Nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV wird auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens eine Geschäftsgebühr angerechnet, die wegen desselben Gegenstands nach den Nrn. 2300 bis 2303 VV entstanden ist. Das OLG Koblenz hat in der vorliegenden Entscheidung zutreffend die Anwendung dieser Anrechnungsvorschrift auf den Fall abgelehnt, in dem im außergerichtlichen und im gerichtlichen Verfahren verschiedene Anwälte tätig waren.

1. Zur Anrechnung

Nach dem reinen Wortlaut von Vorbem. 3 Abs. 4 VV scheint es zwar auszureichen, dass eine Geschäftsgebühr überhaupt entstanden ist und nicht darauf anzukommen, ob Geschäftsgebühr und Verfahrensgebühr für verschiedene Anwälte entstanden sind. Jedoch sprechen Sinn und Zweck der Anrechnungsvorschrift entscheidend dafür, dass bei einem vorgerichtlichen Anwaltswechsel eine Anrechnung der Geschäfts- auf die Verfahrensgebühr ausscheidet.

Zweck der Regelung in Vorbem. 3 Abs. 4 VV ist es nämlich, die doppelte Honorierung einer (annähernd) gleichen Tätigkeit zu verhindern, wenn der Anwalt die Angelegenheit zunächst als außergerichtliche und später als gerichtliche betreibt. Der Gesetzgeber wollte die Gebühren desjenigen Anwalts kürzen, der aufgrund seiner außergerichtlichen Befassung mit der Angelegenheit einen geringeren Einarbeitungs- und Vorbereitungsaufwand für den Rechtsstreit benötigt. Wird aber im Rechtsstreit ein Anwalt tätig, der außergerichtlich noch nicht mit der betreffenden Angelegenheit befasst war und daher auch keinen geringeren Einarbeitungsaufwand hat, so ist eine Anrechnung nicht gerechtfertigt.[1]

Darüber hinaus würde eine Anrechnung in diesen Fällen auch zu dem unzulässigen Ergebnis führen, dass der Prozessbevollmächtigte einen Teil seines Gebührenanspruchs durch die Tätigkeit eines anderen Anwalts verliert. Eine Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV findet also nur statt, wenn der außergerichtlich tätige Anwalt auch als Prozessbevollmächtigter tätig wird.

Die Rechtsprechung des BGH zur Anrechnung der Geschäfts- auf die Verfahrensgebühr steht diesem Ergebnis nicht entgegen: Zwar hat der BGH die Durchführung der Anrechnung unabhängig davon bejaht, ob die Geschäftsgebühr auf materiell-rechtlicher Grundlage vom Prozessgegner zu erstatten und ob sie unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder bereits beglichen ist.[2] Damit ist jedoch noch keine Aussage zu der Fallgestaltung getroffen, in der für den betroffenen Rechtsanwalt eine Geschäftsgebühr überhaupt nicht entstanden ist, weil er außergerichtlich nicht für die Partei tätig war.

2. Zur Erstattung

Die Kosten des Prozessbevollmächtigten sind auch in vollem Umfang vom unterlegenen Gegner zu erstatten. Die Regelung in § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO steht nicht entgegen, da sie sich nur auf einen Anwaltswechsel während des anhängigen Rechtsstreits, nicht jedoch auf einen vorprozessualen Anwaltswechsel bezieht. Nach richtiger Ansicht muss sich die obsiegende Partei auch nicht aus erstattungsrechtlichen Gründen so behandeln lassen, als habe sie den Prozessbevollmächtigten bereits außergerichtlich beauftragt, so dass auf die Verfahrensgebühr eine Geschäftsgebühr anzurechnen wäre. Das OLG Stuttgart[3] hat zwar die Anrechnung einer solchen fiktiven Geschäftsgebühr in einem Fall bejaht, in dem die Partei mit dem Anwalt für die außergerichtliche Tätigkeit eine Vergütungsvereinbarung geschlossen hatte. Dies ist jedoch ebenso abzulehnen wie die Anrechnung einer fiktiven Geschäftsgebühr im Falle des außergerichtlichen Anwaltswechsels:

Die Anrechnung wird in Vorbem. 3 Abs. 4 VV ausdrücklich auf "eine Geschäftsgebühr nach den Nummern 2300 bis 2303" beschränkt. Soweit eine solche Gebühr für den betreffenden Anwalt überhaupt nicht entstanden ist, kann sie auch im Rahmen der Anrechnung nicht berücksichtigt werden. Dies stellt auch keine unangemessene Benachteiligung des unterlegenen Prozessgegners dar.

Eine Partei kann nach § 91 Abs. 1 u. 2 ZPO die ihr entstandenen und notwendigen Anwaltskosten vom unterlegenen Gegner verlangen. Sie ist aus erstattungsrechtlichen Gründen zwar gehalten, die Kosten der Prozessführung möglichst gering zu halten, soweit ihre eigenen schützenswerten Interessen damit nicht kollidieren. Sie ist jedoch nicht verpflichtet, sich außergerichtlich deshalb von ihrem späteren Prozessbevollmächtigten vertreten zu lassen, damit es aufgrund der Anrechnungsvorschrift in Vorbem. 3 Abs. 4 VV zu einer Minderung der Verfahrensgebühr zugunsten des Gegners kommt. Dies zeigt schon ein Vergleich mit der Fallgestaltung, dass die Partei sich außergerichtlich selbst vertritt. Auch hier fällt die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV in voller Höhe an und gehört selbstverständlich zu den Kosten der notwendigen Rechtsverfolgung.

Ein Ausnahmefall kann allerdings dann gegeben sein, wenn die Beauftragung von verschiedenen Anwälten für die außergerichtliche bzw. gerichtliche Tätigkeit als unzulässige Umgehung der Anrechnungsvorschriften gewertet wird. Eine unzulässige Umgehung setzt voraus, dass der Mandant keinerlei nachvollziehbaren Grund hat, zwischen der auß...

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