GG Art. 3 Abs. 1, 19 Abs. 4 S. 1
Leitsatz
- Zwar ist es grundsätzlich zulässig, dass die Begründung einer PKH-Ablehnung auf die Begründung der Sachentscheidung Bezug nimmt. Dennoch unterliegen die Entscheidung über die PKH-Bewilligung und diejenige über das Begehren in der Sache unterschiedlichen Maßstäben. Aus den Umständen des Einzelfalls kann sich die Notwendigkeit einer separaten Begründung der PKH-Ablehnung ergeben (vgl. BVerfG, 8.7.2016, 2 BvR 2231/13, NJW-RR 2016, 1264, 1265 Rn 13 f.).
- Bei einer zeitgleichen Entscheidung über den Hauptsacheantrag und den zugehörigen PKH-Antrag besteht die – durch das VG zu berücksichtigende – Möglichkeit, dass der Antrag auf Gewährung von Eilrechtsschutz abgelehnt und gleichwohl Prozesskostenhilfe bewilligt wird, wenn der Antrag in der Hauptsache nur in einer ex-ante-Perspektive hinreichende Erfolgsaussichten besitzt. Diese Anforderungen werden verfehlt, wenn PKH im Urteilstenor abgelehnt wird und insofern auf die in der Begründung der Klageabweisung dargelegten fehlenden Erfolgsaussichten des Rechtsschutzbegehrens verwiesen wird, ohne die gerichtlichen Erwägungen aus einer ex-ante-Sicht darzulegen.
- Zudem verletzt vorliegend das "Durchentscheiden" zweier höchst strittiger Fragen (hier: Flüchtlingseigenschaft unverfolgt ausgereister Syrer; drohende staatliche Verfolgung wegen Wehrdienstentziehung) im PKH-Verfahren den Anspruch der Beschwerdeführer auf Rechtsschutzgleichheit (zum Maßstab siehe BVerfG, 13.3.1990 – 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347, 359). Soweit das VG zur Verneinung der Flüchtlingseigenschaft auf fachgerichtliche Entscheidungen verweist, die nach dem Zeitpunkt der Klageerhebung und PKH-Antragstellung ergingen, durften diese Entscheidungen nicht mehr zu Lasten der Beschwerdeführer berücksichtigt werden.
BVerfG, Kammerbeschl. v. 5.12.2018 – 2 BvR 2257/17
1 Sachverhalt
Das Verfahren betrifft die Versagung von Prozesskostenhilfe für eine Aufstockungsklage syrischer Asylbewerber durch das VG.
1. Die Beschwerdeführer sind syrische Staatsangehörige. Sie reisten am 15.4.2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo sie am 13.5.2016 Asylanträge stellten. Zur Begründung gaben sie an, dass sie Syrien wegen des Krieges verlassen hätten. Der am 8.2.1978 geborene Beschwerdeführer zu 1) habe zum Militär antreten müssen, er wolle jedoch keine unschuldigen Menschen töten. Zudem habe er sich als Kurde in Syrien diskriminiert gefühlt. Die Beschwerdeführer zu 1) und zu 2) hätten zu Beginn der Revolution an Demonstrationen teilgenommen und seien dabei fotografiert worden. Die Fotos seien auf Facebook verbreitet worden.
Mit Bescheid vom 31.5.2016 erkannte das Bundesamt den Beschwerdeführern jeweils den subsidiären Schutzstatus zu und lehnte ihre Asylanträge i.Ü. ab.
2. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer am 16.6.2016 Klage beim VG, mit der sie die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrten. Zugleich beantragten sie unter Beifügung entsprechender Unterlagen, ihnen Prozesskostenhilfe zu gewähren. Dieser Antrag und die zugehörigen Unterlagen gingen ebenfalls am 16.6.2016 beim VG ein. Ihnen sei die Flüchtlingseigenschaft bereits deshalb zuzuerkennen, weil sie illegal aus Syrien ausgereist seien und Asylanträge gestellt hätten. Der Beschwerdeführer zu 1) sei in Syrien als Reservist militärdienstpflichtig, wolle den Militärdienst jedoch nicht antreten. Dies werde als oppositionelle Haltung verstanden und sanktioniert werden. Zudem seien die Beschwerdeführer zu 1) und 2) gegen das Assad-Regime. Als säkularem Moslem drohe dem Beschwerdeführer zu 1) politische Verfolgung nicht nur durch das syrische Regime, sondern auch durch Islamisten.
3. Mit Urt. v. 26.6.2017 wies das VG die Klage der Beschwerdeführer ab und lehnte im Urteilstenor zugleich den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ab. Zur Begründung der Klageabweisung führte es unter Berücksichtigung verwaltungsgerichtlicher Rspr. bis März 2017 an, dass den Beschwerdeführern nicht bereits wegen ihrer Ausreise aus Syrien, der Asylantragstellung und des Auslandsaufenthalts bei einer Rückkehr nach Syrien politische Verfolgung drohe. Dies gelte auch nicht vor dem Hintergrund des in Syrien anhaltenden Bürgerkrieges. Es sei festzustellen, dass der syrische Staat trotz der Bedrängnis durch oppositionelle Gruppierungen kein allgemeines Reiseverbot für syrische Bürger verhängt und im Jahr 2015 800.000 Reisepässe ausgestellt habe. Der Gefahr, dass sich im Ausland eine machtvolle Opposition bilden könne, habe der syrische Staat demnach keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen. Eine besondere Rückkehrgefahr folge auch nicht aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer zu 1) aufgrund seines Alters noch wehrdienstpflichtig sei. Er habe seinen Wehrdienst bereits von 2004 bis 2006 bei einem Club unterhalb der Militärs abgeleistet. Der Beschwerdeführer zu 1) habe nicht dargelegt, dass er sich mit seiner Ausreise aus Syrien einer konkret bevorstehenden erneuten Einberufung entzogen habe, zumal er legal mit einem Reisepass ausgereist und ab 2012 berufsbed...