ARB § 17 Abs. 2 S. 1; VVG § 86 Abs. 1 S. 1; BGB § 242
Leitsatz
Gewährt der Rechtsschutzversicherer uneingeschränkt und vorbehaltlos Deckungsschutz, so ist es ihm nach Treu und Glauben verwehrt, im nachfolgenden Regressprozess auf ihn übergegangene Schadensersatzansprüche gegen den Anwalt wegen fehlerhafter Belehrung des Versicherungsnehmers über die Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung zu berufen.
AG Köln, Urt. v. 4.6.2018 – 142 C 59/18
1 Sachverhalt
Die Klägerin begehrt von den Beklagten aus übergegangenem Recht ihres Versicherungsnehmers Schadensersatz wegen anwaltlicher Pflichtverletzung.
Die Klägerin ist Rechtsschutzversicherer des Herrn B. S. (Versicherungsnehmer). Der Beklagte zu 2) ist Rechtsanwalt und als solcher bei der der Beklagten zu 1) tätig.
Der Versicherungsnehmer der Klägerin beauftragte die Beklagten nach seiner Entlassung im Jahre 2013 mit der Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen. Die Beklagten vertraten den Versicherungsnehmer vor dem ArbG und dem LAG in welchen sie jeweils unterlagen. In diesen Verfahren unterlag der Versicherungsnehmer. Später beantragte der Beklagte zu 2) Deckungsschutz für eine Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BAG. Die Klägerin erklärte sich mit der Durchführung der Nichtzulassungsbeschwerde einverstanden. Die daraufhin eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde von dem BAG als unzulässig verworfen. Die Klägerin verauslagte für sämtliche Instanzen die Rechtsverfolgungskosten. Die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BAG beliefen sich auf 2.790,20 EUR bestehend aus Gerichtskosten i.H.v. 468,80 EUR, eigenen Rechtsanwaltskosten des Beklagten i.H.v. 1.261,40 EUR und Kosten der Gegenseite i.H.v. 1.060,00 EUR.
Die Klägerin ist der Ansicht, die von den Beklagten erhobene Nichtzulassungsbeschwerde sei von Anfang an aussichtslos gewesen, da die Beklagten verkannt hätten, dass eine sogenannte Divergenzbeschwerde nicht mit einer unterschiedlichen Sachverhaltsbewertung zweier LAG begründet werden könne. Diese Verkennung stelle eine anwaltliche Pflichtverletzung dar, sodass der Klägerin gegen die Beklagten aus übergegangenem Recht des Versicherungsnehmers ein Schadenersatzanspruch in Höhe der verauslagten Kosten von 2.790,20 EUR zustehe.
Die Beklagten sind der Ansicht, dass die Klägerin dadurch, dass sie umfassend und vollständig über alle Umstände informiert gewesen sei, ihre Einstandspflicht hinsichtlich der Kostenübernahme nicht in Abrede stellen könne. Der Versicherungsnehmer und die Beklagten hätten auf die Deckungszusage der Klägerin vertrauen dürfen. Zudem sind die Beklagten der Ansicht, dass ein Anwaltsfehler nicht bestehe, da abstrakte, fallübergreifende Rechtssätze bezogen auf die Entscheidungen zweier Landesarbeitsgerichte herausgearbeitet worden seien.
Es wird weiter auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
2 Aus den Gründen
Die Klage ist unbegründet.
I. Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Regressanspruch auf Ersatz der Prozesskosten gem. §§ 280, 611, 675 BGB in Verbindung mit § 86 VVG wegen fehlerhafter anwaltlicher Beratung.
Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Etwaige Ansprüche des Versicherungsnehmers aus dem mit der Beklagten zu 1) geschlossenen Anwaltsvertrag auf Schadenersatz wegen einer Anwaltspflichtverletzung sind auf die Klägerin gem. § 86 VVG übergegangen.
Übernimmt der Rechtsschutzversicherer für seinen Versicherungsnehmer die Kosten einer Rechtsverfolgung gehen gem. § 86 Abs. 1 S. 1 VVG diesem gegen Dritte zustehende Ersatzansprüche auf ihn über. Hierzu gehören auch die Ansprüche, die dem Versicherungsnehmer aus einem anwaltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag gegen seinen Anwalt wegen einer von diesen zu vertretenen Anwaltspflichtverletzung zustehen und auf Ersatz der Kosten der Rechtsverfolgung gerichtet sind.
Soweit daher dem Versicherungsnehmer wegen einer Anwaltspflichtverletzung im Zusammenhang mit der Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde durch die Beklagten ein Anspruch gegen diese auf Schadenersatz zustehen sollte, ist dieser auf die Klägerin übergegangen, da sie sämtliche Gebühren und Kosten des Rechtsstreits vor dem BAG getragen hat.
Der Inanspruchnahme der Beklagten aus einem auf die Klägerin übergegangenem Schadenersatzanspruch wegen Anwaltspflichtverletzung gem. §§ 280, 281 BGB steht bereits dem Grunde nach entgegen, dass sich die Inanspruchnahme der Beklagten als treuwidrig erweist. Der Klägerin ist es verwehrt, sich auf einen Anwaltsfehler wegen fehlender Erfolgsaussicht zu berufen, da sie in Kenntnis des Sach- und Streitstandes vor Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde Deckungsschutz gewährte und damit einen Vertrauenstatbestand gem. § 242 BGB schaffte.
Die Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung ist ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis, durch welche ein Vertrauenstatbestand geschaffen wird. Durch sie werden Einwendungen und Einreden ausgeschlossen, die dem Rechtsschutzversicherer bei Abgabe der Zusage bekannt waren oder mit denen er zumindest rechnen musste. Ausweislich des § 17 Abs. 2 S. 1 ARB ist der Vers...