Dr. Julia Bettina Onderka
Wird die Berufung zurückgenommen, so trägt der Berufungskläger nach § 516 Abs. 3 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens. Welche Kosten der Berufungsbeklagte nach § 91 ZPO erstattet verlangen kann, hängt vom Verlauf des Verfahrens bis zur Rücknahme ab.
Ist die Berufung noch nicht begründet, so ist nach h.M. die Stellung eines Sachantrages verfrüht und zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Berufung ausdrücklich nur zur Fristwahrung oder aber unbedingt eingelegt worden ist. Begründet wird dies damit, dass der Antrag auf Zurückweisung einer Berufung in diesem Stadium des Verfahrens noch keinen tatsächlichen Gehalt habe. Erst wenn das Rechtsmittel begründet worden sei, könne sich der Berufungsbeklagte inhaltlich mit dem Antrag und der Begründung auseinandersetzen und durch einen entsprechenden Gegenantrag das Verfahren aus objektiver Sicht fördern. Erstattet wird daher in diesen Fällen nur die 1,1-Verfahrensgebühr nach Nrn. 3200, 3201 VV für den Bestellungsschriftsatz.
Wird die bereits begründete Berufung im weiteren Verlauf des Verfahrens entweder auf eigene Initiative des Berufungsklägers oder aber aufgrund eines richterlichen Hinweises nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgenommen, ist nach überwiegender Meinung eine 1,6-Verfahrensgebühr für den Zurückweisungsantrag des Berufungsbeklagten erstattungsfähig. Der BGH hat diese Rechtsprechung bisher damit begründet, dass nach Eingang der Berufungsbegründung ein schutzwürdiges Interesse des Berufungsbeklagten bestehe, mit anwaltlicher Hilfe in der Sache frühzeitig zu erwidern, um die angestrebte bzw. die vom Berufungsgericht beabsichtigte Zurückweisung der Berufung im Beschlusswege durch eigene zusätzliche Argumente zu fördern.
Während diese Begründung die Fallgestaltung betrifft, dass der Berufungsbeklagte einen mit einer Begründung versehenen Zurückweisungsantrag stellt – nur so ist die Förderung der Zurückweisung durch eigene zusätzliche Argumente möglich –, werden durch die vorliegende Entscheidung die möglichen Erstattungsansprüche des Berufungsbeklagten begünstigt. Der BGH bejaht die Erstattungsfähigkeit der vollen 1,6-Verfahrensgebühr auch dann, wenn der Berufungsbeklagte keinerlei eigenen Sachvortrag bringt, sondern sich der betreffende Schriftsatz schlicht auf den Zurückweisungsantrag beschränkt. Eine Förderung der Berufungszurückweisung durch eigene Argumente kann mit einem solchen Schriftsatz nicht verbunden sein – sie ist nach Ansicht des BGH aber auch nicht (erstattungsrechtlich) erforderlich, da allein der Zurückweisungsantrag ausreiche, um klarzumachen, dass der Berufungsbeklagte die Zurückweisung des Rechtsmittels in vollem Umfang anstrebe.
Diese Begründung des BGH – so günstig sie für den Berufungsbeklagten sein mag – halte ich im Gesamtkontext seiner Rechtsprechung zur Erstattung der Kosten des Berufungsbeklagten für bedenklich:
Es trifft zu, dass ein Zurückweisungsantrag auch ohne Sachvortrag die Absicht des Berufungsbeklagten klarstellt, eine Zurückweisung des Rechtsmittels zu erstreben. Es kann auch sicherlich für die Erstattungsfähigkeit der vollen 1,6-Verfahrensgebühr nicht verlangt werden, dass der Anwalt in der Berufungserwiderung vollständig neue Argumente anführt, die eine Zurückweisung stützen. Denn würde man dies verlangen und damit solche Berufungserwiderungen erstattungsrechtlich schlechter stellen, die sich auf eine reine Wiedergabe der bisherigen Argumente bzw. der erstinstanzlichen Entscheidung beschränken, würde man das Erstattungsverfahren unzulässigerweise mit einer inhaltlichen Prüfung verbinden. Die Bezugnahme des BGH auf die Ausgestaltung der anwaltlichen Gebühren als im Wesentlichen streitwertabhängige Pauschalen geht in diesem Zusammenhang allerdings m.E. fehl. Denn es geht nicht um die Entstehung der Verfahrensgebühr, wofür der konkrete Aufwand des Anwalts natürlich irrelevant ist, sondern um die Frage ihrer Erstattungsfähigkeit. Dem Ergebnis ist jedoch zuzustimmen: Wenn die schlichte Wiederholung der erstinstanzlichen Argumente ausreicht, um eine notwendige Maßnahme zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung zu bejahen, dann kann man auch einen Zurückweisungsantrag ohne Sachvortrag genügen lassen.
Die Anerkennung eines solchen reinen Zurückweisungsantrages als notwendige Maßnahme der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung relativiert jedoch die Ausführungen und Entscheidungen des BGH in früheren Beschlüssen zur Prozessförderung durch den Berufungsbeklagten. Aufgrund der bisher überwiegenden Rechtsprechung wird nämlich für einen Zurückweisungsantrag, der vor Eingang der Berufungsbegründung gestellt wird, auch dann keine 1,6-Verfahrensgebühr erstattet, wenn die Begründung anschließend erfolgt. So heißt es im Beschluss des 6. Senats vom 3.7.2007 noch wörtlich: "Der Berufungsbeklagte kann sich nämlich erst nach Vorliegen der Berufungsbegründung mit Inhalt und Umfang des Angriffs auf das erstinstanzliche Urteil sachlich auseinandersetzen und durch einen entsprechenden Ge...