RVG VV Nr. 2301; ZPO § 788
Leitsatz
Die Kosten einer Einwohnermeldeamtsanfrage sowie einer Auskunft bei der Creditreform sind auch dann erstattungsfähig, wenn es aufgrund der Auskünfte nicht mehr zur Vollstreckung kommt.
LG Landshut, Beschl. v. 19.12.2019 – 32 T 3724/19
1 Sachverhalt
Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen aus dem im Tenor bezeichneten Versäumnisurteil und Kostenfestsetzungsbeschluss des LG.
Der Gläubigervertreter hat in den Jahren 2013 bis 2019 alle zwei Jahre Einwohnermeldeauskünfte und Bonitätsauskünfte betreffend den Schuldner erholt. Die Bonitätsauskünfte ergaben regelmäßig, dass eine Gläubigerbefriedigung ausgeschlossen erscheint.
Die Gläubigerin hat beim AG Festsetzung der Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 ZPO beantragt. Das AG hat Kosten i.H.v. 38,30 EUR festgesetzt. Es handelt sich dabei um die Kosten der Auskunftsfirmen, Kosten für die Einwohnermeldeamtsanfragen sowie Zustellkosten. Nicht festgesetzt hat das AG die Gebühren des Gläubigervertreters für die Einholung der Auskünfte bei Meldeämtern und der Creditreform. Für diese Tätigkeiten ihres Rechtsanwalts hat die Gläubigerin die Festsetzung von 4 x einer 0,3-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3309 VV beantragt, und zwar 256,40 EUR gem. Rechnung aus dem Jahr 2013, 278,90 EUR gem. Rechnung aus 2015, 278,90 EUR gem. Rechnung aus 2017 sowie 301,40 EUR gem. Rechnung aus 2019. Die Rechtspflegerin erachtet die Anwaltsgebühren nicht für festsetzungsfähig. Anwaltsgebühren nach Nr. 3309 VV seien nicht angefallen. Es handle sich um geringfügige Tätigkeiten, die keine Gebühren auslösen.
Gegen diesen formlos hinausgegebenen Beschluss hat die Gläubigerin sofortige Beschwerde eingelegt. Sie verfolgt die Festsetzung der angemeldeten Gebühren in voller Höhe (insgesamt: 1.150,40 EUR zuzüglich Zustellkosten) weiter. Sie ist der Auffassung, die Gebühren seien bereits mit der Beauftragung des Rechtsanwalts im Vollstreckungsverfahren angefallen.
Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Sie ist der Ansicht, die Erholung von Kreditauskünften und Einwohnermeldeamtsauskünften stelle eine nicht festsetzungsfähige vorbereitende Tätigkeit dar. Eine Festsetzung könne erst dann erfolgen, wenn eine Vollstreckungsmaßnahme durchgeführt worden ist.
Das Beschwerdegericht – Einzelrichter – hat einen Hinweis dahingehend erteilt, dass die Beschwerde Erfolg haben könnte. Des Weiteren wurden die Vollstreckungsunterlagen angefordert und eingesehen.
Der Schuldner hat innerhalb der ihm eingeräumten Stellungnahmefrist keine Erklärung abgegeben.
2 Aus den Gründen
Die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Festsetzung der Verfahrensgebühren ist statthaft und zulässig. Die sofortige Beschwerde wurde fristgerecht eingelegt und der Beschwerdewert ist erreicht (§§ 788 Abs. 1, 100 Abs. 4, 567 ff. ZPO).
In der Sache hat die Beschwerde Erfolg.
Zunächst wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den gerichtlichen Hinweis verwiesen.
I.Ü. sind folgen Erklärungen veranlasst:
Für den Anfall einer 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV ist es nicht erforderlich, dass das Vollstreckungsorgan von dem Rechtsanwalt beauftragt wird. Die Tätigkeit des Rechtsanwalts in der Vollstreckung beginnt nicht erst mit der Beantragung von staatlichem Zwang, sondern mit seinem Tätigwerden nach Erteilung des Vollstreckungsauftrags, häufig mit der Entgegennahme der Information oder aber mit der Prüfung, ob eine Vollstreckungsmaßnahme angebracht ist. Hierfür verdient er bereits eine 0,3-Vollstreckungsgebühr (Müller-Rabe/Gerold/Schmidt, 3309 VV Rn 34). Für die Entstehung der Gebühr ist nicht erforderlich, dass der Rechtsanwalt bereits einen Antrag auf Vollstreckung gestellt oder eine die Vollstreckung vorbereitende Tätigkeit mit Außenwirkung vorgenommen hat (Müller-Rabe, a.a.O., Rn 37).
Im vorliegenden Fall hat der Rechtsanwalt Bonitätsauskünfte eingeholt und sich entschieden, von einer Beauftragung des Vollstreckungsorgans abzusehen. Nach der vorgenannten Kommentierung genügt dies für den Anfall einer 0,3-Verfahrensgebühr.
Fraglich könnte sein, ob im vorliegenden Fall von einer geringfügigen Tätigkeit auszugehen ist, die nicht gebührenauslösend ist (so die Gründe der angefochtenen Entscheidung) oder deren Kosten zumindest vom Gegner nicht zu erstatten sind, nachdem die Gläubigerin eine Handelsgesellschaft ist, die über kaufmännische Erfahrung verfügt.
In diesem Zusammenhang ist auf die bereits zitierte Rspr. des BGH (NJW 2006, 1598) zu verweisen, wonach die Einschaltung eines Rechtsanwalts bei Vollstreckungsmaßnahmen im Zivilrecht immer als notwendig anzusehen ist, und zwar selbst in dem Fall, dass ein Großunternehmen die Zwangsvollstreckung betreibt.
Im vorliegenden Fall ist zudem von vier Angelegenheiten auszugehen und nicht nur von einer einzigen Angelegenheit. Die Auskünfte wurden von dem Rechtsanwalt im Abstand von zwei Jahren erholt.
Nur eine Vollstreckungsmaßnahme ist dann gegeben, wenn die einzelnen Teilakte in einem inneren Zusammenhang zueinander stehen und der jeweils nächste...