VV 4141; RVG § 15
Leitsatz
Wird ein Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt, dann fortgesetzt und anschließend wieder eingestellt, liegt nur eine Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG vor, so dass die Gebühren des Anwalts nur einmal entstehen.
AG Osnabrück, Beschl. v. 7.8.2008–212 Ds (175 Js 11301/06) 208/06
1 Sachverhalt
Der Verteidiger und Erinnerungsführer war dem Angeschuldigten als notwendiger Verteidiger beigeordnet worden. Mit Beschl. v. 23.10.2006 ist das Verfahren dann gem. § 154 Abs. 2 StPO im Hinblick auf ein gegen den Angeschuldigten geführtes weiteres Verfahren vor der StA Münster auf Kosten der Staatskasse vorläufig eingestellt worden. Der Verteidiger hat daraufhin seine Gebühren abgerechnet. Sie sind antragsgemäß festgesetzt worden.
Mit Beschl. v. 6.2.2008 ist das Verfahren wieder aufgenommen worden, nachdem das andere Verfahren seinerseits vor der StA Münster nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden war. Der Verteidiger regte sodann an, das Verfahren hier abermals – nunmehr im Hinblick auf ein Urteil des AG Dortmund erneut nach § 154 Abs. 2 StPO einzustellen. Dies geschah dann auch.
Daraufhin rechnete der Verteidiger seine Gebühren abermals ab. Die Urkundsbeamtin des AG hat den Vergütungsantrag des Verteidigers zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Erinnerung des Verteidigers hatte keinen Erfolg
2 Aus den Gründen
Hinsichtlich der begehrten Verfahrensgebühr nach Nrn. 4141, 4106 VV in Höhe von 112,00 EUR nebst Mehrwertsteuer ist inzwischen eine Festsetzung und Auszahlung erfolgt, insoweit fehlt der Erinnerung jetzt das Rechtsschutzbedürfnis.
Darüber hinaus kann der Verteidiger die geltend gemachten Gebühren nicht fordern. Er hat die geltend gemachten Gebühren (Grund- und Verfahrensgebühr) nebst Auslagen nach Nrn. 4101, 4100 und 4106 VV bereits erhalten. Bei der zweimaligen Einstellung nach § 154 StPO handelt es sich nicht um "verschiedene Angelegenheiten" i.S.d. § 17 RVG. Nach § 15 Abs. 2 S. 1 RVG können Gebühren jedoch in derselben Angelegenheit nur einmal gefordert werden. § 17 Nr. 12 RVG betrifft erkennbar nicht den hiesigen Fall der "Wiederaufnahme". Die Vorschrift bezweckt eine angemessene Vergütung in einem Verfahren (§§ 359 ff. StPO), das oft ganz außerordentliche Fähigkeiten des Anwalts erfordert. Denn die zu bekämpfende Rechtskraft stellt eine schon psychologisch kaum überwindbare Barriere dar (vgl. im Einzelnen Hartmann, KostG, 37. Aufl., § 17 Rn 40). Das ist auf die vorliegende Konstellation nicht übertragbar und ersichtlich von der Vorschrift nicht gemeint.
3 Anmerkung
Die Entscheidung des AG Osnabrück ist zutreffend. Wird ein Verfahren zunächst eingestellt und dann wieder aufgenommen, so liegt keine neue Angelegenheit vor, wie sich bereits aus dem Gesetz ergibt, nämlich aus § 15 Abs. 5 S. 1 RVG. Nur in dem Fall, dass zwischen der ersten Einstellung und der Wiederaufnahme mehr als zwei Kalenderjahre vergangen sind, kann nach § 15 Abs. 5 S. 2 RVG eine neue Angelegenheit angenommen werden.
Liegt also nur eine Angelegenheit vor, dann können die Gebühren auch nur einmal entstehen. Das gilt auch für die zusätzliche Gebühr. Selbst wenn ein Verfahren im Laufe der Zeit zehnmal eingestellt und zehnmal fortgesetzt wird, bleibt es bei einer einzigen Angelegenheit, in der die Gebühren nach § 15 Abs. 2 S. 1 RVG nur einmal gefordert werden können.
Es verhält sich hier nicht anders als in dem Fall, in dem sich eine Partei auf die Unwirksamkeit eines Vergleichs beruft und der Streit über die Wirksamkeit des Vergleichs durch einen neuen Vergleich erledigt wird. Zwar schließen die Parteien dann zwei Vergleiche; die Einigungsgebühr entsteht aber nur ein einziges Mal.
Anders hätte es sich hier verhalten, wenn die Einstellung erst im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren erfolgt oder dort das Hauptverfahren nicht eröffnet worden wäre. Dann hätte die zusätzliche Gebühr zweimal entstehen können, nämlich einmal im vorbereitenden Verfahren und einmal im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren.
Norbert Schneider