§§ 23 Abs. 2, 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG
Leitsatz
- In einem Rechtsbeschwerdeverfahren betreffend die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, das die Gläubigerin parallel zu einem Zwangsgeldverfahren nach § 890 ZPO betrieben hat, bestimmt sich der Gegenstandswert regelmäßig nach dem Wert der Hauptsache.
- Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Gläubigerin in ihrer sofortigen Beschwerde den Streitwert und damit auch ihr Interesse an der erstrebten eidesstattlichen Versicherung betragsmäßig angegeben hat. Dieser Wert ist dann auch Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für das Rechtsbeschwerdeverfahren.
BGH, Beschl. v. 9.12.2022 – I ZB 69/21
I. Sachverhalt
Die Gläubigerin hatte die Schuldnerin wegen der Verletzung eines Patentes für Farbspritzpistolen vor dem LG Mannheim in Anspruch genommen. Das LG verpflichtete die Schuldnerin durch Urt. v. 14.1.2014 zur Unterlassung des Vertriebs der im Tenor näher bezeichneten patentverletzenden Ausführungsform des Farbsprühsystems. Außerdem wurde die Schuldnerin hinsichtlich der patentverletzenden Handlungen zur Rechnungslegung verurteilt.
Die Schuldnerin legte erstmals mit Schreiben vom 29.4.2014 Rechnung und gab den Vertrieb von 6.082 relevanten Exemplaren des Farbsprühsystems an. Ergänzend führte sie aus, die Patentverletzung sei lediglich die Folge eines Produktionsfehlers, sodass nur zwei patentverletzende Exemplare in Deutschland vertrieben worden seien. Die Gläubigerin beanstandete die Rechnungslegung und stellte beim LG Mannheim einen Antrag auf Festsetzung von Zwangsgeld. Die Schuldnerin ergänzte und korrigierte ihre Angaben in mehreren Schriftsätzen. Das LG Mannheim verhängte gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld i.H.v. 1.000,00 EUR. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wies das LG Mannheim in Abhilfe seiner vorangegangenen Entscheidung den Antrag auf Verhängung von Zwangsmitteln insgesamt zurück. Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin änderte das OLG Karlsruhe diese Entscheidung und verhängte gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld i.H.v. 10.000 EUR, ersatzweise Zwangshaft.
Parallel zu ihrer Beschwerde im Zwangsgeldverfahren hatte die Gläubigerin Klage auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gegen die Schuldnerin erhoben. Durch rechtskräftig gewordenes Urt. v. 25.4.2017 verurteilte das LG Mannheim die Schuldnerin antragsgemäß, in näher beschriebener Weise an Eides statt zu versichern, dass sie die Auskünfte und Rechnungslegung gem. ihren näher beschriebenen Schriftsätzen so vollständig und richtig erteilt hat als sie dazu im Stande sei.
Einige Zeit später beantragte die Gläubigerin beim AG Pforzheim als Vollstreckungsgericht die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung. Einen Tag vor dem angesetzten Termin erteilte die Schuldnerin ergänzend Auskunft, gab klar- und richtigstellende Erklärungen ab und beantragte beim Vollstreckungsgericht eine entsprechende Änderung der eidesstattlichen Versicherung. Im Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erklärte der gesetzliche Vertreter der Schuldnerin, dass er die eidesstattliche Versicherung mit dem titulierten Inhalt nicht abgeben werde, er sei jedoch zur Abgabe mit geändertem Inhalt bereit. Hieraufhin hat die Gläubigerin beantragt, gegen die Schuldnerin ein empfindliches Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft, zu verhängen, um diese zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung anzuhalten. Das AG Pforzheim hat gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld i.H.v. 9.000,00 EUR verhängt und den ersatzweise gestellten Antrag auf Anordnung der Zwangshaft zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat das LG Karlsruhe den angefochtenen Beschluss aufgehoben und den Zwangsmittelantrag der Gläubigerin sowie deren eigene Beschwerde zurückgewiesen.
Der BGH hat die – vom LG Karlsruhe zugelassene – Rechtsbeschwerde der Gläubigerin durch Beschl. v. 13.10.2022 (I ZB 69/21, WM 2022, 2384) zurückgewiesen. Der Verfahrensbevollmächtigte der Schuldnerin hat hieraufhin die Festsetzung des Gegenstandswertes für das Rechtsbeschwerdeverfahren beantragt.
II. Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes
1. Gesetzliche Grundlage
Gem. § 33 Abs. 1 RVG setzt das Gericht des Rechtszuges den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss selbstständig fest, wenn sich die (gerichtlichen) Gebühren in den Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen oder es an einem solchen Wert fehlt Die Einzelrichterin des I. ZS des BGH hat die letztgenannte Voraussetzung als gegeben angesehen, weil in dem vorangegangenen Rechtsbeschwerdeverfahren nach Nr. 2124 GKG KV eine Festbetragsgebühr von 66,00 EUR angefallen sei.
2. Bemessung des Gegenstandswertes
Nach den weiteren Ausführungen der Einzelrichterin des BGH bestimmt sich der Gegenstandswert im vorliegenden Fall gem. § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG nach dem Wert, den die zu erwirkende Handlung, Duldung oder Unterlassung für den Gläubiger hat. Ausgangspunkt für diese Bemessung sei regelmäßig der Wert der Hauptsache. Ob hiervon ggf. nur ein Bruchteil zu berücksichtigen ist, hat die Einzelrichterin offengelassen. In ihrer s...