RVG VV Nrn. 1000, 1003
Leitsatz
Wird Prozesskostenhilfe für den Abschluss eines Vergleiches auch über nicht rechtshängige Ansprüche (sog. Mehrvergleich) erstreckt, fällt dafür lediglich eine 1,0-Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV an.
LAG Nürnberg, Beschl. v. 25.9.2019 – 5 Ta 96/19
1 Sachverhalt
Die Klägerin hatte vor dem ArbG Kündigungsschutzklage und allgemeine Feststellungsklage erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hierfür beantragt.
Im Termin zur Güteverhandlung wurde die Sach- und Rechtslage erörtert und ein Vergleich geschlossen. In dem Vergleich sind auch weitere nicht abhängige streitige Ansprüche mitgeregelt worden. Das ArbG hat hiernach Prozesskostenhilfe für Verfahren und Vergleich bewilligt.
Den Streitwert des Verfahrens hat das ArbG auf 6.300,00 EUR festgesetzt und den Mehrwert des Vergleichs auf 2.100,00 EUR.
Hiernach beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Festsetzung und Auszahlung der anwaltlichen Gebühren und Auslagen nach § 55 RVG. Dabei wurde aus einem Streitwert von 6.300,00 EUR eine einfache Einigungsgebühr mit 277,00 EUR und aus einem Streitwert von 2.100,00 EUR eine 1,5fache Einigungsgebühr mit 168,50 EUR in Ansatz gebracht.
Das ArbG setzte lediglich eine Einigungsgebühr aus dem Wert von 8.400,00 EUR i.H.v. 297,00 EUR fest.
Dagegen legte der Prozessbevollmächtigte Erinnerung ein und verwies darauf, dass andere Landesarbeitsgerichte in solchen Fällen eine 1,5-Einigungsgebühr für den Mehrvergleich in Ansatz brächten.
Die Rechtspflegerin half der Erinnerung ab setzte nunmehr die beantragte 1,5-Einigungsgebühr fest. Dagegen legte wiederum die Landeskasse Erinnerung ein, der die Rechtspflegerin nicht abhalf und die Sache dem Kammervorsitzenden zur Entscheidung vorlegte. Im Rahmen der Anhörung machte die Staatskasse geltend, dass aus dem überschießenden Vergleichswert keine 1,5-Einigungsgebühr angesetzt werden dürfe, weil ein Verfahren über Prozesskostenhilfe anhängig gewesen sei. Dazu nahm sie Bezug auf die Entscheidung des LAG Nürnberg v. 2.11.2018 – 5 Ta 104/18. Der Kammervorsitzende hat der Beschwerde der Staatskasse abgeholfen und die dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung herabgesetzt. Weiter hat das ArbG die Beschwerde für die Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugelassen, die dieser auch eingelegt hat. Das ArbG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem LAG zur Entscheidung vorgelegt.
2 Aus den Gründen
II. 1. Die Beschwerde ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 2 RVG aufgrund ihrer Zulassung statthaft. Sie ist auch rechtzeitig innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung eingelegt worden (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 3 RVG).
2. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet. Das ArbG hat in seiner Entscheidung die dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung zutreffend festgesetzt. Die erkennende Kammer hält an seiner bisherigen Entscheidungspraxis für vergleichbare Fälle fest (siehe u.a. LAG Nürnberg v. 25.6.2009 – 4 Ta 61/09, v. 27.3.2017 – 6 Ta 186/16, v. 2.11.2018 – 5 Ta 104/18 u. v. 6.8.2019 – 5 Ta 33/19).
Zunächst kann auf die umfassenden und sorgfältigen Ausführungen des Erstgerichts in seiner Ausgangsentscheidung in dem mit Beschwerde angegriffenen Beschluss verwiesen werden. Zur weiteren Begründung wird noch Folgendes ausgeführt:
Nach Nr. 1000 Anm. Abs. 1 Nr. 1 VV beträgt die Gebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, 1,5. Diese Gebühr beträgt nach Nr. 1003 Anm. Abs. 1 S. 1 Hs. 1 VV allerdings nur 1,0, wenn ein Verfahren über Prozesskostenhilfe anhängig ist. Diese Ermäßigung greift wiederum nach dem 2. Hs. der Vorschrift u.a. dann nicht ein, wenn lediglich Prozesskostenhilfe für die gerichtliche Protokollierung des Vergleichs beantragt wird. Nach diesen Vorschriften fällt im Streitfall nur eine 1,0-Einigungsgebühr für den Mehrvergleich an.
Nach dem Wortlaut der Nr. 1003 Anm. Abs. 1 S. 1 VV setzt die Ausnahme von der Ermäßigung der Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV) voraus, dass die Prozesskostenhilfe lediglich für die Protokollierung eines Vergleiches beantragt wird. Die Protokollierung ist die Feststellung des Vergleichs im Protokoll gem. § 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO. Auf weitere Tätigkeiten des Gerichts darf sich der Prozesskostenhilfeantrag damit nicht beziehen. Protokolliert werden kann nur eine inhaltlich bereits zustande gekommene Einigung. Diese muss deshalb zwischen den Parteien bereits im Vorfeld des Protokollierungstermins vereinbart worden sein (LAG Nürnberg v. 25.6.2009 – 4 Ta 61/09). Dabei muss der Antrag deutlich machen, dass lediglich die Protokollierung eines Vergleichs erfolgen soll. Im Falle einer "Nur-Protokollierung" erhält der Anwalt die 1,5-Einigungsgebühr gem. Nr. 1000 VV i.V.m. Nr. 1003 VV i.H.v. 1,5. Im Falle der Nur-Protokollierung erhält er dann aber keine Terminsgebühr (Nr. 3104 Abs. 3 VV).
In dem hier zu entscheidenden Fall wurde der Antrag gestellt, die Prozesskostenhilfe zu erstre...