I. Einleitung
Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte zum 1.7.2014 besteht bei natürlichen Personen – abweichend von der sechsjährigen Abtretungsfrist (§ 287 Abs. 2 InsO; sog. Wohlverhaltensphase) – die Möglichkeit, auf Antrag vorzeitig die Erteilung der Restschuldbefreiung zu erlangen (§ 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 1–3 InsO). In der Praxis nehmen solche Anträge durch Rechtsanwälte als Bevollmächtigte von Insolvenzschuldnern deutlich zu. Aber auch Gläubigeranwälte werden mitunter in solche Verfahren einbezogen. Denn vor Entscheidung über die vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung sind zwingend die Insolvenzgläubiger bzw. deren Bevollmächtigten anzuhören (§ 300 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 300 Abs. 1 S. 1 InsO). Für die beteiligten Rechtsanwälte stellt sich damit die Frage, ob und wie in solchen Verfahren abzurechnen ist.
II. Problem: Kein offensichtlich gesetzlicher Vergütungstatbestand nach dem RVG
Rechtsanwälte, die den Schuldner bzw. einen Insolvenzgläubiger in einem Verfahren auf Erteilung der vorzeitigen Restschuldbefreiung vertreten, suchen im RVG zunächst vergeblich nach einem Vergütungstatbestand. Nun könnte man denken, dass dann der tätig gewordene Rechtsanwalt auch keine Vergütungsansprüche geltend machen kann. Dies kann m.E. aber nicht richtig sein und hätte zur Folge, dass aus vergütungsrechtlicher Sicht der Anwalt jegliche Tätigkeit in solchen Verfahren ablehnen und den Mandanten "nach Hause schicken" müsste. Als einziger Ausweg bliebe zwar noch der Abschluss einer Vergütungsvereinbarung gem. § 3a RVG mit dem Mandanten. Bei manchen Insolvenzgläubigern wird dies ggfs. der Fall sein. Bei Insolvenzschuldnern wird man es jedoch stets mit zahlungsunfähigen bzw. überschuldeten Personen als Mandanten zu tun haben. Insofern dürfte eine solche Alternative in den seltensten Fällen in Betracht kommen. Also wie ist in solchen Verfahren durch Rechtsanwälte abzurechnen?
III. Zu prüfende Vergütungstatbestände
1. Allgemeines
Das RVG enthält für die Tätigkeiten in insolvenzrechtlichen Angelegenheiten in Unterabschnitt 5 vergütungsrechtliche Tatbestände, deren mögliche Anwendung zu prüfen sind. In Betracht kommen hierbei die Nrn. 3313 bis 3323 VV, wobei die Nrn. 3322 u. 3323 VV bereits von ihrem Wortlaut her nicht anwendbar sind.
2. Nrn. 3313, 3314 VV
Auszuschließen sind ebenso die Regelungen nach Nrn. 3313, 3314 VV.
Deren Anwendbarkeit verlangt nämlich die Vertretung durch den Rechtsanwalt in einem Eröffnungsverfahren, d.h. in dem Verfahrensstadium von der Antragstellung bis zur Verfahrenseröffnung. In diesem Abschnitt kann allerdings weder eine vorzeitige Restschuldbefreiung beantragt noch beschieden werden. Dies ist erst ab dem eröffneten Insolvenzverfahren möglich.
3. Nrn. 3315, 3316 VV
Ebenfalls unanwendbar sind die Nrn. 3315 u. 3316 VV. Diese verlangen das Tätigwerden in einem Schuldenbereinigungsplanverfahren. In Verbraucherinsolvenzverfahren (vgl. §§ 304 ff. InsO) muss der Schuldner mit seinem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder unverzüglich danach einen Schuldenbereinigungsplan vorlegen (vgl. § 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO). Dieser wird den Gläubigern vom Gericht mit der Aufforderung zur Stellungnahme zugesandt. Werden Einwendungen gegen den Schuldenbereinigungsplan nicht erhoben oder wird die Zustimmung eines Gläubigers gem. § 309 InsO ersetzt, gelten die Anträge auf Insolvenzeröffnung und Restschuldbefreiung als zurückgenommen (vgl. § 308 Abs. 2 InsO). Eine Entscheidung über eine vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung kann daher nicht erfolgen.
4. Nrn. 3318, 3319 VV
Nrn. 3318, 3319 VV greifen ebenfalls nicht. Hiernach erhält der Rechtsanwalt für das Verfahren über einen Insolvenzplan bei Vertretung eines Insolvenzgläubigers eine 1,0- bzw. bei Vertretung des den Plan vorlegenden Schuldners eine 3,0-Verfahrensgebühr.
Nach der bis zum 30.6.2004 geltenden BRAGO erhielt nach § 74 Abs. 1 S. 1 BRAGO a.F. der Rechtsanwalt u.a. für die Tätigkeit im Verfahren über einen Antrag auf Restschuldbefreiung eine besondere volle 10/10-Gebühr. Dieser Vergütungstatbestand ist allerdings mit Inkrafttreten des RVG ersatzlos entfallen. Der Grund lag darin, dass ursprünglich über Restschuldbefreiungsanträge kein gesondertes Verfahren mehr stattfand, sondern der Antrag auf Restschuldbefreiung direkt mit dem Insolvenzantrag oder unverzüglich danach gestellt wurde und daher während des gesamten Verfahrens anhängig blieb (vgl. § 287 Abs. 1 S. 1, 2 InsO). Eine Entscheidung über solche Anträge erfolgte daher i.d.R. erst unmittelbar vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens (vgl. § 291 InsO a.F.). Anträge auf vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung gab es somit nicht. Aus den Gesetzesmateriealien ergibt sich zwar, dass als Pendant des § 74 Abs. 1 S. 1, 2 BRAGO a.F. die Nrn. 3318, 3319 VV gelten sollen. Dies gilt allerdings nur insoweit, als eine Vertretung im Verfahren über einen Insolvenzplan geregelt ist. Somit sind Anträge auf (vorzeitige) Restschuldbefreiung von der Anwendbarkeit der Nrn. 3318, 3319 VV ausgeschlossen.
5. Nr. 3321 VV
Der Vergütungstatbestand Nr. 3321 VV (0,5-Verfahrensgebühr) kommt dem ehemaligen § 74...