Die Frage, wie im Falle einer Streitverkündung abzurechen ist, beschäftigt regelmäßig die Gerichte.
Auszugehen ist davon, dass die Streitverkündung gem. § 19 Abs. 1 S. 1 RVG zum Rechtszug gehört, auch wenn sie in § 19 Abs. 1 S. 2 RVG nicht ausdrücklich erwähnt wird. Gesonderte Gebührentatbestände sieht das RVG für eine Streitverkündung nicht vor, sodass die Tätigkeit mit der Verfahrensgebühr und ggfs. mit der Termins- und der Einigungsgebühr abgegolten wird.
Das bedeutet aber nicht, dass die (Mehr-)Tätigkeit hinsichtlich der Streitverkündung vergütungslos bleiben muss. Die Streitverkündung kann nach zutreffender Ansicht für den Anwalt zu einer Erhöhung des Gegenstandswerts führen.
Der gerichtliche Streitwert eines Verfahrens wird durch die Streitverkündung nicht berührt, da sich der Streitwert nach dem Wert des Streitgegenstands richtet (§ 3 ZPO) und die der Streitverkündung zugrunde liegenden Gegenstände nicht zum Streitgegenstand werden.
Für den Anwalt kann sich aber ein höherer Gegenstandswert ergeben, da er seine Vergütung nicht nur aus anhängigen Gegenständen, sondern auch aus nicht anhängigen Gegenständen erhält, wenn sich sein Auftrag darauf erstreckt (z.B. nicht eingereichte Klagerweiterung, nicht eingereichte Widerklage, Bloßes Mehrverhandeln ohne Vergleich). Gleiches muss für eine Streitverkündung gelten.
So ist unstreitig, dass dann, wenn die einer Streitverkündung zugrunde liegenden Gegenstände zum Gegenstand eines Vergleichs werden, daraus eine Vergleichsgebühr (Nr. 1900 GKG-KostVerz.) entsteht, sodass insoweit eine gerichtliche Wertfestsetzung vorzunehmen ist, die auch für den Anwalt gilt.
Beispiel
Der Kläger K klagt gegen den Beklagten B auf Schadensersatz i.H.v. 100.000,00 EUR. Der B ist der Auffassung, dass der S für diesen Schaden zur Hälfte mit verantwortlich sei und er bei ihm Regress nehmen könne. Daher verkündet er mit dieser Begründung dem S den Streit. Der S tritt dem Rechtsstreit auf Seiten des Beklagten B bei und beantragt, die Klage abzuweisen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung schließen Parteien und Streithelfer folgenden Vergleich:
1. Der Beklagte zahlt an den Kläger 80.000,00 EUR.
2. Der Streithelfer verpflichtet sich, an den Beklagten einen Betrag i.H.v. 30.000,00 EUR zu zahlen.
3. Mit diesem Vergleich sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche der Parteien sowie sämtliche wechselseitigen Ansprüche zwischen den Parteien und dem Streithelfer erledigt.
Der Streitwert des Verfahrens ist unstreitig auf 100.000,00 EUR festzusetzen.
Für den Vertreter des Streitverkündeten S wäre auf dessen Antrag ein gesonderter Wert nach § 33 RVG festzusetzen. Nach der Rspr. ist für ihn nicht das Interesse der Hauptpartei maßgebend, sondern sein eigenes Interesse.
Der Gegenstandswert für den Vertreter des Streithelfers S müsste danach mit seinem (Abwehr-)Interesse von 50.000,00 EUR bewertet werden. Maßgebend ist insoweit nämlich das Interesse des Streithelfers bzw. Streitverkünders.
Der Streitwert der Streitverkündung bestimmt sich für den Fall, dass der Streithelfer denselben Antrag stellt, wie die von ihm unterstützte Partei, nicht nach dem Streitwert der Hauptsache. Maßgebend ist vielmehr das nach § 3 ZPO zu schätzende Interesse des Streithelfers am Obsiegen der von ihm unterstützten Partei. Dabei ist das konkrete wirtschaftliche Interesse des Streithelfers grundsätzlich danach zu bemessen, welche Regressansprüche er bei einem Unterliegen der Prozesspartei, der er zur Unterstützung beigetreten ist, erwarten muss. Hinsichtlich der Höhe möglicher Regressansprüche ist auf den Vortrag der Partei abzustellen, der der Streithelfer beigetreten ist (Anschluss BGH, 29.9.2011 – II ZR 256/10, AGS 2012, 571).
OLG Köln, Beschl. v. 30.3.2012 – I-16 W 30/11, 16 W 30/11
Daher ist insoweit ein Vergleichsmehrwert festzusetzen. In diese Richtung gehen einige obergerichtliche Entscheidungen:
Streitwert für den Gesamtvergleich mehrerer Prozesse
Werden mehrere Rechtsstreitigkeiten mit verschiedenen Parteien in einem der Verfahren durch einen Gesamtvergleich erledigt, an dem die Prozessbevollmächtigten aller Parteien und Streithelfer sämtlicher Verfahren mitwirken und dadurch die umfassende Bereinigung ermöglichen, so ist der Gegenstandswert für den Vergleich einheitlich auf die Summe der verglichenen Ansprüche festzusetzen. Für sämtliche Prozessbevollmächtigten erfällt die Vergleichsgebühr nach dem Gesamtstreitwert.
OLG Köln, Beschl. v. 29.11.1972 – 2 W 105/72
Prozessvergleich bei Beteiligung von Streithelfern
Beteiligen sich am Prozessvergleich auch die Streithelfer, so bestimmt sich der Streitwert nicht nur nach dem Streitwert zwischen den Hauptparteien, vielmehr ist der Gegenstandswert des Vergleichs auf die Summe aller untereinander verglichenen Ansprüche festzusetzen.
OLG Koblenz, Beschl. v. 22.12.1997 – 14 W 771/97
Mehrwert eines Prozessvergleichs bei Mitregelung eines nicht rechtshängigen Gesamtschuldnerausgleichsanspruchs
Wird in einem Vergleich auch der nicht rechtshängige Gesamtschuldnerausgleich zwischen ein...