BGH §§ 280 Abs. 1, 611, 675 Abs. 1; VVG § 86; ARB 2000 § 17 Abs. 8
Leitsatz
Macht der Rechtsschutzversicherer gegen den Anwalt Schadensersatzansprüche aus übergegangenem Recht geltend, weil der Anwalt den Versicherungsnehmer nicht über die Aussichtslosigkeit eines von ihm eingeleiteten Rechtsstreits aufgeklärt hat, kann er sich nicht darauf berufen, dass der Versicherer Deckungsschutz gewährt habe und sich deshalb nicht auf die fehlende Erfolgsaussicht berufen könne.
OLG Celle, Hinweisbeschl. v. 19.9.2018 – 4 U 104/18
1 Aus den Gründen
I. Die Berufung des Beklagten hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
Soweit das LG der Klage stattgegeben hat, beruht das angefochtene Urteil – im Ergebnis – weder auf einem Rechtsfehler (§ 513 Abs. 1, 1. Alt., § 546 ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 529 Abs. 1, 2. Alt. ZPO).
Im Ergebnis zu Recht hat das LG dem klagenden Rechtsschutzversicherer – aus übergegangenem Recht seines Versicherungsnehmers – wegen anwaltlicher Pflichtverletzung Schadensersatz i.H.v. 8.158,38 EUR zugesprochen (§ 280 Abs. 1, § 611, § 675 Abs. 1 BGB i.V.m. § 86 Abs. 1 VVG, § 17 Abs. 8 ARB 2000).
1. a) Der Beklagte verletzte seine Pflichten aus dem Anwaltsvertrag, indem er nicht von der Erhebung der Klage gegen die A. GmbH abriet. Die Klage war gänzlich aussichtlos, aus der Garantie der A. AG konnten – unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt – Ansprüche gegen Dritte hergeleitet werden. Der Beklagte hätte daher sowohl von der Erhebung der Klage als auch von der Durchführung der Berufung abraten müssen. Aufgrund der Vermutung des beratungsgerechten Verhaltens ist davon auszugehen, dass der Versicherungsnehmer dann von der für ihn vollkommen nutzlosen Klagerhebung abgesehen hätte, sodass die streitgegenständlichen Verfahrenskosten nicht angefallen wären.
b) Die von der Klägerin für die Klage und die Berufung erteilten Deckungszusagen stehen dem Schadensersatzanspruch nicht entgegen. Die Deckungszusage des Rechtsschutzversicherers stellt ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis des Rechtsschutzversicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer dar (Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, 30. Aufl., ARB 2010 § 17 Rn 10). Die Deckungszusage hat keinen Einfluss auf das Vertragsverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Rechtsanwalt. Sie begründet auch keine Einwendungen des Rechtsanwalts gegenüber dem Rechtsschutzversicherer bei auf diesen übergegangenen Regressansprüchen des Versicherungsnehmers. Dies entspricht der nahezu einhelligen obergerichtlichen Rspr., worauf die Klägerin in der Replik zutreffend hingewiesen hat. Die abweichende Auffassung, die in dem Beschluss des OLG Celle v. 5.7.2010 – 3 U 83/10 vertreten wird, teilt der Senat, dem inzwischen im OLG die Spezialzuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten aus der Berufstätigkeit von Rechtsanwälten obliegt, nicht. Den Rechtsschutzversicherer trifft im Verhältnis zu dem Rechtsanwalt keine Obliegenheit zur Prüfung der Erfolgsaussicht einer Klage oder eines Rechtsmittels. Die Erteilung einer Deckungszusage begründet für den Rechtsanwalt grds. keinen Vertrauenstatbestand dahin, dass er von dem Rechtsschutzversicherer nicht wegen Verletzung seiner Pflichten aus dem Anwaltsvertrag in Anspruch genommen wird. Auch ein Mitverschuldenseinwand kann hierauf nicht gestützt werden.
2. a) Das LG hat der Klägerin – anders als ausweislich der Entscheidungsgründe beabsichtigt – nicht nur einen Schadensersatzanspruch in Höhe der erstinstanzlichen Kosten zugesprochen. Zwar hat das LG den zugesprochenen Betrag nicht näher nach den einzelnen Kostenpositionen aufgeschlüsselt. Der Betrag übersteigt jedoch die geltend gemachten erstinstanzlichen Kosten; rechnerisch enthält er auch die zweitinstanzlichen Kosten des Prozessgegners (1.400,80 EUR). Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen (Ziffer I. 1.) ergibt, kann die Klägerin jedoch auch die Erstattung der Kosten der Berufungsinstanz beanspruchen, sodass der Beklagte auch insoweit im Ergebnis zu Recht zur Zahlung verurteilt worden ist.
b) Das LG hat auch übersehen, dass der zugesprochene Betrag für die Tätigkeit des Beklagten eine Geschäftsgebühr (i.H.v. 1.121,90 EUR zuzüglich USt.) enthält, die auch dann angefallen wäre, wenn der Beklagte pflichtgemäß von der Prozessführung abgeraten hätte. Aber auch dieser Fehler hat sich im Ergebnis nicht zu Lasten des Beklagten ausgewirkt. Denn die Klägerin kann weitere Kostenpositionen in übersteigender Höhe beanspruchen, sodass ihr Schadensersatzanspruch den zugesprochenen Betrag übersteigt.
3. Im Ergebnis zu Recht hat das LG der Klägerin auch die ihr entstandenen außergerichtlichen Kosten zugesprochen. Zwar lässt das angefochtene Urteil insoweit jegliche Begründung vermissen. Auch hätte das LG der Klägerin folgerichtig nur außergerichtliche Anwaltskosten zum Wert der zugesprochenen Hauptforderung zuerkennen können. Gleichwohl kann die Klägerin die Kostenerstattung unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes zu dem zugrunde gelegten Gebührenwert von bis zu 10.0...