RVG VV Nrn. 4104, 4142, Vorbem. 4.1 StPO § 111a

Leitsatz

Für seine Tätigkeit im Verfahren über eine Beschwerde gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis erhält der Verteidiger keine gesonderten Gebühren. Diese Tätigkeit ist vielmehr durch die Verteidigergebühren der Instanz abgegolten.

AG Hof, Urt. v. 12.1.2011 – 12 C 1273/10

1 Sachverhalt

Die Parteien streiten um eine Rechtsanwaltsvergütung. Der Kläger war für den Beklagten im Verfahren vor der Staatsanwaltschaft tätig. Er war wegen des Verdachts der fahrlässigen Gefährdung des Straßenverkehrs beschuldigt. Im Rahmen seiner Tätigkeit legte der Kläger Beschwerde gegen einen vom AG ergangenen Beschluss nach § 111a StPO ein. Später wurde dann das Ermittlungsverfahren eingestellt.

Für seine Tätigkeit rechnete der Kläger gegenüber dem Beklagten seine Vergütung ab, darunter auch eine Gebühr nach Nr. 4106 VV. Da weder der Mandant noch der Rechtsschutzversicherer zahlte, erhob der Kläger Klage.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

2 Aus den Gründen

Die Klage ist deswegen unbegründet, da dem Kläger die geltend gemachte Verfahrensgebühr vor dem AG (Nr. 4106 VV) nicht zusteht.

Wie sich eindeutig aus Nr. 4104 VV ergibt, ist für das gesamte vorbereitende Verfahren bis zum Eingang einer Anklageschrift bzw. eines Antrags auf Erlass eines Strafbefehls nur die Verfahrensgebühr entstanden. Zwar ist es richtig, dass bereits im Ermittlungsverfahren im Rahmen des § 111a-StPO-Beschlusses ein Gericht tätig wurde, dennoch handelt es sich hierbei noch um das Ermittlungsverfahren und noch nicht um ein bei Gericht anhängiges Strafverfahren. Es entscheidet nämlich der Ermittlungsrichter und nicht der für ein Strafverfahren zuständige Strafrichter. Es reicht also nicht, dass das Verfahren in irgendeiner Art und Weise auch beim AG betrieben wird, sondern nach dem gesamten systematischen Zusammenhang der Vorschriften der Nrn. 4104 und 4106 VV kann die Gebühr Nr. 4106 VV erst bei Eingang der Anklageschrift bzw. des Strafbefehlsantrages entstehen. Jedwede anderweitige Auslegung würde nämlich bedeuten, dass immer dann, wenn ein Ermittlungsrichter, warum auch immer, tätig werden muss, die Verfahrensgebühr nach Nr. 4106 VV entsteht. Dies soll aber nach Auffassung des Gerichtes gerade nicht der Fall sein. Das gesamte vorbereitende Verfahren ist daher mit der Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV abzurechnen.

Es ist auch nicht von Belang, ob die verfahrensentscheidende Tätigkeit des Verteidigers im Rahmen des § 111a-StPO-Beschlusses bewirkt wurde. Entgegen der Auffassung des Klägers wurde diese Tätigkeit nicht vergütungslos erbracht, sondern mit der Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV abgegolten. Es macht keinen Unterschied, ob die Tätigkeit des Verteidigers im Rahmen eines erwirkten § 111a StPO-Beschlusses oder im Rahmen eines (genau so umfangreichen) Ermittlungsverfahrens ohne ermittlungsgerichtlichen Bezug erbracht wird.

Auch kann der Kläger nicht vorbringen, die Gebühr Nr. 4104 VV würde sich nunmehr erhöhen. Es ist nur die konkrete Rechnung v. 21.10.2010 zu prüfen und überdies sind die in der Rechnung angeführten Bewertungsfaktoren des § 14 RVG, die die Maßnahmen gegen den § 111a-Beschluss enthalten, auch für die Gebühr der Nr. 4104 VV herangezogen worden.

Mitgeteilt von Ass. iur. Udo Henke, Elmshorn

3 Anmerkung

I. Keine gesonderte Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV

Die Entscheidung des AG ist zutreffend. Aus den Anwendungsbereichen der Nrn. 4104 bzw. 4106 VV ergibt sich, dass eine (weitere) Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV immer erst dann entstehen kann, wenn das Strafverfahren selbst ins gerichtliche Verfahren übergeht. Nr. 4106 gilt die anwaltliche Tätigkeit für den ersten Rechtszug vor dem AG ab. Dieser beginnt mit dem Eingang der Anklageschrift, des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls bei Gericht oder geht im beschleunigten Verfahren bis zum Vortrag der Anklage, wenn diese nur mündlich erhoben wird.

Entsprechend geht auch, soweit für den Einsender ersichtlich, die Literaturansicht einhellig davon aus, dass die Tätigkeit im Beschwerdeverfahren nach § 111a StPO mit der Verfahrensgebühr abgegolten wird.[1]

II. Keine Gebühr Nr. 4142 VV

Für eine Tätigkeit im Zusammenhang mit der Entziehung der Fahrerlaubnis entsteht weiter auch keine gesonderte Gebühr nach Nr. 4142 VV.[2] Nr. 4142 VV ist auf Maßnahmen, die die Einziehung bzw. Entziehung von Vermögenswerten betreffen, gerichtet. Eine Maßnahme nach § 111a StPO hat diesen Charakter aber nicht. Von der Einziehung ist bereits begrifflich die Entziehung der Fahrerlaubnis zu trennen. Diese stellt ausschließlich eine zeitlich befristete straf- oder ordnungsrechtliche Nebensanktion dar und keinen auf Dauer angelegten Entzug eines Wirtschaftsgutes.[3]

III. Berücksichtigung der Tätigkeit über § 14 RVG bei der Verfahrensgebühr

Soweit das Gericht noch kurz auf die Frage eingegangen ist, ob nicht wie vom Kläger hilfsweise vorgetragen die bereits konkret berechnete Gebühr nach Nr. 4104 VV zu erhöhen ist, hätte einer solchen Erhöhung bereits die eingetretene Bindungswirkung entgegen gestanden. Grundsätzlich ist ein Rechtsanwalt an eine einmal get...

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