ZPO §§ 114 ff. RVG § 49 RVG VV Nr. 1008

Leitsatz

  1. Ist einem Streitgenossen ohne Einschränkung Prozesskostenhilfe bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet worden, der auch weitere Streitgenossen vertritt, dann hat der beigeordnete Rechtsanwalt gegen die Staatskasse einen Vergütungsanspruch in Höhe der vollen Gebühren nach § 49 RVG, jedoch ohne den Zuschlag nach Nr. 1008 VV für die Vertretung der weiteren Streitgenossen (Bestätigung von Senat NJW-RR 1997, 191).
  2. Ist mit der Bewilligung der Prozesskostenhilfe für einen Streitgenossen auch Ratenzahlung gem. § 115 Abs. 2 ZPO angeordnet worden, dann ist der Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts, der auch weitere Streitgenossen vertritt, gegenüber der Staatskasse der Höhe nach begrenzt auf denjenigen Anteil der Regelvergütung (§ 13 RVG) einschließlich Mehrvertretungszuschlag, welcher der Beteiligung des bedürftigen Streitgenossen am Rechtsstreit entspricht.

OLG München, Beschl. v. 30.11.2010 – 11 W 835/09

1 Sachverhalt

Die Klägerin hat im vorliegenden Rechtsstreit eine Forderung von 3.748,80 EUR gegen die drei Beklagten als Gesamtschuldner geltend gemacht. Das AG hat der Beklagten zu 2) Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Anwalts bewilligt, der auch die Beklagten zu 1) und 3) vertreten hat. Mit der Bewilligung der Prozesskostenhilfe hat das AG zugleich angeordnet, dass die Beklagte zu 2) monatliche Raten von 115,00 EUR an die Staatskasse zu bezahlen hat.

Die Parteien haben den Rechtsstreit durch Prozessvergleich beendet und dabei Kostenaufhebung vereinbart. Der Rechtsanwalt hat für die Vertretung der Beklagten zu 2) gegenüber der Staatskasse eine Vergütung von 922,25 EUR geltend gemacht (1,3-Verfahrensgebühr, 1,2-Terminsgebühr und 1,0-Einigungsgebühr sowie 20,00 EUR Auslagenpauschale und 19 % MwSt.).

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die an den Rechtsanwalt aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 72,83 EUR festgesetzt, nämlich einen 0,3-Mehrvertretungszuschlag nach Nr. 1008 VV in Höhe von 61,20 EUR zuzüglich 19 % MwSt. Die dagegen von dem beigeordneten Rechtsanwalt eingelegte Erinnerung hat das AG zurückgewiesen. Auch die gegen diesen Beschluss von dem beigeordneten Rechtsanwalt eingelegte Beschwerde ist mit Beschluss des LG zurückgewiesen worden. Dagegen hat der Rechtsanwalt – die in dem angefochtenen Beschluss der Zivilkammer zugelassene – weitere Beschwerde eingelegt, mit der er wiederum die Festsetzung weiterer Anwaltsgebühren in Höhe von 849,42 EUR gegen die Staatskasse beantragt. Zur Begründung wird ausgeführt, der Beschluss des LG v. 17.12.2008 beruhe auf einer rechtsfehlerhaften Anwendung des § 7 Abs. 2 RVG.

2 Aus den Gründen

1. Die weitere Beschwerde des beigeordneten Rechtsanwalts gegen den Beschluss des LG ist statthaft und zulässig.

Das LG hat in dem angefochtenen Beschluss die weitere Beschwerde gem. §§ 33 Abs. 6, 56 Abs. 2 S. 1 RVG zugelassen. Die Zulassung ist für den Senat bindend (§ 33 Abs. 4 S. 4, Abs. 6 S. 4 RVG). Das Rechtsmittel ist auch form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden (§ 33 Abs. 3 S. 3, Abs. 6 RVG).

2. Die weitere Beschwerde ist teilweise auch begründet.

a) Das LG hat – in Übereinstimmung mit dem Vertreter der Staatskasse – in den Gründen des angefochtenen Beschlusses unter Bezugnahme auf den BGH (NJW 1993, 1715) ausgeführt, dass in dem hier vorliegenden Fall, in dem nur einem von mehreren Streitgenossen Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, der gemeinsame Rechtsanwalt aus der Staatskasse als Vergütung nur "die 3/10 Erhöhungsgebühr gem. § 7 Abs. 2 RVG" erhalte, weil nach dem Sinn der §§ 114 ff. ZPO die mittellose Partei für ihre Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung staatliche Hilfe nur in Anspruch nehmen könne, soweit sie aus finanziellen Gründen zur Prozessführung außerstande sei. Wenn mehrere Streitgenossen, von denen nur einem Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, denselben Prozessbevollmächtigten beauftragt haben, lägen diese Voraussetzungen nur hinsichtlich der Mehrkosten vor, die dadurch entstehen, dass der Prozessbevollmächtigte mehrere Auftraggeber vertritt.

Die von dem LG vertretene Auffassung wird – jeweils im Anschluss an den BGH (NJW 1993, 1715) – auch von dem OLG Koblenz (MDR 2001, 1262; JurBüro 2004, 168) und dem OLG Naumburg (Rpfleger 2004, 168) geteilt. Dabei wird indessen übersehen, dass der zitierte Beschluss des BGH (NJW 1993, 1715) die Bewilligung der von einem Streitgenossen für das Revisionsverfahren beantragten Prozesskostenhilfe betraf und der BGH mit diesem Bewilligungsbeschluss die dem bedürftigen Streitgenossen gewährte Prozesskostenhilfe hinsichtlich der Anwaltsgebühren auf die Erhöhungsbeträge nach § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO beschränkt hat. Eine solche Einschränkung enthält der Beschluss des AG v. 19.3.2008, mit dem der Beklagten zu 2) Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... bewilligt worden ist, aber nicht.

b) Wird wie im vorliegenden Fall einem von mehreren Streitgenossen, die durch einen gemeinsamen Rechtsanwalt vertreten werden, Prozesskostenhilfe ohne jede Einschränkung bew...

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