§ 464b StPO; § 104 ZPO
Leitsatz
- Der Beschluss gem. § 464b StPO i.V.m. § 104 ZPO, durch den das Gericht über den Antrag einer Partei auf Festsetzung der durch den Gegner zu erstattenden Kosten entscheidet, muss aus sich heraus verständlich sein und die Parteien in die Lage versetzen, die tragenden Erwägungen des Gerichts nachzuvollziehen.
- Genügt der Kostenfestsetzungsbeschluss diesen inhaltlichen Anforderungen nicht, ist der regelmäßig aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung an den Rechtspfleger zurückzuverweisen.
Hans. OLG Bremen, Beschl. v. 29.10.2020 – 1 Ws 71/20
I. Sachverhalt
Die Rechtsanwälte X und Y hatten mit ihren Kostenfestsetzungsanträgen vom 18.4.2011 bzw. 19.4.2011 die Festsetzung von Kosten i.H.v. insgesamt 9.738,07 EUR beantragt. Der Rechtspfleger des LG Bremen hat durch Beschl. v. 22.3.2012 insgesamt lediglich 7.242,94 EUR festgesetzt. Hiergegen haben die Rechtsanwälte X und Y (rechtzeitig) am 12.4.2012 sofortige Beschwerde eingelegt. Der Rechtspfleger des LG Bremen hat dieser sofortigen Beschwerde nicht abgehoffen und die Akten dem Hans. OLG Bremen am 29.5.2020 vorgelegt.
Die sofortige Beschwerde der Rechtsanwälte X und Y hatte (vorläufigen) Erfolg.
II. Begründung des Kostenfestsetzungsbeschlusses
1. Anforderungen an die Begründung
Nach Auffassung des Hans. OLG Bremen muss ein Kostenfestsetzungsbeschluss, durch den das Gericht über den Antrag einer Partei auf Festsetzung der durch den Gegner zu erstattenden Kosten entscheidet, aus sich heraus verständlich sein und die Parteien in die Lage versetzen, die tragenden Erwägungen des Gerichts nachzuvollziehen. Dabei müssten die Beschlussgründe zumindest so präzise und ausführlich sein, dass den an dem Verfahren Beteiligten und auch dem Rechtsmittelgericht auf ihrer Grundlage eine Überprüfung der Entscheidung möglich ist (s. OLG Saarbrücken AGS 2019, 296).
Eine Begründung des Kostenfestsetzungsbeschlusses ist nach den weiteren Ausführungen des Hans. OLG Bremen jedenfalls insoweit erforderlich, als das Gericht beantragte Kosten ablehnt oder festsetzt, deren Erstattungsfähigkeit zweifelhaft oder zwischen den Beteiligten umstritten ist (s. OLG Koblenz AGS 2003, 414; OLG Frankfurt JurBüro 1999, 483; OLG Stuttgart JurBüro 1978, 1252).
Diesen Anforderungen genügte der Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers des LG Bremen vom 22.3.2012 nach Auffassung des Hans. OLG Bremen nicht. Die Gründe des Kostenfestsetzungsbeschlusses würden nicht einmal ansatzweise plausibel und nachvollziehbar darlegen, warum die Kosten in der berücksichtigten Höhe von 7.242,94 EUR und nicht in anderer Höhe festgesetzt worden seien. Außerdem werde die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung durch eine lückenhafte und keiner erkennbaren Ordnung folgenden Führung der dem Senat erstmals am 29.5.2020, also gut acht Jahre nach Einlegung der sofortigen Beschwerde, vorgelegten Akten möglich. Ferner hat das OLG darauf hingewiesen, selbst die Bezirksrevisorin habe der Festsetzung in ihrer Stellungnahme lediglich nur Mutmaßungen anstellen können.
2. Folgen einer fehlenden oder mangelhaften Begründung
Da der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22.3.2012 nach Auffassung des Hans. OLG Bremen den Anforderungen an die Begründungspflicht in keiner Weise genügte, konnte er deshalb keinen Bestand haben. Wegen des Verfahrensfehlers könne der Senat auch nicht selbst entscheiden. Das OLG hat noch angefügt, es sei nicht Aufgabe des Beschwerdeverfahrens, eklatante Mängel des Kostenfestsetzungsverfahrens auszugleichen. Das Hans. OLG Bremen hat deshalb den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschuss aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über die Kostenfestsetzungsanträge der Rechtsanwälte X und Y an den Rechtspfleger des LG Bremen zurückverwiesen.
III. Bedeutung für die Praxis
Der Entscheidung ist zuzustimmen.
1. Anforderungen an die Begründung
Wird dem Kostenfestsetzungsantrag nicht oder zumindest nicht vollständig entsprochen, muss der mit dem Kostenfestsetzungsverfahren befasste Rechtspfleger die Absetzung plausibel und nachvollziehbar begründen. Gleiches gilt, wenn der Rechtspfleger zwischen den Parteien des Festsetzungsverfahrens umstrittene Posten festsetzt (s. von Eicken/Hellstab/Dörndorfer, Die Kostenfestsetzung, 23. Aufl., Rn B 123; Musielak/Voit/Flockenhaus, ZPO, 17. Aufl., 2020, § 104 Rn 15). Hat der Rechtspfleger seine Bedenken gegen den Anfall und/oder die Erstattungsfähigkeit einzelner Kostenpositionen in einer an die Verfahrensbeteiligten übermittelten Verfügung mitgeteilt, so genügt für die Begründung in dem Kostenfestsetzungsbeschluss auch eine Bezugnahme auf diese Verfügung. Eine fehlende oder diesen Anforderungen nicht genügende Begründung muss der Rechtspfleger spätestens in seiner (Nicht-)Abhilfeentscheidung nachholen (s. von Eicken/Hellstab/Dörndorfer, a.a.O.).
Leider ist in der Praxis immer wieder festzustellen, dass Kostenfestsetzungsbeschlüsse entweder keine oder keine nachvollziehbare Begründung enthalten, die die Festsetzung bzw. Absetzung rechtfertigen könnten. Im Fall des Hans. OLG Bremen enthielt der Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers ...