gesetzestext sein und nicht das individuelle Gerechtigkeitsempfinden einzelner Richter und seien auch Richter an Obergerichten betroffen.

Die deutsche Gerichtsbarkeit könnte sich kaum retten, wenn sie alle Ungerechtigkeiten und Unwägbarkeiten dieser Welt – noch dazu entgegen dem Gesetzestext – aufarbeiten wollte.

Allein das RVG ist voller Widersprüche und Brüche, die abzuarbeiten aber Aufgabe des Gesetzgebers und nicht der Gerichte ist.

So sei beispielsweise daran erinnert, dass der Sozialrechtsanwalt im Falle eines Vergleichsabschlusses im schriftlichen Verfahren für exakt dieselbe Tätigkeit keine Terminsgebühr erhält, die beim Zivilrechtsanwalt anfällt (vgl. Anm. Abs. 1 zu Nr. 3104 VV sowie Anm. Abs. 1 zu Nr. 3106 VV).

Es sei daran erinnert, dass der Kläger im Falle des Obsiegens mit der Hauptsache erfolgreich die außergerichtliche Geschäftsgebühr seines Anwalts ersetzt verlangen kann, während bei Abweisung der Klage der zu Unrecht in Anspruch genommene Beklagte in der Regel nach geltender Rspr. die außergerichtlichen Bemühungen seines Anwaltes alleine zu zahlen hat.

So schön es also ist, wenn Gerichte ausnahmsweise Rechtsanwälten in Vergütungsfragen behilflich sein wollen, so sehr muss doch darauf geachtet werden, dass dies im Rahmen der geltenden Gesetze erfolgt.

Dass übrigens das OLG Koblenz auch in anderer Richtung zu eher skurrilen Entscheidungen fähig ist, hat es bewiesen, als es einem Rechtsanwalt die außergerichtliche Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren zwecks Anrechnung "wegen Unangemessenheit" willkürlich heraufsetzte, um gleichzeitig dessen Verfahrensgebühr zu kürzen.[8]

Gegen das hier besprochene Urteil ist Revision eingelegt und wieder einmal wird sich der BGH mit einer gebührenrechtlichen Frage zu beschäftigen haben, deren Beantwortung sich eigentlich aus dem Gesetz ergibt.

Aber d...

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