1. Gesetzliche Regelung
Gem. § 103 Abs. 1 ZPO ist Grundlage der Kostenfestsetzung ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel. Der im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 104 ZPO zu erlassende Kostenfestsetzungsbeschluss füllt lediglich die Kostengrundentscheidung hinsichtlich der Höhe des zu erstattenden Kostenbetrages aus. Der BGH hat darauf hingewiesen, dass der Kostenfestsetzungsbeschluss deshalb sowohl hinsichtlich seiner Entstehung als auch seines Bestandes von der Kostengrundentscheidung abhängig sei. Werde diese Kostengrundentscheidung aufgehoben oder abgeändert, verliere ein auf ihrer Grundlage erlassener Kostenfestsetzungsbeschluss im Umfang der Aufhebung oder Abänderung seine Wirkung (BGH RVGreport 2013, 242 [Hansens] = NJW 2013, 2438; BGH RVGreport 2009, 24 [Ders.] = NJW-RR 2008, 1082). In einem solchen Fall kann – so fährt der BGH fort – der auf der Grundlage einer überholten Kostengrundentscheidung erlassene Kostenfestsetzungsbeschluss aus Gründen der Rechtsklarheit von Amts wegen aufgehoben werden (BGH RVGreport 2009, 24 [Hansens] = NJW-RR 2008, 1082; BGH RVGreport 2007, 228 [Ders.] = AGS 2007, 475).
2. Keine Aufhebung oder Abänderung des Kostenbeschlusses vom 5.8.2019
a) Keine Abänderung durch gerichtliche Kostenentscheidung
Der BGH hat darauf hingewiesen, dass der Kostenfestsetzungsbeschl. v. 11.3.2020 entgegen der Auffassung des OLG München seine Wirkung nicht verloren habe. Dieser sei nämlich im selbstständigen Beweisverfahren auf der Grundlage des gem. § 494a Abs. 2 ZPO ergangenen Kostenbeschl. v. 5.8.2019 ergangen. Dieser Beschluss sei nicht mit Rechtsmitteln angefochten worden und daher rechtskräftig.
b) Keine Abänderung durch Prozessvergleich
Der BGH hat dahinstehen lassen, ob eine nachträglich im Hauptsacheverfahren vom Gericht getroffene Kostenentscheidung stets einen im selbstständigen Beweisverfahren ergangenen Kostenbeschluss nach § 494a Abs. 2 ZPO, der formell rechtskräftig geworden ist, abändert und dieser Kostenbeschluss unter der auflösenden Bedingung steht, dass im Hauptsacheverfahren keine abweichende Kostenentscheidung ergeht. Denn hier habe eine solche gerichtliche Kostenentscheidung im Hauptsacheverfahren nicht vorgelegen. Vielmehr sei der Hauptsacheprozess durch einen Prozessvergleich der Parteien beendet worden. Ferner hat der BGH offengelassen, ob eine in einem Prozessvergleich getroffene Regelung über die Kosten des Rechtsstreits überhaupt dazu führen kann, dass ein auf der Grundlage einer zuvor ergangenen rechtskräftigen Kostenentscheidung erlassene Kostenfestsetzungsbeschluss gegenstandslos wird (s. hierzu OLG Hamm JurBüro 1989, 1421).
Die Auslegung des Prozessvergleichs der Parteien vom 12.2.2020 ergibt nach Auffassung des BGH nämlich, dass diese den im selbstständigen Beweisverfahren ergangenen Kostenbeschl. v. 5.8.2019 nicht haben abändern oder aufheben wollen.
3. Auslegung des Prozessvergleichs
Welchen Inhalt eine im Prozessvergleich vereinbarte Kostenregelung hat, ist durch Auslegung des Vergleichs nach den §§ 133, 157 BGB zu ermitteln.
a) Wortlaut
Nach Auffassung des BGH ist zur Auslegung des Prozessvergleichs zunächst vom Wortlaut der Erklärungen auszugehen. Der Parteiwille müsse danach zumindest andeutungsweise im Wortlaut der vergleichsweise getroffenen Kostenregelung zum Ausdruck gekommen sein (BGH AGS 2021, 178 [Hansens] = zfs 2021, 282 m. Anm. Hansens; BGH AGS 2017, 239 = RVGreport 2017, 185 [Ders.]; BGH MDR 2014, 800; BGH NJW-RR 2001, 614).
In Ansehung dieser Grundsätze war die vom OLG München getroffene Auslegung der Kostenregelung des Prozessvergleichs rechtsfehlerhaft. Das OLG München hatte damit argumentiert, die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens seien durch die im Vergleich getroffene Regelung über die "Kosten des Rechtsstreits" deshalb mit umfasst, weil diese Kosten nach richtiger Auffassung von einer gerichtlichen Kostenentscheidung bei gleicher Sachlage umfasst gewesen wären. Die Parteien hätten deshalb, wenn sie eine abweichende Kostenregelung hätten treffen wollen, dies im Prozessvergleich klarstellen müssen.
Dem hat der BGH entgegnet, zu dieser Rechtsfrage, ob nämlich die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens auch dann Teil der Kosten des Hauptsacheverfahrens sind, wenn im selbstständigen Beweisverfahren bereits eine rechtskräftige Kostenentscheidung ergangen ist, habe sich zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses am 12.2.2020 kein allgemeines Verständnis ausgebildet. Vielmehr sei dies in Rspr. und Lit. umstritten gewesen, sodass eine vom OLG München angeführte Auslegungsregelung nicht existiere.
b) Wertung des § 98 S. 2 ZPO
Nach § 98 S. 2 ZPO sind die Kosten des durch Vergleich erledigten Rechtsstreits bei Fehlen einer anderweitigen Vereinbarung als gegeneinander aufgehoben anzusehen, soweit nicht über sie bereits rechtskräftig erkannt ist. Folglich ist nach Auffassung des BGH ein Prozessvergleich regelmäßig dahin auszulegen, dass ohne ausdrückliche Regelung der Parteien rechtskräftige Kostenentscheidungen durch den Vergleich nicht abgeändert ...