§§ 198, 199 GVG
Leitsatz
Die Prozessbevollmächtigten einer Partei bzw. eines Beteiligten sind aufgrund der fehlenden eigenen Rechte in Bezug auf den Verfahrensgegenstand und ihrer nur unterstützenden Funktion nicht unter den Begriff des Verfahrensbeteiligten i.S.v. §§ 198, 199 GVG zu fassen.
OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 7.9.2021 – OVG 3 A 34/20
I. Sachverhalt
Gestritten wird um eine Entschädigung wegen überlanger Dauer eines Kostenfestsetzungsverfahrens beim VG Berlin. Der Kläger hat in einem asylrechtlichen Klage- und Eilverfahren einen armenischen Staatsangehörigen als Rechtsanwalt vertreten. In dem Verfahren sind der beklagten Bundesrepublik Deutschland die Kosten auferlegt worden. Nach Abschluss des Verfahrens reichte der Kläger mit Schriftsatz vom 11.4.2019 einen Kostenfestsetzungsantrag unter dem Kurzrubrum der asylrechtlichen Verfahren ein, mit dem gem. § 164 VwGO gegen die Beklagte festzusetzende Kosten i.H.v. insgesamt 944,15 EUR geltend gemacht wurden. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte die "nach den Anträgen des Antragstellers/Klägers" aufgrund der gerichtlichen Kostenentscheidung "von der Antragstellerin/Beklagten" zu erstattenden Kosten antragsgemäß mit Beschl. v. 3.6.2019 unter dem Rubrum der asylrechtlichen Verfahren fest. Mit der hiergegen gerichteten Erinnerung wandte sich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gegen die Berücksichtigung der Dokumentenpauschale, deren Erforderlichkeit nicht belegt sei.
Da eine Entscheidung des Gerichts nicht erging, rügte der Kläger am 17.2.2020 die Verzögerung des Verfahrens und reichte am 11.11.2020 Entschädigungsklage ein, die dem Beklagten am 2.12.2020 zugestellt wurde. Während des Entschädigungsklageverfahrens hob das VG den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin mit Beschl. v. 9.2.2021 teilweise auf und lehnte den Kostenfestsetzungsantrag insoweit ab. Die gegen diesen Beschluss erhobene Anhörungsrüge wies das VG mit Beschl. v. 11.3.2021 zurück.
Der Kläger hat zur Begründung seiner Entschädigungsklage vorgetragen, das Kostenfestsetzungsverfahren habe unangemessen lang gedauert. Die Vermutung des nichtvermögensrechtlichen Nachteils sei nicht entkräftet und die bloße Feststellung einer unangemessenen Verfahrensdauer reiche zur Wiedergutmachung nicht aus. Er hat die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung von 1.000,00 EUR beantragt. Der Beklagte hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags vorgetragen, dass es sich bei dem Kläger um einen Rechtsanwalt handele, der im Rahmen eines Kostenfestsetzungsverfahrens einen Gebührenanspruch verfolge. In solchen Konstellationen reiche regelmäßig die Feststellung der Überlänge aus. Das OVG hat die Klage abgewiesen.
II. Keine Aktivlegitimation des Prozessbevollmächtigen
Das OVG hat einen Anspruch auf Ausgleich eines immateriellen Nachteils nach § 173 S. 2 VwGO, § 198 GVG wegen einer unangemessenen Dauer des vor dem VG durchgeführten Kostenfestsetzungsverfahrens verneint. Bei einem Kostenfestsetzungsverfahren einschließlich des gerichtlichen Erinnerungsverfahrens gem. §§ 164 f. VwGO handele es sich zwar um ein eigenständiges Gerichtsverfahren i.S.v. § 198 Abs. 1, Abs. 6 Nr. 1 GVG (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.2.2021 – 5 C 15.19 D, NVwZ 2022, 86). Der Kläger sei jedoch für den von ihm ausdrücklich im eigenen Namen verfolgten Entschädigungsanspruch nicht aktivlegitimiert.
1. Verfahrensbeteiligter – Grundsätze
Materielle oder immaterielle Entschädigung stehe gem. § 198 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1 GVG einem Verfahrensbeteiligten zu. § 198 Abs. 6 Nr. 2 GVG definiere diesen als jede Partei und jeden Beteiligten eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt seien. Maßgebend sei danach die Beteiligtenstellung in dem als überlang gerügten Ausgangsverfahren. Mit der Einordnung von Parteien und Beteiligten als Verfahrensbeteiligte berücksichtige die Vorschrift den in den verschiedenen Prozessordnungen unterschiedlichen Sprachgebrauch (BT-Drucks 17/3802, 23). Dies lege ein funktionsgebundenes Verständnis nahe (vgl. Mayer, in: Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl., 2021, § 198 Rn 10; Meissner/Steinbeiß-Winkelmann, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand: Februar 2021, § 173 Rn 341).
Von der Entschädigungsregelung werden nach Auffassung des OVG Berlin-Brandenburg demzufolge diejenigen Personen erfasst, die nach Maßgabe der jeweiligen Prozessordnungen kraft eigenen Rechts gestaltend auf den Prozessgegenstand des Verfahrens einwirken und die durch eine Verzögerung des Verfahrens in ihren Rechten beeinträchtigt werden können (vgl. Roderfeld, in: Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, 2012, GVG § 198 Rn 190; Mayer, in: Kissel/Mayer, a.a.O., § 198 Rn 10; Lückemann, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl., 2020, GVG § 198 Rn 12). Demgegenüber fallen – so das OVG – die Prozessbevollmächtigten einer Partei bzw. eines Beteiligten aufgrund der fehlenden eigenen Rechte in Bezug auf den Verfahrensgege...