Immer wieder gibt der elektronische Rechtsverkehr und die damit verbundene Antragstellung Anlass zur Diskussion. Während für die Antragstellung der Beratungshilfe erst seit dem 1.8.2021 eine elektronische Antragstellung möglich wurde (s. Lissner, AGS 2021, 249 ff.), bestand die Möglichkeit der elektronischen Antragstellung für die Vergütung bereits länger (s. Lissner, RVGreport 2020, 2 m.w.N.). Immer wieder – und in der gerichtlichen Praxis dabei unterschiedlich beantwortet – stellt sich bei Nutzung der elektronischen Möglichkeiten dann die Frage, "und was ist mit dem Berechtigungsschein"? Soweit diesseits bekannt, wird in der überwiegenden Praxis nach wie vor die Vorlage eines Originals des Berechtigungsscheins (LG Ansbach, Beschl. v. 19.2.2019 – 1 T 199/19 n.v.; Klein, JurBüro 2001, 172 f., der aber offensichtlich sich dem Problem des elektronischen Rechtsverkehrs noch nicht stellen konnte) gefordert. Begründet wird dies zum einen mit der Formulierung in § 1 Nr. 2 BerHFV, welche die Verwendung eines Formulars vorschreibt und dabei "die Vorlage des Originals des Berechtigungsscheines" verlangt. Zum anderen wird dies aus Schutzzwecken heraus bisweilen gesehen. Die reine Möglichkeit – die nicht ausgeschlossen werden könne – und der dadurch notwendig werdende Schutz vor (denkbarem) Missbrauch (Zweitverwertung des Originals) würden eine Herausgabe stets rechtfertigen. Zudem bestünde mit der Geltendmachung der Vergütung auch kein berechtigtes Interesse der Beratungsperson mehr, den Schein zu behalten (so auch: BGH, Urt. v. 9.10.2008 – VII ZR 227/07 – allerdings nicht zur Beratungshilfe!).
Die Entscheidung des LG Osnabrück folgt im Grundsatz der Entscheidung des OLG Saarbrücken (Beschl. v. 16.12.2019 – 9 W 30/19, RVGreport 2020, 116). Erneut mussten Vertreter einer "Original-Vorlage"-Meinung eine Niederlage hinnehmen. Das Fragliche ist dabei, wie mit schriftlich erteilten Berechtigungsscheinen umgegangen werden soll, die beim Anwalt verbleiben und die dieser zur Wahrung seiner Vergütungsansprüche dann elektronisch (signiert) an das Gericht nebst Vergütungsantrag übersendet. Kurzum: Genügt die elektronische Rückübersendung (eines eingescannten Originalscheins) oder muss der Originalschein "schriftlich" zurückgesandt werden?
Das Meinungsbild in der Lit. und Rspr. tendiert – anders offensichtlich als die Praxis – dazu, auch auf die Vorlage des Originals verzichten zu können. Grds. besteht zwar die Gefahr, dass es bei Nichtrückgabe des Originals des Berechtigungsscheines zu einer Mehrverwertung kommen könnte. In Zeiten hervorragender Farbkopierer lässt sich dieses Sicherheitsbedürfnis aber auch nicht mittels Rückgabe eines Originals schließen. Klein (JurBüro 2001, 172 ff.) sieht eine Kopie des Berechtigungsscheins als nicht ausreichend an, da es im Beratungshilfeverfahren keine Beiordnung gebe und nur das Original den Anspruch der Beratungsperson auf Vergütung dokumentiere. Offensichtlich bildet diese Auffassung jedoch eine Momentaufnahme weit vor der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs. Will der Gesetzgeber diesen durchsetzen, so muss er auch solche Unwägbarkeiten hinnehmen. Das LG Saarbrücken (Beschl. v. 28.8.2019 – 5 T 83/19) hatte sein Verlangen auf Vorlage des Originals noch mit § 371 BGB begründet. Danach stelle der Berechtigungsschein einen Schuldschein dar, der zurückverlangt werde. Der Schein "begründe" eine Vermutung, wonach der Inhaber berechtigt sei, gegenüber der Staatskasse abzurechnen. Folglich könne dieser herausverlangt werden. Die Verpflichtung zur Herausgabe geht nach Ansicht des LG Saarbrücken sogar soweit, dass eine Herausgabe selbst dann verlangt werden kann, wenn durch den beantragenden RA tatsächlich formell und verfahrenstechnisch sichergestellt sei, dass eine "Zweitverwertung" des Scheins ausgeschlossen ist.
Letztlich argumentiert aber das LG Osnabrück aber zurecht, dass die Regelung des § 1 Nr. 2 BerHFV hier nicht abschließend zu betrachten sei. Zum einen bestehen länderspezifische Besonderheiten, die eine Nichtverwendung des Formulars ermöglichen. Das Verfahren der Beratungshilfeformularverordnung (BerHFV, BGBl I 2014, 2) beschränkt sich – wie sich aus § 1 Nr. 1 BerHFV ergibt – insoweit z.B. auch nur auf natürliche Personen, was bereits bei Rechtsuchenden, die keine natürliche Person sind, eine Ausnahme und eine Abweichung davon zulässt. Zum anderen ist nun mal der elektronische Rechtsverkehr eröffnet und infolge dessen Unwägbarkeiten vorübergehend hinzunehmen, denn das Problem wird sich mit einer rein elektronischen Aktenführung irgendwann erledigen. Es ist davon auszugehen, dass bei Aufstellung des Petitums der Vorlage eines Originals die sich aus der elektronischen Einreichung ergebenden Fragen schlicht noch nicht ergeben haben. Folglich ist das Gesetz fortzuentwickeln. Aber auch das Sicherheitsbedürfnis, welches letztlich hinter dem Verlangen auf Original steht, lässt sich in der Praxis bestmöglich minimieren. Insoweit ist ihm mit einer anwaltlichen Versicherung, das Original zu...