ZPO § 522 Abs. 2
Leitsatz
Nach dem prozessualen Veranlassungsprinzip muss derjenige, dessen Verhalten für die Entstehung der Kosten Anlass gegeben hat, diese auch tragen. Da – ohne Zutun des Anschlussberufungsklägers – infolge der Zurückweisung der Berufung eine Sachentscheidung über die Anschlussberufung nicht ergeht, ist es gerechtfertigt, den Berufungskläger als ursprünglichen Veranlasser der Anschlussberufung (auch) mit deren Kosten zu belasten. Für den Anschlussberufungskläger macht es keinen Unterschied, ob auf den Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO die Berufung zurückgenommen oder durch Beschluss zurückgewiesen wurde.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 18.7.2018 – 13 U 236/16
1 Aus den Gründen
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung ist gem. § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
…
Die Kosten des Berufungsverfahrens sind nach § 97 Abs. 1 ZPO vom Beklagten zu tragen. Hierzu gehören auch die Kosten der Anschlussberufung. Entgegen der Rechtsansicht des Beklagten ist keine Kostenteilung gem. § 92 Abs. 1 ZPO im Verhältnis der Streitwertanteile von Berufung und Anschlussberufung vorzunehmen.
Wem die Kosten der nach § 524 Abs. 4 ZPO wirkungslos gewordenen Anschlussberufung aufzuerlegen sind, ist in der ZPO nicht speziell geregelt, sodass die allgemeinen Vorschriften der §§ 91 ff. ZPO maßgeblich sind. Dabei wird in Rspr. und Lit. nicht einheitlich beurteilt, ob die Kosten der Anschlussberufung dem Berufungskläger aufzuerlegen sind (so z.B. OLG Dresden, Beschl. v. 30.6. 2015 – 5 U 375/15, juris Rn 39; KG, Beschl. v. 30.10.2013 – 26a U 98/13, juris Rn 17 ff.; OLG Frankfurt, Beschl. v. 14.6.2011 – 6 U 278/10, juris Rn 9; OLG Bremen, Beschl. v. 24.6.2008 – 2 U 13/08, juris Rn 7; OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.8.2006 – 5 U 29/06, juris Rn 18) oder nach § 92 Abs. 1 ZPO eine Kostenquotelung vorzunehmen ist (so z.B. OLG München, 11.4.2014 – 23 U 4488/13, juris Rn 6; OLG Celle, Beschl. v. 26.3.2014 – 4 U 6/14, juris Rn 31; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.12.2009 – 24 U 79/09, juris Rn 24; OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.3.2009 – 12 U 220/08, juris Rn 5; OLG Dresden, Beschl. v. 17.5.2004 – 6 U 2010/03, juris Rn 10; Zöller/Heßler, ZPO, 32 Aufl., 2018, § 524 Rn 44; Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl., 2018, § 524 Rn 31a; differenzierend: MüKo-ZPO/Rimmelspacher, 5. Aufl., 2016, § 524 Rn 60 ff.).
Eine Entscheidung des BGH hierzu liegt bislang nicht vor. Der BGH hat allerdings entschieden, dass der Berufungskläger, der nach einem Hinweis gem. § 522 Abs. 2 ZPO auf die mangelnden Erfolgsaussichten seines Rechtsmittels seine Berufung zurücknimmt, nach Wortlaut, Sinn und Zweck der für diesen Fall maßgeblichen Kostenbestimmung (§ 516 Abs. 3 ZPO) auch die Kosten der gem. § 524 Abs. 4 ZPO hinfällig werdenden Anschlussberufung zu tragen hat (BGH, Urt. v. 7.2.2006 – XI ZB 9/05, juris Rn 6 ff.). Andererseits hat der BGH zu § 556 Abs. 2 S. 4 ZPO a.F. die Ansicht vertreten, dass trotz des fehlenden Einflusses des unselbstständigen Anschlussrevisionsklägers auf die Annahme der Revision die Kosten der Anschließung nicht dem Revisionskläger aufzuerlegen sind, sondern vielmehr dem Anschließenden, wenn die Revision nicht angenommen wurde (BGH, Urt. v. 11.3.1981 – GSZ 1/80, juris Rn 4 ff.). Der BGH selbst hat allerdings beiden Verfahren für die hier zur Entscheidung stehende Frage nur eine eingeschränkte Aussagekraft beigemessen (vgl. BGH, Urt. v. 7.2.2006 – XI ZB 9/05, juris Rn 8 a.E.).
Nach Auffassung des Senates sprechen regelmäßig die besseren Gründe dafür, im Fall der Zurückweisung der Berufung durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO die Kosten der Anschlussberufung dem Berufungskläger aufzuerlegen. Die Anschlussberufung ist kein eigenes Rechtsmittel, sondern nur ein Angriff innerhalb des vom Berufungskläger eingelegten Rechtsmittels. Der Berufungsbeklagte und Anschlussberufungskläger hätte das ergangene Urteil hingenommen, wenn die Gegenpartei es nicht angefochten hätte. Nach dem das prozessuale Kostenrecht prägende Veranlassungsprinzip muss grds. derjenige, dessen Verhalten zur Entstehung von Kosten Anlass gegeben hat, diese auch tragen (BGH, Beschl. v. 13.5.2004 – V ZB 59/03, juris Rn 13). Da – ohne Zutun des Anschlussberufungsklägers – infolge der Zurückweisung der Berufung eine Sachentscheidung über die Anschlussberufung nicht ergeht (§ 524 Abs. 4 ZPO), kommt eine Kostenverteilung nach § 91 ZPO, die ebenfalls Ausdruck des Veranlassungsprinzips ist (vgl. BGH, Beschl. v. 13.5.2004 – V ZB 59/03, juris Rn 13), nicht in Betracht. Es erscheint mithin gerechtfertigt, den Berufungskläger als ursprünglichen Veranlasser der Anschlussberufung mit deren Kosten zu belasten. Ein sachlicher Grund dafür, den Anschlussberufungskläger im Fall der Zurückweisung der Berufung durch Beschluss kostenrechtlich schlechter zu stellen als im Fall der Rücknahme der Berufung durch den Berufungskläger, ist nicht ersichtlich. Aus Sicht des Anschlussberufungsklägers bedeutet es jedenfalls keinen wesentlichen Unterschied, ob auf den ...