a) Anwendung von § 78 Abs. 2 FamFG

Handelt es sich um eine FG-Familiensache, die bei dem Familien- oder OLG anhängig ist, gilt § 78 Abs. 2 FamFG, da eine anwaltliche Vertretung nicht vorgeschrieben ist. In diesen Verfahren sind daher zunächst die Voraussetzungen dieser Vorschrift zu prüfen, bevor ein Anwalt beigeordnet wird, da ein Beteiligter, dem aus wirtschaftlichen Gründen VKH bewilligt ist, nicht auch in jedem Fall einen Anspruch auf Beiordnung eines Rechtsanwalts besitzt.[1]

Die Regelung des § 78 Abs. 2 FamFG entspricht dabei weitgehend derjenigen des § 121 Abs. 2 ZPO, wobei der Gesetzgeber damit zugleich die noch zu § 14 FGG bestehende Streitfrage geklärt hat, ob diese Bestimmung im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit überhaupt Anwendung findet.[2] Die Fälle, in denen eine Anwaltsbeiordnung auch in Beteiligtenverfahren zu erfolgen hat, sind jedoch im Vergleich zu § 121 Abs. 2 ZPO eingeschränkt worden, so dass § 78 Abs. 2 FamFG als einzigen Grund für eine Anwaltsbeiordnung vorsieht, dass die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage eine solche erforderlich macht. Die Fälle der "Waffengleichheit" sind somit von der Regelung ausgenommen (vgl. aber I Nr. 3d).

[1] OLG Hamburg, Beschl. v. 28.1.2010, MDR 2010, 701.
[2] BT-Drucks 16/6308 S. 214.

b) Einzelprüfung der Voraussetzungen des § 78 Abs. 2 FamFG

Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 78 Abs. 2 FamFG vorliegen, ist auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls abzustellen,[1] so dass das Aufstellen von pauschalisierten Regelungen, nach denen einem mittellosen Beteiligten für bestimmte Verfahren grundsätzlich ein Rechtsanwalt beizuordnen ist, nicht zulässig ist.[2] Die durchzuführende Einzelfallprüfung setzt daher eine konkrete, an den objektiven wie subjektiven Gegebenheiten des konkreten Falles orientierte Notwendigkeitsprüfung voraus.[3]

c) Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage

Als einzigen Grund für eine Beiordnung sieht das Gesetz vor, dass "wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint". Damit lassen sich aus dem Gesetzeswortlaut des § 78 Abs. 2 FamFG nur noch objektive Kriterien für eine Beiordnung entnehmen. Insoweit ergibt sich auch eine Einschränkung zu § 121 Abs. 2 ZPO, weil dieser eine Beiordnung schon anordnet, "wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint". Zudem lässt sich auch aus der Gesetzesbegründung entnehmen, dass der Gesetzgeber ausschließlich die Zugrundelegung von objektiven Kriterien gewollt hat,[1] während subjektive Kriterien unbeachtlich bleiben sollten.

Folgt man dieser strengen Ansicht, könnten subjektive Kriterien, also solche, die in der Person des mittelosen Beteiligten selbst liegen, nicht mehr berücksichtigt werden. Dieser Auffassung ist jedoch in Rspr. und Lit. zu Recht entgegengetreten worden. Es ist hier wohl mittlerweile die herrschende Meinung, dass auch im Anwendungsbereich des § 78 Abs. 2 FamFG subjektive Maßstäbe heranzuziehen sind, weil diese Norm verfassungskonform über ihren Wortlaut hinaus auszulegen ist.[2] Dabei ist zu beachten, dass das BVerfG schon zu § 121 Abs. 2 ZPO festgestellt hat, dass die Frage, ob eine anwaltliche Beiordnung i.S.d. Vorschrift erforderlich erscheint, danach zu beurteilen ist, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt beauftragt hätte.[3] Hierfür muss neben dem Umfang und der Schwierigkeit der Sache auch auf die Fähigkeit des Beteiligten, sich mündlich oder schriftlich auszudrücken, abgestellt werden.[4] Dies folgt aus dem Sinn und Zweck der Prozesskostenhilfe, die sich aus Art. 3 i.V.m. Art. 20 Abs. 1, 3 GG ergebende Rechtsschutzgleichheit durch eine Angleichung der Situation von bemittelten und unbemittelten Beteiligten zu verwirklichen,[5] ein Grundsatz, der auch für das Instrument der Verfahrenskostenhilfe gilt.

Es ist zwischen schwierigen und einfachen Fällen zu unterscheiden. Dabei ist es ausreichend, dass die Sach- oder die Rechtslage schwierig ist, so dass auch in zwar rechtlich einfach gelagerten, aber mit tatsächlichen Schwierigkeiten behafteten Verfahren eine anwaltliche Beiordnung notwendig erscheinen kann.[6] Dabei genügt für die Beurteilung der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage eine Prognose.[7] Im Übrigen ist bei der Prüfung, ob eine schwierige Sach- und Rechtslage i.S.d. § 78 Abs. 2 FamFG vorliegt, nicht auf einen fiktiven Beteiligten abzustellen, sondern konkret aus der Sicht des mittellosen Beteiligten zu beurteilen[8] und zugleich zu berücksichtigen, inwieweit dieser Beteiligte in der Lage ist, seine Rechte und Interessen angemessen selbst zu vertreten und sich mündlich und schriftlich auszudrücken.[9]

Im Einzelnen können als für die subjektive Kriterien u.a. in Betracht kommen:

Sprach- und Schriftgewandtheit,
gesundheitliche Beeinträchtigungen,[10]
Ungewandtheit in rechtlichen Angelegenheiten,
deutliches Ungleichgewicht bei Kenntnisstand und Fähigkeiten der Beteiligten,[11]
Alter des Beteiligten.[12]
[1] BT-D...

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