§§ 91a Abs. 1, 98 Abs. 2, 516 Abs. 3 ZPO
Leitsatz
- Die in einem außergerichtlichen Vergleich getroffene Regelung, nach der sich die Vertragsparteien insoweit einig sind, dass die Kosten bezüglich des entsprechenden Verfahrens insgesamt gegeneinander aufgehoben werden, führt zur Unzulässigkeit eines Antrags auf Erlass einer Kostenentscheidung nach § 91a ZPO.
- Die vergleichsweise Kostenregelung ist regelmäßig dahin auszulegen, dass Kosten eines Rechtsmittelverfahrens, über die ein Beschluss gem. § 516 Abs. 3 ZPO ergangen ist, nicht erfasst werden.
OLG Hamm, Beschl. v. 29.6.2021 – 10 W 27/21
I. Sachverhalt
Die Parteien sind Geschwister und zu je 1/2 Miterben in gesetzlicher Erbfolge nach ihrer Mutter. Eine vollständige Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft scheiterte daran, dass die Parteien keine Einigkeit über den Wert einer Immobilie erzielen konnten. Hieraufhin machte der Kläger vor dem LG Essen im Wege der Stufenklage Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen die Beklagte geltend. Die auf der ersten Stufe vom Kläger verlangte Auskunft durch Ermittlung des Wertes der Immobilie hat das LG Essen durch Teilurt. v. 12.6.2019 abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung hat der Kläger am 20.9.2019 zurückgenommen. Hieraufhin hat das Berufungsgericht, das OLG Hamm, durch Beschl. v. 24.9.2019 dem Kläger die Kosten der Berufung gem. § 516 Abs. 3 ZPO auferlegt. Aufgrund dieses Kostenbeschlusses hat die Beklagte über ihre außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens am 7.12.2019 einen Kostenfestsetzungsbeschluss erwirkt.
Im Anschluss hieran verhandelten die Geschwister über die Erbauseinandersetzung, die schließlich in der notariellen Urkunde vom 15.7.2020 geregelt wurde. In dieser Urkunde trafen sie in § 7 der Urkunde auch folgende Kostenregelung:
Zitat
"Erledigung des Rechtsstreits Az. 9 O 34/19: Die Erschienenen verpflichten sich wechselseitig, den Rechtsstreit LG Essen, Az. 9 O 34/19, für erledigt zu erklären. Die Vertragsparteien sind sich insoweit einig, dass die Kosten bezüglich des entsprechenden Verfahrens insgesamt gegeneinander aufgehoben werden."
Hieraufhin erklärte der Kläger den Rechtsstreit vor dem LG Essen insgesamt in der Hauptsache für erledigt. Er wies darauf hin, einer gerichtlichen Kostenentscheidung bedürfe es nicht, da die Kosten in dem notariellen Vertrag geregelt worden seien. Auch die Beklagte informierte das LG Essen über die außergerichtliche Einigung und die darin enthaltene Kostenregelung.
Am 25.8.2020 beantragte der Kläger, die Gerichtskosten beider Instanzen gegen die Beklagte auszugleichen. Außerdem beantragte er, die im Kostenfestsetzungsbeschl. v. 7.12.2019 zugunsten der Beklagten festgesetzten außergerichtlichen Kosten rückfestzusetzen. Nachdem das LG Essen den Kläger auf das Fehlen einer als Grundlage der Festsetzung erforderlichen Kostengrundentscheidung hingewiesen hatte, beantragte er, die Kosten erster und zweiter Instanz gegeneinander aufzuheben. Hierzu machte der Kläger geltend, in der Kostenregelung des notariellen Vergleichs sei nicht ausdrücklich bestimmt worden, dass zwischen den Instanzen zu trennen sei. Vielmehr hätten die Parteien die Angelegenheit insgesamt, also auch hinsichtlich der Kosten beider Instanzen, geregelt. Dies habe zur Folge, dass die Kosten beider Instanzen gegeneinander aufzuheben seien.
Die Beklagte hat dem entgegengehalten, die Kostenregelung in § 7 der notariellen Urkunde betreffe lediglich die Kosten der ersten Instanz. Über die Kosten des Berufungsverfahrens habe das OLG Hamm zulasten des Klägers bereits durch Beschl. v. 24.9.2019 entschieden.
Das LG Essen hat die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben und den Streitwert festgesetzt. Dies hat das LG damit begründet, bei sachgerechter Auslegung der notariellen Urkunde sei es nicht angezeigt, für die verschiedenen Instanzen unterschiedliche Kostenquoten zu bestimmen. Vielmehr hätten die Parteien in Kenntnis des anhängigen Berufungsverfahrens vereinbart, die Kosten des Rechtsstreits insgesamt gegeneinander aufzuheben. Dies betreffe sowohl die Kosten der ersten als auch der zweiten Instanz.
Mit ihrer hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde hat sich die Beklagte gegen die Einbeziehung der Kosten des Berufungsverfahrens gewandt.
Die sofortige Beschwerde der Beklagten hatte beim OLG Hamm Erfolg.
II. Unzulässigkeit des Kostenantrags
1. Kostenregelung im Vergleich maßgebend
Nach Auffassung des OLG Hamm war die Kostenentscheidung des LG Essen aufzuheben, da der hierauf gerichtete Antrag des Klägers, die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz gegeneinander aufzuheben, unzulässig sei. Ein Kostenbeschluss sei nämlich regelmäßig nicht erforderlich, weil die kostenrechtlichen Folgen eines Vergleichs, mittels dessen die Parteien einen Rechtsstreit zur Erledigung bringen, in § 98 ZPO geregelt seien. Diese Vorschrift gelte nicht nur für den gerichtlichen, sondern auch für den außergerichtlichen – hier notariellen – Vergleich.
Danach ist nach den weiteren Ausführungen des OLG Hamm in erster Linie eine Vereinbarung der Parteien über die Kosten des Rechtsstreits...