1. Berücksichtigung materiell-rechtlicher Einwendungen
Die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg liegt auf der Linie der ganz überwiegenden Rspr., wonach materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Kostenerstattungsanspruch im Kostenfestsetzungsverfahren grds. nicht zu berücksichtigen sind, sondern vorrangig mit der Vollstreckungsgegenklage außerhalb des Kostenfestsetzungsverfahrens geltend zu machen sind (s. BGH RVGreport 2010, 152 [Hansens] = JurBüro 2010, 252: Prozesskostenvorschuss; BGH RVGreport 2006, 233 [Ders.] = AGS 2007, 219: Verjährung; BGH RVGreport 2007, 110 [Ders.]: Nichtigkeit des zwischen der erstattungsberechtigten Partei mit ihrem Prozessbevollmächtigten geschlossenen Anwaltsvertrags; BGH RVGreport 2014, 318 [Ders.] = AGS 2014, 296: Aufrechnung; BAG RVGreport 2015, 388 [Ders.]: Auslegung einer Abgeltungsklausel).
Derartige materiell-rechtliche Einwendungen können im Kostenfestsetzungsverfahren ausnahmsweise nur dann berücksichtigt werden, wenn sie vom Rechtspfleger oder Urkundsbeamten der Geschäftsstelle keine Tatsachenaufklärung erfordern. Ein solcher Fall liegt insbesondere dann vor, wenn der materiell-rechtliche Einwand unstreitig ist oder zugestanden worden ist. Insoweit hat die erstattungsberechtigte Partei eine Erklärungspflicht gem. § 138 Abs. 1 ZPO zu dem vom Erstattungspflichtigen erhobenen materiell-rechtlichen Einwand (OLG Koblenz RVGreport 2015, 428 [Hansens] zum Erfüllungseinwand).
2. Nichtigkeit des Anwaltsvertrags
Diese Grundsätze gelten auch für den im Kostenfestsetzungsverfahren erhobenen Einwand, der Anwaltsvertrag zwischen der erstattungsberechtigten Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten sei nichtig. Im Kostenfestsetzungsverfahren ist nämlich grds. nicht zu prüfen, ob die erstattungsberechtigte Partei ihrem Prozessbevollmächtigten im Innenverhältnis die geltend gemachten Gebühren und Auslagen nach den bestehenden vertraglichen Beziehungen tatsächlich auch schuldet (s. die Grundsatzentscheidung des BGH RVGreport 2007, 110 [Hansens]; OLG Hamm JurBüro 2000, 655 = AnwBl. 2000, 320).
Mit dieser BGH-Entscheidung ist die gegenteilige ältere Rspr. der OLG und OVG (OLG Stuttgart JurBüro 1999, 314 = MDR 1999, 1530; OLG Köln AnwBl. 1980, 770; Sächs. OVG NJW 2003, 3504) überholt. Soweit das OLG Celle (RVGreport 2017, 150) die Auffassung vertreten hat, der auf ein gesetzliches Vertretungsverbot nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 BRAO gestützte Einwand der Nichtigkeit des Anwaltsvertrags sei im Kostenfestsetzungsverfahren zu prüfen, hat sich das OLG weder mit der dem entgegenstehenden Entscheidung des BGH (a.a.O.) befasst, noch die wegen der Abweichung von der höchstrichterlichen Rspr. zwingend gebotene Rechtsbeschwerde gegen seine Entscheidung zugelassen.
Zur Berücksichtigung des im Kostenfestsetzungsverfahren erhobenen Einwandes, der Prozessbevollmächtigte der erstattungsberechtigten Partei sei deren Syndikusanwalt i.S.v. § 46 Abs. 3 BRAO, sodass das RVG für dessen Tätigkeit keine Anwendung finde (s. OLG Brandenburg RVGreport 2020, 431 [Hansens]).
VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin
AGS 2/2021, S. 83 - 85