GKG § 66 Abs. 8; SGG §§ 172 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2c, 183, 197a
Leitsatz
Bei einem nicht statthaften Rechtsbehelf besteht keine Gerichtskostenfreiheit, auch wenn das Verfahren im Übrigen seiner Art nach gerichtsgebührenfrei ist.
Bayerisches LSG, Beschl. v. 21.11.2019 – L 20 KR 1/19 B ER
1 Sachverhalt
Der Beschwerdeführer begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Aufhebung einer Kontopfändung über 427,36 EUR und dafür die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Beschwerdeführer) ist bei der Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Beschwerdegegnerin) versichert. Seit mehreren Jahren besteht Streit über die Höhe der Beiträge, auch im Rahmen von Gerichtsverfahren.
Am 30.7.2018 erfolgte eine Kontopfändung bei der Raiffeisenbank i.H.v. 427,36 EUR. Von der Raiffeisenbank wurde der Beschwerdeführer am Folgetag über die Pfändung in Kenntnis gesetzt.
Am 31.7.2018 hat sich der Beschwerdeführer wegen der erfolgten Kontopfändung an das SG gewandt und einstweiligen Rechtsschutz begehrt. Er hat ausgeführt, dass keine Beitragsrückstände bestünden, weder eine Mahnung noch eine Ankündigung der Vollstreckung erfolgt sei und kein Anlass für eine Vollstreckung bestehe. Zudem hat er beantragt, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen.
Den Antrag des Beschwerdeführers auf sofortige Aufhebung der Kontopfändung und Rückerstattung des Betrags i.H.v. 427,36 EUR sowie auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat das SG abgelehnt. Am Ende seines Beschlusses hat das SG darauf hingewiesen, dass eine Beschwerde gegen den Beschluss ausgeschlossen sei.
Ungeachtet dessen hat der Beschwerdeführer gegen diesen Beschluss Beschwerde zum Bayerisches LSG eingelegt und beantragt, den Beschluss aufzuheben.
Darüber hinaus hat er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Anwalts für das Beschwerdeverfahren beantragt.
Das LSG hat die Beschwerde als unzulässig verworfen und die Kosten des Verfahrens dem Beschwerdeführer auferlegt.
2 Aus den Gründen
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO. Für einen – wie hier – unstatthaften Rechtsbehelf kommt die Kostenprivilegierung des § 183 SGG nicht zur Anwendung.
Eine Regelung, die eine Gebührenfreiheit konstituiert (hier: § 183 S. 1 SGG), kommt weder direkt noch analog zur Anwendung, da eine gesetzlich bestimmte Gebührenfreiheit nur für statthafte Verfahren gilt (vgl. Bayer. LSG, Beschl. v. 7.8.2014 – L 15 SF 146/14 E; v. 22.9.2014 – L 15 SF 157/14 E; v. 13.7.2015 – L 15 SF 347/13 E; v. 23.10.2015 – L 15 SB 176/15 B PKH; v. 25.8.2016 – L 15 SF 225/16 E, wobei die gegen die Entscheidung v. 25.8.2016 erhobene Beschwerde zum BSG mit Beschl. d. BSG v. 14.11.2016 – B 10 SF 14/16 S, als unzulässig verworfen worden ist; Thüringer LSG, Beschl. v. 6.10.2017 – L 6 SF 872/17 B). Dies entspricht auch der std. höchstrichterlichen Rspr. von BGH (vgl. Beschl. v. 17.10.2002 – IX ZB 303/02, u. v. 3.3.2014 – IV ZB 4/14); BFH (vgl. Beschl. v. 12.9.2005 – VII E 5/05, v. 15.2.2008 – II B 84/07, u. v. 30.11.2005 – VIII B 181/05) und BVerwG (vgl. Beschl. v. 15.3.2016 – 1 KSt 2/16, 1 KSt 2/16 (1 B 18/16)).
Der aufgezeigten Rspr. folgt auch der Senat (vgl. Bayer. LSG, Beschl. v. 17.7.2017 – L 20 KR 333/17 B ER, u. v. 7.12.2017 – L 20 VK 10/17; vgl. auch Stotz, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, Stand 15.4.2019, § 197a SGG, Rn 26; Hartmut Lange in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., 2017, § 183 SGG, Rn 13.1 f.).
Der Senat verkennt dabei nicht, dass sozialgerichtliche Verfahren im Regelfall gem. § 183 S. 1 SGG kostenfrei sind und die Regelung des § 197a SGG mit der darin konstituierten Kostenpflichtigkeit eine Ausnahme von diesem Grundsatz darstellt. Gleichwohl steht dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis einer Kostenpflichtigkeit unstatthafter Verfahren nicht entgegen. Das Bayer. LSG hat dazu im Beschl. v. 28.9.2015 – L 15 RF 36/15 B, Folgendes ausgeführt:
"Dem" – gemeint: Der Kostenpflichtigkeit – "steht auch nicht entgegen, dass die ganz überwiegende Zahl der sozialgerichtlichen Verfahren und auch das Berufungsverfahren des Antragstellers in der Hauptsache vom Grundsatz der Kostenfreiheit gem. § 183 S. 1 SGG geprägt sind."
Diesen Grundsatz hat der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGGÄndG) (vgl. BT-Drucks 14/5943, 20) bestätigt und dies wie folgt begründet: Insbesondere Versicherte, Rentner, Kriegsopfer, Schwerbehinderte, Hinterbliebene, Kinder- und Erziehungsgeldberechtigte sowie Pflegebedürftige und Pflegepersonen sollen auch künftig nicht mit Gerichtskosten belastet werden. Diese Regelung eröffnet den Versicherten den Rechtsschutz durch die Sozialgerichte ohne finanzielle Nachteile; sie können ihre Ansprüche unabhängig von einem individuellen Kostenrisiko klären.“
Gleichzeitig hat er mit der durch § 197a SGG erfolgten Einführung einer streitwertbezogenen Gebührenpflicht nach dem GKG für Streit...