Nach Auffassung des LG bewegt sich die Gebührenbestimmung des Verteidigers nicht innerhalb der gem. § 14 Abs. 1 RVG zuzubilligenden Toleranzgrenze von 20 % und sei daher unverbindlich. Nach ständiger Rspr. der Kammer komme als angemessene Gebühr für die Verteidigung eines Betroffenen, dem eine durchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeit mit geringer Bedeutung zur Last gelegt wird, grds. nicht die Mittelgebühr, sondern nur eine niedrigere Gebühr in Betracht (vgl. u.a. LG Dresden RVGreport 2010, 454; zuletzt Beschl. v. 25. 1.2019 – 5 Qs 122/18 und 13.3.2019 – 5 Qs 23/19). Die in Teil 5 VV vorgesehenen Gebührenrahmen seien für die Vergütung in sämtlichen Bußgeldsachen heranzuziehen. Dies seien neben Verkehrsordnungswidrigkeiten auch solche aus den Bereichen des Bau-, Gewerbe-, Umwelt- oder Steuerrechts, die häufig mit Bußgeldern im oberen Bereich des Bußgeldrahmens von 60,00 bis 5.000,00 EUR geahndet werden und mit rechtlichen Schwierigkeiten und/oder umfangreicher Sachaufklärung verbunden seien. Zwar können auch Verkehrsordnungswidrigkeiten im Einzelfall einen gleich hohen oder höheren Aufwand als andere Ordnungswidrigkeiten verursachen. Allerdings seien durchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeiten mit einfachen Sach- und Rechtsfragen, niedrigen Geldbußen und wenigen Punkten im Verkehrszentralregister als unterdurchschnittliche Bußgeldsachen anzusehen.

Gegenstand des Ordnungswidrigkeitenverfahrens sei eine Geschwindigkeitsübertretung innerhalb einer geschlossenen Ortschaft um 35 km/h mit der Folge einer Geldbuße von 160,00 EUR, einem drohenden einmonatigen Fahrverbot und einer Eintragung von zwei Punkten in das Fahreignungsregister gewesen. Der Verteidiger des Betroffenen habe den Einspruch nicht begründet und habe bereits im verwaltungsrechtlichen Verfahren Einsicht in die zu diesem Zeitpunkt 9 Seiten umfassende Akte genommen. Der Umfang (der zeitliche Aufwand) und die Schwierigkeit (die Intensität der Arbeit) der anwaltlichen Tätigkeit seien demgemäß als unterdurchschnittlich zu bewerten, auch wenn der Verteidiger nach eigenem Vorbringen mehrere ausführliche Beratungsgespräche geführt haben wolle. Auch der Umstand, dass der Betroffenen beruflich auf den Führerschein angewiesen sei, mache die Angelegenheit nicht zu einer zumindest durchschnittlichen Ordnungswidrigkeit i.S.d. Gebührenrechts. Aufgrund der Gesamtumstände erscheine daher – wie es der Rspr. der Kammer in vergleichbaren Fällen entspreche – eine Festsetzung der Grund- und Verfahrensgebühren i.H.v. 70 % der jeweiligen Mittelgebühr angemessen.

Sofern sich der Verteidiger im Rahmen des Beschwerdeverfahrens zur Angemessenheit zumindest der jeweiligen Mittelgebühren auf anderslautende Entscheidungen berufe, sei dies kein Anlass für die Kammer, von der ständigen Rspr. abzuweichen. Danach seien zur Beurteilung der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage sowohl die Höhe der Geldbuße, der Aktenumfang, als auch die Dauer der Hauptverhandlung Kriterien, welche neben dem Inhalt des Vorwurfs des Verkehrsverstoßes zu berücksichtigen. Hier stelle die in Rede stehende Ordnungswidrigkeit (Überschreitung der innerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit) eine unterdurchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeit dar. Auch der Umstand, dass die Eintragung von zwei Punkten in das Fahreignungsregister und ein einmonatiges Fahrverbot drohte, führe zu keinem anderen Ergebnis. Das drohende Fahrverbot von einem Monat sei nicht geeignet, einen besonderen Umstand zu begründen. Ein besonderer Härtefall, der Verlust des Arbeitsplatzes oder eine besondere Bedürftigkeit (z.B. Behinderung) hätten nicht gedroht. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Betroffenen spielten bei der Entscheidung keine Rolle. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien insgesamt vielmehr im unterdurchschnittlichen Bereich anzusiedeln. Die Verfahrensakte sei überschaubar und einfach zu erfassen gewesen und habe in rechtlicher Hinsicht keine besonderen Schwierigkeiten aufgewiesen. Aufgrund dieser Gesamtumstände erscheine daher – wie es der Rspr. der Kammer in vergleichbaren Fällen entspricht – eine Festsetzung der Grund- und Verfahrensgebühren wie auch der Terminsgebühr i.H.v. 70 % der jeweiligen Mittelgebühr angemessen (vgl. u.a. LG Halle, Beschl. v. 18.12.2019 – 3 Qs 117/19).

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