§ 4 Abs. 2 S. 2 InsVV; Nr. 9002 GKG KV
Leitsatz
- Auch nach dem 1.1.2021 sind Zustellauslagen bereits ab der 1. Zustellung zu gewähren, wenn die Bagatellgrenze von zehn Zustellungen überschritten ist.
- Keine Verlagerung gerichtlicher Aufgaben auf Kosten der Verwalter.
AG Karlsruhe, Beschl. v. 8.10.2021 – 30 IK 31/21
I. Sachverhalt
Im Rahmen eines Verbraucherinsolvenzverfahrens wurde die Vergütung des Verbraucherinsolvenzverwalters durch das AG festgesetzt. Die vom Insolvenzgericht auf den Verwalter delegierten Zustellungen wurden festgesetzt, dabei aber im Rahmen der Bestimmung Nr. 9002 GKG KV die ersten 10 Zustellungen aberkannt. Die hiergegen eingelegte Erinnerung hatte dann vor dem ersuchten Richter Erfolg. Dieser erkannte auch die ersten 10 Zustellungen ebenfalls zu.
II. Umstritten, ob für die ersten 10 Zustellungen als Bagatellgrenze Auslagen anfallen
Ob die ersten 10 Zustellungen zu erstatten sind oder nicht, sei fraglich. Die InsVV in seiner Fassung seit 1.1.2021 nimmt hinsichtlich der notwendigen Zustellungen Bezug auf Nr. 9002 GKG KV. Hiernach ergibt sich künftig ein Ansatz von 3,50 EUR pro Zustellung. Aus der Gesetzesbegründung zu § 4 Abs. 2 S. 2 InsVV ergibt sich indes auch der Wille, die ersten 10 Zustellungen damit zukünftig nicht mehr honorieren zu wollen. Dies sei aber auch nicht unumstritten.
III. Sind 10 Zustellungen überschritten, fallen auch die ersten 10 Zustellungen an
Nach Ansicht des AG Karlsruhe stelle die Konstellation, wonach 10 Zustellungen überschritten werden, dann eine andere gegenüber derjenigen Konstellation dar, wenn es bei einem Minderaufwand unter 10 Zustellungen verbleibt. Im GKG sei zum einen seit langer Zeit anerkannt, dass bei Überschreiten der Bagatellgrenze die gesamten Zustellauslagen ohne Beschränkung anfallen. Zum anderen lasse sich das für die InsVV auch anderweitig begründen, nämlich mit der früheren Rspr. zu den Zuschlägen. Auch bei den Zuschlägen gebe es eine Bagatellgrenze, die für den Anfall überschritten sein müsse (Anm.: 5 %). Werde diese aber überschritten, so sei dann nicht nur der übersteigende Betrag an Zuschlägen zu erstatten, sondern auch der bis dahin geringere Aufwand, also der Mehraufwand insgesamt.
IV. Bedeutung für die Praxis
Die Frage, ob Zustellauslagen zu gewähren sind oder nicht, insbesondere deren "Höhe", wurde durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG v. 22.12.2020, BGBl. I, 3256) zum 1.1.2021 "endlich" geklärt. Allgemein anerkannt war bis dahin schon, dass Kosten von Zustellungen, welche dem Verwalter durch das Gericht übertragen wurden, gesondert zu vergüten waren. Bis zum 31.12.2020 konnten diese im Wege eines pauschalierten Zuschlages als eigener Zuschlag geltend gemacht werden. Der Zuschlag war dabei auf die Auslagen vorzunehmen (BGH, Beschl. v. 21.3.13 – IX ZB 209/10), wobei ein Betrag von 2,75–2,85, sogar bis zu 3,50 EUR pro Zustellung in Ansatz gebracht werden konnte.
Im Zuge der InsVV-Reform zum 1.1.2021 wurden die Kosten der Zustellungen aber nun gesetzlich geregelt. "Für die Übertragung der Zustellungen i.S.d. § 8 Abs. 3 der Insolvenzordnung gilt Nr. 9002 des Kostenverzeichnisses", so die InsVV nunmehr in § 4 Abs. 2 InsVV. Damit ist der Ansatz von 3,50 EUR pro Zustellung "klar", ein Tohuwabohu wie bis dato ist damit erledigt. Nr. 9002 GKG KV lautet jedoch: "Neben Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit Ausnahme der Gebühr 3700, wird die Zustellungspauschale nur erhoben, soweit in einem Rechtszug mehr als 10 Zustellungen anfallen. Im erstinstanzlichen Musterverfahren nach dem KapMuG wird die Zustellungspauschale für sämtliche Zustellungen erhoben." Durch die Bezugnahme auf Nr. 9002 GKG KV wird es also zukünftig vermehrt "Streit" und "Diskussionen" darüber geben, ob grds. ein Abzug der ersten 10 Zustellungen zu erfolgen hat, ob ab 11 Zustellungen alles zu erstatten ist (so das AG Karlsruhe) oder ob die Regelung generell keine Anwendung auf die InsVV finden soll, daher nur die Höhe der Zustellungen geregelt wurde (so Zimmer, InsBüro 2022, 61 ff.).
Das AG Karlsruhe hat sich in seiner Entscheidung vom 8.10.2021 nicht mit der grundsätzlichen Streitfrage beschäftigt. Vielmehr begründet das AG Karlsruhe seine Entscheidung damit, dass es sich mit dem Verweis um eine Bagatellgrenze handle, die überschritten werden müsse. In analoger Anwendung der Rspr. zum Zuschlagswesen sei bei Überschreiten dann aber anzunehmen, dass der Mehraufwand insgesamt zu honorieren sei, also nicht gekürzt um die ersten 10 Zustellungen. Die Relevanz der Entscheidung zeigt sich in der anhaltenden Diskussion in der Praxis. Sehr häufig rufen Verwalter bei Gerichten an, um nachzufragen, wie diese Frage vor Ort beantwortet wird. Das AG Karlsruhe "bricht" damit eine Lanze zugunsten der Verwalter, indem es eine Bewilligung für alle Zustellauslagen ab der 11. Zustellung zugesteht. Dabei wird auf die Lit. Bezug genommen, welche sich aber augenscheinlich nicht sonderlich mit dem Thema befasst, mithin nach Ansicht des Autors gerade diesen Fall nicht klärt. Bezug genommen wird weiterhin auf die Rspr. zum Zuschlagswesen und ein Gesamtansatz – wie vom AG Karlsruhe vertreten – wird mit Überschreite...