RVG VV Nr. 7008;; GKG § 28 Abs. 2; UStG § 10 Abs. 1 S. 6; GKG-KostVerz. Nr. 9003

Leitsatz

Die vom Rechtsanwalt für die Aktenversendung verauslagte Aktenversendungspauschale wird zu einem der Umsatzsteuer unterliegenden Entgelt, wenn er diese Pauschale als Aufwendungsersatz gegenüber seinem Mandanten oder in Fällen der Beiordnung im Wege der Prozesskostenhilfe gegenüber der Staatskasse geltend macht. Dies folgt daraus, dass nach § 28 Abs. 2 GKG im Verhältnis zum Gericht nur der Rechtsanwalt selbst Kostenschuldner der Aktenversendungspauschale ist und nicht der von ihm im gerichtlichen Verfahren vertretene Mandant.

OVG Lüneburg, Beschl. v. 1.2.2010–13 OA 170/09

Sachverhalt

Nachdem der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt und der Erinnerungsführer beigeordnet wurde, erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt. Hiernach beantragte der Erinnerungsführer die Festsetzung seiner aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung, darunter auch die Erstattung der von ihm verauslagten Aktenversendungspauschale in Höhe von 12,00 EUR nebst Umsatzsteuer. Der Urkundsbeamte setzte den geltend gemachten Umsatzsteuerbetrag auf die Aktenversendungspauschale ab. Bei der Aktenversendungspauschale handele es sich um eine Auslage, die der Erinnerungsführer im Namen der Klägerin gezahlt habe, so dass diese nicht umsatzsteuerpflichtig sei. Mit seiner Erinnerung hatte der Erinnerungsführer geltend gemacht, dass die Finanzverwaltung die Aktenversendungspauschale mit einer Umsatzsteuer belege. Das VG hat die Erinnerung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom VG wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassene Beschwerde des Erinnerungsführers.

Die Beschwerde hatte Erfolg.

Aus den Gründen

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des VG hätte bei der Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung nach § 55 Abs. 1 RVG einen Umsatzsteueranteil auf den geltend gemachten Ersatz der vom Erinnerungsführer verauslagten Aktenversendungspauschale nach Nr. 9003 GKG-KostVerz. in Höhe von 2,28 EUR (19 % von 12,00 EUR) berücksichtigen müssen. Nach Nr. 7008 VV ist dem Rechtsanwalt die auf seine Vergütung entfallende Umsatzsteuer in voller Höhe zu erstatten. Dies betrifft zum einen die Rechtsanwaltsgebühren, zum anderen aber auch den Ersatz von Auslagen, die nicht ausdrücklich in Teil 7 VV als Auslagentatbestand aufgeführt sind. Vorbem. 7 Abs. 1 S. 2 VV regelt ausdrücklich, dass der Rechtsanwalt Ersatz der ihm entstandenen Aufwendungen (§ 675 i.V.m. § 670 BGB) verlangen kann, wenn in den nachfolgenden Bestimmungen von Teil 7 VV nichts anderes bestimmt ist. Dazu gehört auch eine vom Rechtsanwalt verauslagte Aktenversendungspauschale. Diese wird zu einem der Umsatzsteuer unterliegenden Entgelt i.S.v. § 10 Abs. 1 S. 1 und 2 UStG, wenn er sie als Aufwendungsersatz gegenüber seinem Mandanten oder in Fällen der Beiordnung im Wege der Prozesskostenhilfe gegenüber der Staatskasse geltend macht. Es handelt sich nicht um einen der Umsatzsteuer nicht unterliegenden durchlaufenden Posten i.S.v. § 10 Abs. 1 S. 6 UStG. Nach letztgenannter Bestimmung gehören Beträge, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt (durchlaufende Posten), nicht zum (umsatzsteuerpflichtigen) Entgelt. Diese Ausnahmeregelung ist nicht einschlägig, weil entgegen der Auffassung des VG nach § 28 Abs. 2 GKG im Verhältnis zum Gericht nur der Rechtsanwalt selbst Kostenschuldner der Aktenversendungspauschale ist und nicht der von ihm im gerichtlichen Verfahren vertretene Mandant. Im Einzelnen:

a)  Wortlaut, systematische Stellung und Entstehungsgeschichte lassen keinen eindeutigen Schluss zu, ob "Antragsteller" i.S.d. § 28 Abs. 2 GKG der die Aktenversendung beantragende Prozessbevollmächtigte selbst oder die von ihm vertretene Partei bzw. der Beteiligte ist. Nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 2 GKG schuldet die Auslagen nach Nr. 9003 GKG-KostVerz. "nur", wer die Versendung oder die elektronische Übermittlung der Akte beantragt. Der nach §§ 22 bis 26, 29 GKG ansonsten in Betracht kommende Kreis der Kostenschuldner soll also eingegrenzt werden, während er in § 28 Abs. 1 GKG in Bezug auf die Dokumentenpauschale erweitert ("... schuldet ferner ...") werden soll. Eine spezielle Kostenhaftungsregelung für die Aktenversendungspauschale hatte der Gesetzgeber ausdrücklich im Blick. Er wollte durch die Vorschrift "eine ungerechtfertigte Haftung der allgemeinen Kostenschuldner vermeiden" (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zu Art. 1 Nr. 26 [§ 56 GKG a.F.] des Kostenrechtsänderungsgesetzes 1994; BT-Drucks 12/6962, S. 66). Aus diesen Umständen lässt sich indessen nicht unmittelbar schließen, dass § 28 Abs. 2 GKG gerade eine Auswahl zwischen Rechtsanwalt und Mandant vornehmen wollte und nur auf dieses "Innenverhältnis" abstellt. Als spezifische "Antragsteller", die neben dem ohnehin kostenpflichtigen Antragsschuldner nach § 22 GKG oder dem Entscheidungsschuldner nach § 29 GKG in Betracht zu ziehen sind, kommen ohn...

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