§ 58 GKG
Leitsatz
- Wird das Unternehmen vom Insolvenzverwalter fortgeführt, kann insoweit in die Berechnungsgrundlage für die Gerichtskosten nur der Überschuss eingestellt werden.
- Der Gegenstandswert für die Gerichtskosten bestimmt sich nach dem wirtschaftlichen Wert der bei Beendigung des Insolvenzverfahrens vorhandenen Insolvenzmasse.
OLG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 4.8.2021 – 9 W 64/21
I. Sachverhalt
In einem Insolvenzverfahren wurde durch den Verwalter eine Betriebsfortführung vollzogen. Der Rechtspfleger legte für den Wert der Gerichtskosten nach § 58 Abs. 1 GKG den Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens zugrunde. Die Betriebsausgaben wurden dabei nicht abgezogen. Gegen diesen Wertansatz wurde Erinnerung erhoben, der der Rechtspfleger mit dem Argument nicht abhalf, die Normen zu der Vergütung des Insolvenzverwalters – insbesondere § 1 Abs. 2 Nr. 4b InsVV – seien auf das Kostenrecht und die Berechnung der Gerichtsgebühren nach § 58 Abs. 1 GKG nicht übertragbar. Mit Beschl. des AG Kiel vom 2.10.2020 ist die Erinnerung der Insolvenzverwalterin gegen den Kostenansatz zurückgewiesen worden. Mit Beschl. des LG Kiel vom 7.12.2020 ist die Beschwerde der Insolvenzverwalterin zurückgewiesen worden. Die weitere zugelassene Beschwerde hatte Erfolg. Das OLG sah eine gleichlautende Bestimmung zu § 1 Abs. 2 Nr. 4b InsVV.
II. Neuregelung
Mit Wirkung zum 1.1.2021 ist § 58 Abs. 1 GKG dergestalt angepasst worden, dass für den Zeitraum einer Betriebsfortführung lediglich der Einnahmeüberschuss bei der Berechnung der Gerichtskosten zugrunde zu legen ist.
III. Streit in Altfällen
Nach dem unmissverständlichen Wortlaut der Übergangsregelung in § 71 Abs. 3 GKG ist die neue Fassung des § 58 Abs. 1 S. 3 GKG aber nur auf die Kosten anzuwenden, die nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung fällig werden. In sog. Altfällen ist die Rechtslage daher umstritten. Teilwiese wurde für die Festsetzung der Gerichtsgebühren im Insolvenzverfahren bei Fortführung des Betriebes durch den Insolvenzverwalter der Wert der Insolvenzmasse anhand des gesamten Umsatzes ermittelt, also folglich ohne Abzug der Aufwendungen (OLG München, Beschl. v. 25.4.2017 – 21 W 2/17, juris Rn 12; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.7.2010 – I-10 W 60/10, juris Rn 2). Eine andere Ansicht vertritt die Auffassung, wonach sich der Gegenstandswert für die Gerichtskosten auch schon vor der Neufassung des § 58 Abs. 1 GKG nach dem wirtschaftlichen Wert der bei Beendigung des Insolvenzverfahrens vorhandenen Insolvenzmasse, wie ihn der Verwalter bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens realisieren konnte, bestimmt, wobei die Betriebsausgaben abzuziehen sind (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.3.2012 – I-3 W 286/11, juris Rn 8; Beschl. v. 10.2.2015 – I-3 W 20/14, juris Rn 4; Beschl. v. 19.9.2019 – 3 W 46/19, juris Rn 5 ff.; OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.4.2014 – 8 W 149/14, juris Rn 12 ff.; OLG Hamm, Beschl. v. 18.1.2013 – I-25 W 262/12, ZIP 2013, 470–472; Beschl. v. 14.5.2013 – I-15 W 198/12, juris Rn 8; OLG Nürnberg, Beschl. v. 12.8.2020 – 5 W 421/20, juris Rn 16 ff.).
IV. Wertberechnung nach wirtschaftlichem Realisierungswert
Das OLG Schleswig-Holstein ist der Auffassung, dass sich der Wert der Insolvenzmasse gem. § 63 Abs. 1 InsO nach dem wirtschaftlichen Wert der Insolvenzmasse, wie ihn der Insolvenzverwalter bis zum Abschluss des Verfahrens hat realisieren können, richtet. Dabei bilden die Begriffe "Wert der Insolvenzmasse" und "Insolvenzmasse" zwei unterschiedliche Faktoren mit verschiedenen Regelungszwecken. Während §§ 35 bis 37 InsO lediglich festlegen, welche Vermögensgegenstände zur Insolvenzmasse zu rechnen sind, läge die Aufgabe der Wertvorschrift des § 58 GKG darin, das durch das jeweilige gerichtliche Verfahren betroffene und für die Gebührenberechnung maßgebende wirtschaftliche Interesse festzulegen. Diese unterschiedlichen Zielsetzungen sprechen dagegen, dass der Begriff des Wertes der Insolvenzmasse i.S.d. § 58 Abs. 1 GKG mit der Definition der Insolvenzmasse i.S.d. §§ 35 bis 37 InsO gleichzusetzen gewesen wäre (OLG Nürnberg, Beschl. v. 12.8.2020 – 5 W 421/20, juris Rn 20; OLG Hamm, Beschl. v. 18.1.2013 – I-25 W 262/12, juris Rn 15). Daher sei der Wert der bei Beendigung des Verfahrens vorhandenen Insolvenzmasse zu bemessen und die fortführungsbedingten Ausgaben von den Überschüssen der Unternehmensfortführung abzuziehen. Daher sei dem gleichlautenden Ansatz wie in § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 b) InsVV zu folgen, wonach auch für die Gerichtskosten bei der Betriebsfortführung die Ausgaben von den Einnahmen abzuziehen sind (OLG Nürnberg, Beschl. v. 12.8.2020 – 5 W 421/20, juris Rn 15 f.).
V. Bedeutung für die Praxis
Spannend bleibt die Entscheidung insbesondere für die zahlreichen Altfälle, die es in der Insolvenz noch vor dem 1.1.2021 gibt. Seit diesem Datum ist die Bestimmung des § 58 GKG modifiziert worden (s.o. II.) und der Streit um die Höhe der Berechnungsgrundlage der Gerichtskosten darf als beendet betrachtet werden. Streitbefangen bleibt hingegen die Frage, wie in solchen Altfällen zu verfahren ist.
Das OLG Schleswig-Holstein hat mit seiner Entscheidung einen wichtigen Schritt zur Klärung dieses Strei...