§ 63 GKG; § 33 RVG
Leitsatz
Eine zeitlich gestaffelte Festsetzung für die Gerichtsgebühren wegen einer teilweisen Reduzierung des Streitwertes findet nicht statt. Allenfalls können auf Antrag die Gebühren für die anwaltliche Tätigkeit gem. § 33 Abs. 1 RVG abweichend gesondert festzusetzen sein.
OLG Bremen, Beschl. v. 5.1.2022 – 2 W 56/21
I. Sachverhalt
Der Kläger hatte zunächst einen Betrag i.H.v. 18.941,52 EUR eingeklagt. Vor der mündlichen Verhandlung hat er die Klage um 3.179,53 EUR zurückgenommen, sodass nur noch über den reduzierten Klageantrag i.H.v. 15.761,99 EUR verhandelt wurde. Nach Abschluss des Verfahrens hat das Gericht den Streitwert auf 18.941,52 EUR festgesetzt. Hiergegen hat der Kläger Streitwertbeschwerde erhoben und geltend gemacht, dass der Streitwert gestaffelt festzusetzen sei, nämlich bis zur Rücknahmeerklärung auf 18.941,52 EUR und hiernach auf 15.761,99 EUR. Hilfsweise hat er beantragt, den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit abweichend festzusetzen. Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache insoweit dem OLG zur Entscheidung vorgelegt. Den hilfsweise gestellten Antrag des Klägers auf Festsetzung des Werts der anwaltlichen Tätigkeit hat das LG als unzulässig verworfen. Das OLG hat die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Keine gestaffelte Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren
Zu Recht hat das LG angenommen, dass die Höhe des für die Gerichtskosten maßgeblichen Wertes von einer teilweisen Klagerücknahme nach Klageerhebung unberührt bleibt.
Die gem. § 63 Abs. 2 S. 1 GKG zu treffende Wertfestsetzung zielt, wie sich aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, allein auf den Wert für die zu erhebenden Gerichtsgebühren ab. Für den Wert dieser Gebühren kommt es gem. § 40 GKG aber auf den Wert des Streitgegenstandes im Zeitpunkt der ihn betreffenden Antragstellung an. Eine teilweise Klagerücknahme nach Klageerhebung hat demnach keine Auswirkungen auf den für die Gerichtsgebühren festzusetzenden Streitwert (KG AGS 2018, 344; OLG München NJW-RR 2017, 700), sodass zeitlich gestaffelte Festsetzungen für die Gerichtsgebühren wegen einer teilweisen Reduzierung des Streitwertes nicht erfolgen (OLG Dresden NJW-RR 2019, 575; MDR 2019, 510; Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., 2020, § 3 Rn 8; Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl., 2021, § 63 GKG Rn 64; BeckOK KostR/Jäckel, 35. Ed., § 63 GKG Rn 22). Die Streitwertfestsetzung durch die Kammer auf Grundlage des § 63 Abs. 2 GKG ist demnach nicht zu beanstanden.
III. Keine Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrags auf Festsetzung des Gegenstandswerts
Soweit der Kläger das Interesse, eine Herabsetzung des Wertes für die Gebühren für die anwaltliche Tätigkeit zu erreichen, auch durch einen hilfsweise gestellten Antrag auf gesonderte Festsetzung gem. § 33 Abs. 1 RVG verfolgt und das LG diesen Antrag durch weiteren Beschluss als unzulässig verworfen hat, ist gegen diese gesonderte Entscheidung eine – fristgebundene, § 33 Abs. 3 S. 3 RVG – Beschwerde nicht eingelegt worden, sodass offen bleiben muss, ob das LG diesen Antrag als zulässig hätte ansehen und den Wert für die Terminsgebühr gem. § 33 Abs. 1 RVG gesondert hätte festsetzen müssen (OLG München NJW-RR 2017, 700; KG AGS 2018, 344; OLG Dresden MDR 2019, 510; NJW-RR 2019, 575).
IV. Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung ist in jeglicher Hinsicht zutreffend.
1. Streitwertfestsetzung
Nach § 63 GKG hat ein Gericht den Streitwert festzusetzen, also den Wert des Streitgegenstands (§ 3 Abs. 1 GKG), soweit sich die Gerichtsgebühr(en) nach dem Gegenstandswert richten.
In einem erstinstanzlichen Verfahren – wie hier – richten sich die Gebühren nach dem Streitwert, sodass eine Streitwertfestsetzung erforderlich ist.
In erster Instanz fällt grds. nur eine einzige Gerichtsgebühr an, sei es zu einem Gebührensatz von 3,0 (Nr. 1210 GKG KV) oder zu 1,0 (Nr. 1211 GKG KV). Fällt aber nur eine einzige Gebühr an, dann kann es auch nur einen einzigen Streitwert geben. Eine Gebühr kann nicht nach unterschiedlichen Streitwerten berechnet werden. Wie soll dies geschehen, soll etwa die Hälfte der Gebühr nach einem Wert und die andere Hälfte der Gebühr nach einem anderen Wert berechnet werden?
Es entspricht daher auch einhelliger Rspr., dass zeitlich gestaffelte Streitwertfestsetzungen unzulässig sind (OLG München NJW-RR 2017, 700; LG Stendal NJW-RR 2019, 703; LG Mainz AGS 2018, 571).
Möglich ist lediglich, dass im gerichtlichen Verfahren noch eine zweite Gerichtsgebühr anfällt, nämlich bei Abschluss eines Vergleichs mit Mehrwert (Nr. 1900 GKG KV). Dann ist aber für diese eine Gebühr wiederum ein gesonderter Streitwert festzusetzen.
Gegen zeitlich gestaffelte Streitwertfestsetzungen sollte also grds. Beschwerde eingelegt werden, weil eine gestaffelte Streitwertfestsetzung nicht nur unklar ist, sondern im Zweifel auch zu fehlerhaften Abrechnungen führt. Aus einer gestaffelten Streitwertfestsetzung ist nämlich nicht zu erkennen, wie hoch sich der Gesamtwert berechnet. Der Gesamtwert berechnet sich nämlich gem. § 39 GKG nach der Summe aller Gegenstände, die im Laufe des Verfahrens anhängig waren. Dabei müssen die Gegenstände nicht zeitglich anhängig gewesen sein (OLG Koblenz AGS 2007, 151; KG AGS 2008, 188 = MDR 2008, 173 = Jur...