Nr. 1000 VV RVG
Leitsatz
Zahlt der Beklagte die Klageforderung und bietet er an, im Falle der Klagerücknahme die Kosten des Verfahrens zu übernehmen, so entsteht eine Einigungsgebühr, wenn der Kläger dieses Angebot durch Klagerücknahme annimmt.
AG Coburg, Urt. v. 16.2.2021 – 15 C 3269/20
I. Sachverhalt
Der Kläger hatte aus einem Verkehrsunfall noch eine Restforderung eingeklagt. Nach Zustellung der Klage zahlte der beklagte Haftpflichtversicherer diesen Betrag und bot an, die Kosten des Rechtsstreits zu übernehmen, wenn der Kläger die Klage zurücknehme. Gleichzeitig stimmte er einer eventuellen Erledigungserklärung vorsorglich zu und erklärte, für diesen Fall die Kosten des Rechtsstreits zu übernehmen. Der Kläger nahm daraufhin die Klage zurück und verlangte im Rahmen der zugesagten Kostenübernahme des beklagten Haftpflichtversicherers auch den Ersatz einer Einigungsgebühr. Der Haftpflichtversicherer verweigerte die Zahlung der Einigungsgebühr mit der Begründung, es liege nur eine einseitige prozessuale Gestaltungserklärung vor. I.Ü. sei es dem Kläger unbenommen gewesen, die Klage nicht zurückzunehmen und stattdessen die Hauptsache insgesamt für erledigt zu erklären. Das Gericht hat der daraufhin erhobenen Klage stattgegeben.
II. Einigungsgebühr ist angefallen
Erst im Laufe des Rechtstreits hat die Beklagte die Klageforderung ausgeglichen und den Kläger gebeten, die Klage gegen Kostenübernahme zurückzunehmen. Durch die Rücknahme des Klägers ist dieses Angebot zumindest konkludent angenommen worden, sodass eine Vereinbarung vorliegt (AG Frankfurt, Urt. v. 3.2.2020 – 31 C 4638/19 (38), DV 2020, 155). Die Beklagte kann nicht mit der Argumentation durchdringen, dass es alternativ dem Kläger unbenommen geblieben wäre, nach Zahlungseingang den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären, wozu die Beklagte bereits gegenüber dem Gericht ihre Zustimmung erteilt und Kostenübernahme erklärt hatte. Mit der Bitte um Klagerücknahme hat die Beklagte vielmehr den Antrag auf Abschluss eines Vertrags gestellt, welcher klägerseits konkludent angenommen wurde. Damit ist die Einigungsgebühr ausgelöst worden. Es wäre der Beklagten unbenommen geblieben, auf Bitte um Klagerücknahme zu verzichten und damit nicht den Antrag auf Abschluss einer Vereinbarung zu stellen, sondern ausschließlich zu bezahlen und einer bevorstehenden Erledigungserklärung zuzustimmen.
III. Bedeutung für die Praxis
1. Problem Erstattungsfähigkeit
Auch das AG Hannover (AGS 2021, 46) hat eine Einigungsgebühr bei einer vergleichbaren Fallkonstellation angenommen. Es ist allerdings der Auffassung, dass sich aus der konkreten Art der Vereinbarung ergebe, dass nur die bis zur Einigung angefallenen Kosten vom Beklagten zu übernehmen seien und dass hinsichtlich der Einigungsgebühr die Vorschrift des § 98 ZPO greife.
2. Terminsgebühr fällt ebenfalls an
Offenbar übersehen worden ist im zugrunde liegenden Verfahren, auch eine Terminsgebühr anzusetzen. Nach der Neufassung der Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV reicht eine bloße Einigung aus. Es ist nicht mehr – wie bisher – ein schriftlicher Vergleich vorgeschrieben. Daher kann die Terminsgebühr auch bei Abschluss einer konkludenten Einigung ausgelöst werden. Da im zugrunde liegenden Verfahren die mündliche Verhandlung vorgeschrieben war, hätte hier also auch eine fiktive Terminsgebühr abgerechnet werden können.
Rechtsanwalt Norbert Schneider, Neunkirchen
AGS 2/2022, S. 65