§ 91 Abs. 1 ZPO; §§ 19 ff. JVEG
Leitsatz
Einer Partei steht auch eine Erstattung der Kosten für Zeitversäumnis für die Wahrnehmung von notwendigen Besprechungsterminen mit dem Prozessbevollmächtigten nach den Vorschriften des JVEG zu.
AG Bautzen, Beschl. v. 11.11.2023 – 21 C 130/22
I. Sachverhalt
Die auswärtigen Beklagten waren nicht nur zum Gerichtstermin angereist, sondern darüber hinaus waren sie auch zu zwei Besprechungsterminen zu ihrem am Gerichtsort ansässigen Prozessbevollmächtigten gefahren. Für alle drei Reisen haben sie im Rahmen der Kostenfestsetzung Erstattung ihrer Reisekosten einschließlich der Kosten ihrer Zeitversäumnis verlangt. Die Rechtspflegerin hat antragsgemäß festgesetzt und dies wie folgt begründet:
Zitat
“Gemäß § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO umfasst die Kostenerstattung die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder die durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden. Die Höhe der Entschädigung für Zeitversäumnis ergibt sich aus §§ 19, 20 JVEG.
Der Beklagten zu 1) ist daher zunächst eine Entschädigung für Zeitversäumnis für die Teilnahme am Gerichtstermin zu erstatten.
Ebenso ist den Beklagten Entschädigung für Zeitversäumnis für die Besprechungen mit dem Prozessbevollmächtigten zu erstatten, da diese zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig waren, nämlich am 19.4.2022 zur erstmaligen Information des Prozessbevollmächtigten und am 4.5.2022 zur Vorbereitung der Klageerwiderung. Es kann hier nicht davon ausgegangen werden, dass eine telefonische Besprechung ausreichend gewesen wäre.
Zu erstatten sind somit an die Beklagte zu 1) Entschädigung für Zeitversäumnis von 28,00 EUR und an den Beklagten zu 2) Entschädigung für Zeitversäumnis von 16,00 EUR.“
Hiergegen richtet sich die Erinnerung der Klägerin. Sie macht geltend, die Parteiauslagen seien nicht zu erstatten. Die Besprechungstermine zur Mandatierung als auch zur Fertigung der Klageerwiderung seien nicht notwendig gewesen. Abgesehen davon seien sie keine Termine i.S.d. § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO.
Die Rechtspflegerin hat der hiergegen von der Klägerin eingelegten Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache der Richterin zur Entscheidung vorgelegt. Diese hat die Erinnerung zurückgewiesen.
II. Die Reisen waren notwendig
Auf Grund der Kostenentscheidung des AG hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens, die für die Beklagten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in dem Fall notwendig waren, zu erstatten. Dabei muss die Notwendigkeit einer Aufwendung aus der Sicht einer verständigen Partei beurteilt werden. Erstattungsfähigkeit setzt voraus, dass sie die Kosten im Hinblick auf die Bedeutung und rechtliche oder sachliche Schwierigkeit der Angelegenheit vernünftigerweise für erforderlich halten durfte (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.6.1993 – 1 ER 103/93).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze stellen die Kosten für die Besprechungstermine zur Mandatierung als auch zur Fertigung der Klageerwiderung bei den Prozessbevollmächtigten der Beklagten notwendige Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung i.S.v. von § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO dar.
Erstattungsfähig sein können auch die Kosten der vorbereitenden Beratung durch einen Rechtsanwalt (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.4.1988 – 6 C 41/85, NVwZ 1988, 721). Hinzu kommen die Fahrtkosten zur Wahrnehmung des Beratungstermins. Gemessen an diesen Maßstäben ist es auch im Hinblick auf die Bedeutung der Rechtssache für die Beklagten, die Kündigung ihres Mietraums, nicht zu beanstanden, dass sie die genannten Termine bei ihrem Prozessbevollmächtigen wahrgenommen haben.
Weder der Verfahrenslauf bis zur Kostenentscheidung des AG noch die Üblichkeit der Geltendmachung solcher Kosten sind bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Es kommt allein darauf an, dass die Klägerin den Beklagten die notwendigen Kosten zu erstatten hat.
III. Höhe richtet sich nach dem JVEG
Hinsichtlich des Umfangs und der Höhe der Entschädigung für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis verweist das Gesetz in § 91 Abs. 1 S. 1 S. 2 ZPO aus Gründen der Pauschalierung und Verwaltungsvereinfachung auf die Bestimmungen über die Zeugenentschädigung. Den Beklagten ist daher gem. §§ 19 ff. JVEG eine Entschädigung zu gewähren, wie von der Rechtspflegerin in dem angefochtenen Beschluss, insoweit inhaltlich auch nicht angegriffen, zutreffend berechnet. Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
IV. Bedeutung für die Praxis
Nimmt eine Partei in einem gerichtlichen Verfahren an einem Termin teil, so kann sie bei einer entsprechenden Kostenentscheidung nach 91 Abs. 1 S. 2, 1. Hs. ZPO vom Gegner Ersatz ihrer hierzu getätigten Aufwendungen verlangten.
2. Wahrnehmung eines Termins
a) Gerichtlicher Termin
Eindeutig ist die Lage, wenn die Partei an einem gerichtlichen Termin teilgenommen hat. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um einen Termin zur mündlichen Verhandlung, einen Beweistermin, einen Anhörungs- oder Protokollierungstermin gehande...