RVG VV Nrn. 2300, 3200; GWB §§ 124 Abs. 2, 128

Leitsatz

1.  Für die Festsetzung der Kosten im Beschwerdeverfahren vor dem Vergabesenat einschließlich der vor der Vergabekammer entstandenen Kosten ist der Rechtspfleger am OLG zuständig.

2.  Dem BGH wird folgende Frage vorgelegt: Findet eine (Teil-)Anrechnung der durch die Vertretung vor der Vergabekammer entstandenen Geschäftsgebühr auf die Vertretungsgebühr für das Verfahren vor dem Vergabesenat statt? (Das OLG Düsseldorf möchte diese Fragen bejahen.)

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.1.2009 – Verg 17/08

1 Sachverhalt

Der Senat hatte den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Gleichzeitig hat er der Antragstellerin die im Verfahren vor der Vergabekammer entstandenen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin auferlegt, festgestellt, dass die Hinzuziehung eines anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin im Verfahren vor der Vergabekammer notwendig war, und der Antragstellerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.

Die Antragsgegnerin, die sowohl vor der Vergabekammer als auch vor dem Vergabesenat durch ihre jetzigen Verfahrensbevollmächtigten vertreten war, hat daraufhin u.a. für das Verfahren vor der Vergabekammer eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV von 2,0 sowie für das Verfahren vor dem Vergabesenat eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV zur Festsetzung gegen die Antragstellerin angemeldet. Der Rechtspfleger hat im Hinblick auf die Vorbem. 3 Abs. 4 VV die Geschäftsgebühr in Höhe von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet.

Dagegen hat die Antragsgegnerin "sofortige Beschwerde" eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, eine Anrechnung finde nicht statt. Vorbem. 3 Abs. 4 zu VV sei nicht einschlägig, wie das OLG München in seinem Beschl. v. 12.6.2008 (Verg 13/07) entschieden habe. Das Verfahren vor der Vergabekammer ähnele mehr einem gerichtlichen Verfahren als einem Verwaltungsverfahren, auf das die Anrechnungsvorschrift zugeschnitten sei. Auch der Beschl. des BGH vom 23.9.2008 – X ZB 19/07 (AGS 2008, 553) verhalte sich zu der hier zu entscheidenden Problematik nicht. Der Rechtspfleger hat der Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache dem Senat vorgelegt.

2 Aus den Gründen

II.  Nach Ansicht des Senats ist die als Erinnerung auszulegende "sofortige Beschwerde" zwar zulässig, aber nicht begründet.

a)  Allerdings ist der Rechtspfleger nach ständiger Rechtspraxis – soweit ersichtlich – sämtlicher OLG zur Festsetzung der im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zuständig. "Erster Rechtszug" i.S.d. § 103 Abs. 2 S. 1 ZPO (vgl. auch § 164 VwGO) ist nicht das Verfahren vor der Vergabekammer, sondern das Beschwerdeverfahren vor dem Vergabesenat; bei der Vergabekammer handelt es sich sowohl organisationsrechtlich als auch kostenrechtlich (vgl. BGH, Beschl. v. 23.9.2008 – X ZB 19/07 [= AGS 2008, 553]) nicht um ein Gericht. Mangels besonderer Vorschriften im GWB sind – soweit nicht Besonderheiten des Beschwerdeverfahrens etwas anderes erfordern – zur Lückenfüllung – auch über die in § 120 Abs. 2 i.V.m. § 73 Nr. 2 GWB ausdrücklich aufgeführten Vorschriften hinaus – die Regeln der ZPO anzuwenden. Für das Kostenfestsetzungsverfahren gelten damit die §§ 103 ff. ZPO und ergänzend dazu § 21 Nr. 1 RPflG.

b)  Zu Recht hat jedoch der Rechtspfleger zugunsten der Antragsgegnerin lediglich einen Betrag von 5.211,84 EUR (rechnerisch richtig 5.199,94 EUR) festgesetzt. Höhere als die festgesetzten Gebühren stehen ihren Verfahrensbevollmächtigen nach dem RVG (vgl. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO) nämlich nicht zu. Zutreffend hat der Rechtspfleger auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV (i.V.m. Vorbem. 3.2.1 Abs. 1 Nr. 4 VV) gem. Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV die gleichfalls für das Verfahren vor der Vergabekammer entstandene Geschäftsgebühr (vgl. BGH, Beschl. v. 23.9.2008 – X ZB 19/07) mit einem Gebührensatz von 0,75 angerechnet.

aa)  Bereits nach dem Wortlaut ist diese Vorschrift einschlägig. Zugunsten der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin ist "wegen desselben Gegenstandes eine Geschäftsgebühr nach den Nummern 2300 bis 2303" entstanden. Dabei handelt es sich entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht um eine entsprechende, sondern um eine unmittelbare Anwendung dieser Nummern. Damit ist eine Anrechnung "auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens" vorzunehmen. Weitere Voraussetzungen für eine Anrechnung stellt das Gesetz nicht auf.

bb)  Dass das Verfahren vor dem Vergabesenat anwaltskostenrechtlich wie ein Berufungsverfahren zu behandeln ist (vgl. Vorbem. 3.2.1 Abs. 1 Nr. 4 VV), steht dem nicht entgegen. Die Vorbem. 3 VV bezieht sich nach der Systematik des VV – anders als die unter "Abschnitt 1. Erster Rechtszug" stehende Vorbem. 3.1 VV – auf sämtliche Rechtszüge. Damit ist z.B. die einem Rechtsanwalt vorprozessual entstandene Geschäftsgebühr auch dann auf eine gerichtliche Verfahrensgebühr anzurechnen, wenn dieser für seinen Mandanten erst wieder in einem Berufungsverfahren na...

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