Ich halte die Entscheidung des OLG Brandenburg für falsch. Das OLG wendet eine jedenfalls nach dem Gesetzeswortlaut eindeutig einschlägige Gesetzesvorschrift, nämlich hier § 25 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 1 RVG, nicht an und gibt für seine hiervon abweichende Begründung keine Vorschrift an. Es setzt somit Richterrecht anstelle des Gesetzes.
Die hierfür vom OLG Brandenburg herangezogenen Erwägungen sind nicht stichhaltig.
1. Gesetzeswortlaut
Bereits die amtliche Überschrift des § 25 RVG spricht dafür, dass der Gesetzgeber den Gegenstandswert in der Vollstreckung und bei der Vollziehung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung in gleicher Weise geregelt hat. Auch der Wortlaut in § 25 Abs. 1 RVG ist eindeutig, wonach sich der Gegenstandswert in der Zwangsvollstreckung, in der Vollstreckung und bei der Vollziehung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung nach dem Betrag der zu vollstreckenden Geldforderung bestimmt. Damit macht das Gesetz keinen Unterschied, ob es sich um eine "normale" Zwangsvollstreckung handelt, die auf Befriedigung des Gläubigers gerichtet ist, oder um eine Vollziehung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung, die regelmäßig nur der Sicherung der Zwangsvollstreckung dient. Woraus das OLG Brandenburg seine Erkenntnis zieht, § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG sei nur dann anwendbar, wenn die Vollstreckung der Befriedigung des Gläubigers zu dienen bestimmt sei, erschließt sich mir angesichts des klaren Gesetzeswortlauts nicht.
2. Systematischer Zusammenhang
Auch aus dem systematischen Zusammenhang der Regelung in § 25 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 1 RVG mit der Vorschrift des § 25 Abs. 1 Nr. 4 Hs. 2 RVG folgt nichts anderes. Die letztgenannte Vorschrift bestimmt, dass sich in Verfahren über die Erteilung einer Vermögensauskunft der Gegenstandswert nach dem Betrag bestimmt, der einschließlich der Nebenforderung aus dem Vollstreckungstitel noch geschuldet wird. Hieraus folgt, dass der Gegenstandswert bei dieser Vollstreckungsmaßnahme ebenfalls nach dem vollen aus dem Titel noch geschuldeten Betrag ermittelt wird. Abs. 2 dieser Vorschrift ordnet lediglich an, dass der Gegenstandswert höchstens 2.000,00 EUR beträgt. Bei einer zu vollstreckenden Forderung i.H.v. 1.999,00 EUR wird somit der volle Betrag angesetzt. Somit gibt diese Vorschrift nichts dafür her, dass von vornherein nur ein Bruchteil der zu vollstreckenden Forderung als Gegenstandswert anzusetzen wäre.
3. Gegenstandswert bei der Sicherungsvollstreckung
Ferner hat sich das OLG Brandenburg auf die Entscheidung des OVG Magdeburg (RVGreport 2012, 473 [Hansens] = AGS 2013, 65 m. Anm. N. Schneider) bezogen. Das OVG hatte – ähnlich dem OLG Brandenburg hier – den Gegenstandswert für einen Antrag auf Sicherungsvollstreckung nach § 720a ZPO nicht gem. § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG nach dem Betrag der zu vollstreckenden Geldforderung bemessen, sondern nach der allgemeinen Wertvorschrift des § 23 RVG. Dabei hat das OVG die Vorschrift § 23 Abs. 2 S. 1 RVG angewandt, nach der sich der Wert unter Berücksichtigung des Interesses des Beschwerdeführers nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG bemisst und somit letztlich nach billigem Ermessen bestimmt wird. Hierbei ist das OVG von dem in § 52 Abs. 2 GKG für Verwaltungsstreitsachen geregelten Auffangwert von 5.000,00 EUR ausgegangen. Bei dieser Entscheidung sind dem OVG Magdeburg jedoch einige systematische Fehler unterlaufen, auf die ich in meiner Bearbeitung in RVGreport 2012, 473 hingewiesen habe.
4. Bezugnahme auf ältere Rechtsprechung
Soweit sich das OLG Brandenburg für seine Auffassung auf ältere Rspr. (OLG Karlsruhe, KG, OLG Köln, je a.a.O.) bezogen hat, überzeugt dies ebenfalls nicht. In jenen Fällen haben die genannten OLG den Streitwert/Gegenstandswert nach § 20 Abs. 1 GKG a.F. i.V.m. § 3 ZPO bestimmt und ausgeführt, dass sich bei der vorzunehmenden Ermessensentscheidung der Streitwert der Vollziehung nicht höher sein könne als der Wert der Anordnung. Auf diese Rspr. kann bereits deshalb nicht zurückgegriffen werden, weil das RVG in seinem § 25 eine gesonderte Regelung für den Gegenstandswert in der Vollstreckung und bei der Vollziehung getroffen hat. Diese sieht eben nicht eine Anknüpfung des Gegenstandswertes an den Streitwert des Verfahrens auf Anordnung des Arrestes vor. Vielmehr orientiert sich der Gegenstandswert ohne Ausnahme an dem Betrag der zu vollstreckenden Geldforderung einschließlich der Nebenforderungen.
5. Gegenstandswert bei Pfändung eines bestimmten Gegenstandes
Gegen die Auffassung des OLG Brandenburg spricht auch die Regelung in § 25 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 RVG. Bei der Vollziehung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung bestimmt sich der Gegenstandswert auch dann nach dem Betrag der zu vollstreckenden Geldforderung, wenn der Wert des zu pfändenden Gegenstandes genauso hoch ist wie die zu vollstreckende Geldforderung. Auch in diesem Falle wird also keine Reduzierung des Gegenstandswertes auf einen Bruchteil des Streit- bzw. Gegenstandswertes des Hauptsacheprozesses gemacht.
6. Höherer Gegenstandswert nicht einzuseh...