§§ 103 ff. ZPO; § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO; § 134 BGB
Leitsatz
- In dem Kostenfestsetzungsverfahren wird nach einer gerichtlichen Kostengrundentscheidung über die Erstattungsfähigkeit von Verfahrenskosten nach prozessualen Maßstäben und nach Maßgabe des Kostenrechts entschieden (vgl. BAG 28.5.2009 – 8 AZR 226/08, zu II 1 m.w.N. = RVGreport 2010, 28 [Hansens]). Materiell-rechtliche Einwendungen und Einreden gegen den prozessualen Kostenerstattungsanspruch – hier die angebliche Nichtigkeit des Anwaltsvertrages nach den § 134 BGB, § 45 BRAO – können grundsätzlich nicht berücksichtigt werden; mit diesen ist der Kostenschuldner auf die Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO oder auf einen Rechtsbehelf nach § 775 Nr. 4, 5 ZPO zu verweisen.
- Auch aus Gründen der Verfahrensökonomie kann nicht ausnahmsweise der Einwand, der zwischen dem erstattungsberechtigten Gegner und seinem Prozessbevollmächtigten geschlossene Anwaltsvertrag sei wegen Verstoßes gegen § 45 BRAO, § 134 BGB nichtig, Berücksichtigung finden. Es handelt sich um keine einfache Rechtsfrage, hinsichtlich deren Beurteilung kein Zweifel besteht und die daher zur Klärung im Kostenfestsetzungsverfahren geeignet ist (vgl. BGH 22.11.2006 – IV ZB 18/06, Rn 12 = RVGreport 2007, 110 [Hansens]).
LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 7.9.2020 – 26 Ta (Kost) 6075/20
I. Sachverhalt
Der Rechtspfleger des ArbG Berlin hatte durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3.6.2020 die von dem Kläger an die Beklagte zu erstattenden Anwaltskosten des Revisionsverfahrens festgesetzt. Die Beklagte hatte Anwaltskosten i.H.v. 2.629 EUR sowie Parteiauslagen i.H.v. 233 EUR zur Festsetzung angemeldet. Der Rechtspfleger des ArbG hat die Anwaltskosten antragsgemäß auf 2.629 EUR und die Parteiauslagen – insoweit teilweise über den Antrag hinausgehend – auf 257,50 EUR festgesetzt.
Mit seiner hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde hat der Kläger geltend gemacht, die Anwaltskosten hätten deshalb nicht berücksichtigt werden dürfen, weil der Beklagtenvertreter zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der Beklagten und daher nach § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO von der Prozessvertretung ausgeschlossen gewesen sei. Folglich sei der zwischen der Beklagten und ihrem Prozessbevollmächtigten geschlossene Anwaltsvertrag nichtig. Die Beklagte hat entgegnet, die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO hätten nicht vorgelegen. Ihr Prozessbevollmächtigter sei im Rahmen seiner Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender nicht in der vorliegenden Rechtssache tätig gewesen. Die wesentlichen Entscheidungen habe vielmehr die Geschäftsführung getroffen. Der Aufsichtsrat sei nur insoweit mit der Sache befasst gewesen, als ihm durch die Geschäftsführung regelmäßig in den Aufsichtsratssitzungen berichtet worden sei. Entscheidungen habe der Aufsichtsrat insoweit nicht getroffen.
Das LAG Berlin-Brandenburg hat der sofortigen Beschwerde nur hinsichtlich der Festsetzung eines geringfügig über den Antrag der Beklagten hinausgehenden Auslagenbetrags stattgegeben.
II. Berücksichtigung materiell-rechtlicher Einwendungen
1. Grundsatz
Das LAG Berlin-Brandenburg hat darauf hingewiesen, dass in dem Kostenfestsetzungsverfahren nach einer gerichtlichen Kostengrundentscheidung über die Erstattungsfähigkeit von Verfahrenskosten nach prozessualen Maßstäben und nach Maßgabe des Kostenrechts entschieden wird (BAG RVGreport 2010, 28 [Hansens]). Folglich könnten materiell-rechtliche Einwendungen und Einreden gegen den prozessualen Kostenerstattungsanspruch grds. nicht berücksichtigt werden. Dies betreffe auch die hier geltend gemachte angebliche Nichtigkeit des Anwaltsvertrags nach § 134 BGB i.V.m. § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO. Solche Einwendungen können nach den weiteren Ausführungen des LAG nur mit der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO oder mit einem Rechtsbehelf nach § 775 Nrn. 4 und 5 ZPO geltend gemacht werden.
Das LAG hat darauf hingewiesen, dass das Kostenfestsetzungsverfahren, das mit dem Erlass eines Kostenfestsetzungsbeschlusses abschließt, eine Fortsetzung der zwischen den Prozessparteien ergangenen Kostengrundentscheidung darstelle (s. BGH RVGreport 2006, 225 [Hansens] = AGS 2006, 268). Somit gehe es in diesem Verfahren allein um die Frage, welcher Betrag nach der Kostengrundentscheidung zu erstatten sei. Bereits dies spreche dagegen, materiell-rechtliche Fragen innerhalb des Kostenfestsetzungsverfahrens zu klären. Dies hat das LAG damit begründet, das Kostenfestsetzungsverfahren sei auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und die Beurteilung einfacher Fragen des Kostenrechts zugeschnitten und deshalb dem Rechtspfleger übertragen. Demgegenüber sei die Entscheidung von zwischen den Parteien streitigen Tatsachen und komplizierten Rechtsfragen im Kostenfestsetzungsverfahren nicht vorgesehen und mangels der dafür notwendigen verfahrensrechtlichen Instrumente auch nicht sinnvoll möglich. Dies habe zur Folge, dass materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Kostenerstattungsanspruch grds. nicht zu berücksichtigen seien. Sie müssten vielmehr vorrangig mit der Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden (BGH RVGreport 2007, 110...