§§ 4 Abs. 6, 6 Abs. 2, 6a BerHG
Leitsatz
Die Aufhebung einer bereits bewilligten Beratungshilfe kommt auch dann in Betracht, wenn die Bewilligungsvoraussetzungen trotz wahrheitsgemäßer Darlegung durch den Rechtsuchenden schlicht nicht vorlagen.
AG Eilenburg, Beschl. v. 28.4.2020 – 1 UR II 1149/18
I. Sachverhalt
Das AG Eilenburg hob eine zunächst bewilligte nachträgliche Beratungshilfe auf, nachdem die objektiven Bewilligungsvoraussetzungen nicht vorgelegen haben sollen. Der Rechtsuchende wendete sich ursprünglich in einer sozialrechtlichen Angelegenheit unmittelbar an einen Rechtsanwalt, welcher Beratungshilfe für diesen leistete. Beratungshilfegegenstand war u.a. ein Widerspruch gegen einen Bescheid der die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst, welcher aber bereits angekündigt Gegenstand eines anhängigen Klageverfahrens werden sollte, perspektivisch also gerichtlich thematisiert wurde. Insoweit enthielt der ablehnende Bescheid anstatt einer Rechtsbehelfsbelehrung auch ersichtlich den Hinweis, dass dieser Bescheid Gegenstand des Klageverfahrens wird. Gleichwohl wurde durch das Gericht die nachträgliche Beratungshilfe bewilligt. Innerhalb der zulässigen Jahresfrist wurde dann die Aufhebung der Beratungshilfe thematisiert, welche letztlich durch das Gericht auch bejaht wurde.
II. Nachträgliche Aufhebung der Beratungshilfe
Mit der o.g. Entscheidung hob das AG Eilenburg eine bereits bewilligte Beratungshilfe auf. Die Entscheidung ist aus mehreren Gesichtspunkten interessant. Zum einen stellt sie eine der seltenen Fälle einer Aufhebung dar, die bekannt werden. In der gerichtlichen Praxis ist die Aufhebung einer Beratungshilfe tendenziell eher eine Seltenheit und wenn sie vorkommt, dann meist wegen einer falsch berechneten Bedürftigkeit und nicht wegen der objektiven Bewilligungsvoraussetzungen. Zum anderen befasst sie sich indirekt neben der Problematik der Aufhebung und dem daraus resultierenden Procedere auch mit der Frage der "Mutwilligkeit." Welche "Signale" kann man der Entscheidung des AG Eilenburg entnehmen?
1. |
Aufhebung der bereits bewilligten Beratungshilfe ist innerhalb der Frist möglich, und zwar nicht nur dann, wenn die Bewilligung durch einen Antragsteller "vorsätzlich oder aus grober Nachlässigkeit erschlichen wurde, sondern auch dann, wenn sie trotz wahrheitsgemäßer Darlegung durch den Rechtsuchenden schlicht nicht vorlagen, das Gericht dies aber offensichtlich nicht erkannt hat. Für den vorliegenden Sachverhalt bedeutet dies also, dass zwar der Rechtsuchende alles wahrheitsgemäß angegeben, das Fehlen der ursprünglichen Voraussetzungen aber durch das Gericht offensichtlich nicht erkannt wurde, denn zunächst einmal wurde ja eine Bewilligung ausgesprochen. " |
2. |
Das (fiskalische) Interesse des Staates überwiegt in der entschiedenen Konstellation das Interesse des Rechtsuchenden in den Bestand der Beratungshilfe. |
3. |
Insbesondere im Falle der – wie hier – nachträglichen Antragstellung i.S.v. § 6 Abs. 2 BerHG spielen für die Beurteilung der Tatbestandsmäßigkeit des § 6a Abs. 1 BerHG auch Vertrauensgesichtspunkte im Hinblick auf den erteilten Beratungshilfeschein weder bei einem Antragsteller noch bei der Beratungsperson eine Rolle. Das Gericht folgt damit der zutreffenden h.A., wonach bei einem nachträglichen Beratungshilfeantrag deutlich weniger Vertrauensschutz besteht, sofern der ersuchte Rechtsanwalt seine unmittelbare Prüfungskompetenz des § 4 Abs. 6 BerHG (voriger Prüfungsauftrag) vernachlässigt, ein solcher Vertrauensschutz gänzlich ausgeschlossen werden kann. Vorliegen erkannte das Gericht darauf, dass es sowohl dem Rechtsuchenden als auch seiner Beratungsperson bereits anhand der Hinweise (anstelle einer RM-Belehrung) im Bescheid hätte erkennbar sein müssen, dass die objektiven Voraussetzungen nicht vorlagen. |
4. |
Eine Aufhebung kann auch wegen fehlender objektiver Voraussetzungen und nicht nur wegen fehlender subjektiver Voraussetzungen (= also der Bedürftigkeit) erfolgen. |
5. |
Mutwilligkeit liegt dann vor, wenn ein selbstzahlender Dritter von einer Weiterverfolgung absehen würde, im entschiedenen Fall nämlich dann, wenn der Gegenstand ohnehin gerichtlich geklärt wird. |
III. Bedeutung für die Praxis
Warum ist die an sich gut vertretbare Entscheidung auf den zweiten Blick dennoch zumindest bedenkenswert? Grds. treffen alle Argumente zwar zu. Eine bereits bewilligte Beratungshilfe kann aufgehoben werden, auch gilt es stets, auf die Mutwilligkeit und den Selbstzahlerbvergleich abzustellen. Ebenso ist bei nachträglicher Antragstellung ein unkalkulierbares Kostenrisiko in Kauf zu nehmen, insbesondere auch dann, wenn die Prüfung durch die Beratungsperson nach § 4 Abs. 6 BerHG nicht oder nicht ausreichend vorgenommen wurde. Gleichwohl darf man im vorliegenden Fall nicht vergessen, dass durch das Gericht eine nachträgliche Bewilligung nach Vorliegen aller Sachverhalte ausgesprochen wurde. Das AG Eilenburg argumentiert insoweit mit einer grob fahrlässigen Unkenntnis der Beratungsperson und des Rechtsuchenden, wonach diese das Nichtvorliegen der Bewilligungsvoraussetzungen hätten ...