RVG §§ 2 Abs. 1, 23 Abs. 1, 33 Abs. 1
Leitsatz
Wird im Adhäsionsverfahren die Feststellung der Haftung für künftige Schäden begehrt, hängt der Gegenstandswert davon ab, wie hoch der drohende Schaden bzw. das Risiko eines künftigen Schadens und einer tatsächlichen Inanspruchnahme des Angeklagten ist.
BGH (2. Strafsenat), Beschl. v. 6.6.2018 – 2 StR 337/14
1 Sachverhalt
Das LG hatte den Angeklagten wegen Sexualstraftaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auf den im Adhäsionsverfahren gestellten Antrag der Nebenklägerin, den Angeklagten zur Zahlung eines nach Ermessen des Gerichts angemessenen Schmerzensgeldes, mindestens aber 15.000,00 EUR, zu verurteilen und die Verpflichtung zum Ersatz künftiger materieller und immaterieller Folgeschäden festzustellen, hat das LG den Angeklagten zur Zahlung von Schmerzensgeld i.H.v. 5.000,00 EUR an die Nebenklägerin verurteilt. Darüber hinaus hat es die Ersatzpflicht des Angeklagten für sämtliche zukünftig noch entstehenden materiellen und immateriellen Folgeschäden aus den Taten festgestellt, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind.
Der Senat hat die Revision des Angeklagten verworfen, soweit sie sich gegen den Schuld- und Strafausspruch richtete. Zugleich hat er die Entscheidung über die Revision gegen die im vorbezeichneten Urteil getroffene Adhäsionsentscheidung sowie über die Kosten des Rechtsmittels im Hinblick auf das mit Beschl. v. 8.10.2014 – 2 StR 137/14 u.a. (NStZ-RR 2015, 382) bei den anderen Strafsenaten und beim Großen Senat für Zivilsachen eingeleitete Anfrageverfahren zur Frage der Bemessung eines Schmerzensgeldes zurückgestellt und sie einer abschließenden Entscheidung vorbehalten. Nach der Entscheidung der Vereinigten Großen Senate des BGH v. 16.9.2016 – VGS 1/16 (JR 2017, 179) hat der Senat mit Beschl. v. 11.5.2017 auf die Revision des Angeklagten das vorbezeichnete Urteil des LG im Adhäsionsausspruch dahin geändert, dass an die Stelle der Verurteilung des Angeklagten zur Zahlung eines auf 5.000,00 EUR bezifferten Schmerzensgeldes nebst Zinsen und der dazugehörigen Vollstreckbarkeitserklärung der Ausspruch tritt, dass der von der Nebenklägerin gegen den Angeklagten erhobene Anspruch auf Schmerzensgeld dem Grunde nach gerechtfertigt ist und i.Ü. von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abgesehen wird. Die weitergehende Revision wurde verworfen.
Die Antragstellerin, die der Nebenklägerin im Adhäsionsverfahren als Rechtsanwältin beigeordnet worden war, hat beantragt, den Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit im Revisionsverfahren festzusetzen.
2 Aus den Gründen
Der Gegenstandswert war mit 8.000,00 EUR festzusetzen.
1. Der Gegenstandswert für die Rechtsanwaltsgebühren wird gem. § 33 Abs. 1 RVG durch gesonderten Beschluss des Gerichts des jeweiligen Rechtszuges festgesetzt. Funktionell zuständig für die Entscheidung ist der Senat (BGH, Beschl. v. 2.3.2010 – II ZR 62/06, NJW 2010, 1373).
2. Der Gegenstandswert für die Berechnung der Anwaltsgebühren ist nach dem Wert zu bestimmen, den die anwaltliche Tätigkeit hat (§§ 2 Abs. 1, 23 Abs. 1 RVG). Im Hinblick auf die erstinstanzliche Verurteilung zu 5.000,00 EUR Schmerzensgeld entspricht der Streitwert für den Zahlungsanspruch im Revisionsverfahren diesem Betrag.
3. Soweit im Adhäsionsverfahren die Feststellung der Haftung für künftige Schäden begehrt wird, hängt der Gegenstandswert davon ab, wie hoch der drohende Schaden bzw. das Risiko eines künftigen Schadens und einer tatsächlichen Inanspruchnahme des Angeklagten ist (BGH, Beschl. v. 28.11.1990 – VIII ZB 27/90, NJW-RR 1991, 509; KG, a.a.O.). Im Hinblick auf die vom LG festgestellten Schadensfolgen bei der Nebenklägerin hält der Senat insoweit einen Gegenstandswert von 3.000,00 EUR für angemessen.
3 Anmerkung
Bei der Wertfestsetzung ist zu differenzieren.
I.
Zum einen ist ein Streitwert festzusetzen, nämlich soweit wertabhängige Gerichtsgebühren erhoben werden.
Im Adhäsionsverfahren wird nach Nr. 3700 GKG KostVerz. eine 1,0-Gebühr erhoben und zwar nach dem Wert, den das Urteil hat, durch das dem Antrag des Verletzten oder seines Erben wegen eines aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruchs stattgegeben wird. Hier ist also noch eine "echte" Urteilsgebühr vorgesehen. Die Gebühr wird nur nach dem Betrag der Verurteilung erhoben, nicht nach dem Wert des Antrags.
Da hier in der Revisionsinstanz dem Antrag nur dem Grunde nach stattgegeben worden ist, richtet sich der Streitwert folglich nach dem Wert eines Feststellungsantrags. Auszugehen ist von den zu erwartenden Ansprüchen, die nach § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO zu schätzen sind. Hiervon ist dann der übliche Feststellungsantrag vorzunehmen.
Wie hoch das Gericht den Streitwert festgesetzt hat, lässt sich aus der Entscheidung nicht entnehmen.
II.
Für die anwaltliche Tätigkeit gilt dagegen der Gegenstandswert (§ 2 Abs. 1 RVG), der dann vom Streitwert abweicht, wenn dem Antrag – wie hier – nicht in voller Höhe stattgegeben worden ist. Maßgebend für die anwaltlichen Gebühren ist der...