RVG VV Nrn. 1008, 3100, Vorbem. 3 Abs. 5
Leitsatz
- Hat der Anwalt im selbstständigen Beweisverfahren mehrere Auftraggeber vertreten und dort eine nach Nr. 1008 VV erhöhte Verfahrensgebühr abgerechnet, so ist die volle erhöhte Gebühr auf ein nachfolgendes gerichtliches Hauptsacheverfahren anzurechnen.
- Die Vorschrift der Nr. 1008 VV führt bei mehreren Auftraggebern nicht zu einer eigenen "Erhöhungs-Gebühr", sondern lediglich dazu, dass sich eine entstandene Geschäfts- oder Verfahrensgebühr um 0,3 erhöht. Es entsteht dann eine einheitliche erhöhte Gebühr.
OLG Stuttgart, Beschl. v. 2.2.2010–8 W 450/09
Sachverhalt
Der spätere Kläger hatte im selbstständigen Beweisverfahren insgesamt dreizehn Auftraggeber vertreten und ausgehend von einem Streitwert von 38.955,00 EUR eine 1,3-Verfahrensgebühr in Höhe von 1.172,60 EUR und eine "Erhöhungsgebühr" von 1.804,00 EUR, insgesamt 2.976,60 EUR, abgerechnet. Nach erfolgreichem Abschluss des Hauptverfahrens meldeten die Kläger die ihnen für Beweis- und Hauptsacheverfahren entstandenen Verfahrensgebühren im Ergebnis wie folgt an:
Beweisverfahren
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 38.955,00 EUR) |
1.172,60 EUR |
Erhöhungsgebühr, Nr. 1008 VV (Wert: 38.955,00 EUR) |
1.804,00 EUR |
Gesamt |
2.976,60 EUR |
Hauptsacheprozess
1,3 Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 38.955,00 EUR) |
1.172,60 EUR |
gem. Vorbem. 3 Abs. 5 VV anzurechnen, 1,3 aus 38.955,00 EUR |
– 1.172,60 EUR |
Erhöhungsgebühr |
1.804,00 EUR |
Gesamt |
1.804,00 EUR |
Das Gericht hat im Ergebnis lediglich 2.976,60 EUR festgesetzt, also insgesamt eine 3,3-Verfahrensgebühr.
Zwar sei sowohl im selbstständigen Beweisverfahren als auch im Hauptsacheprozess eine 3,3-Verfahrensgebühr angefallen. Diese sei gem. Vorbem. 3 Abs. 5 VV jedoch anzurechnen, so dass die Gebühr im Ergebnis nur einmal geltend gemacht und festgesetzt werden könne. Die hiergegen erhobene Beschwerde hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen
Die sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil die Rechtspflegerin zu Recht eine Abhilfe abgelehnt hat.
Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob nicht bereits die Klage von der Wohnungseigentümergemeinschaft hätte erhoben werden können und müssen. Die Anregung des Klägervertreters, das Rubrum des Verfahrens auf Klägerseite dahingehend zu ändern, dass Klägerin die Wohnungseigentümergemeinschaft, vertreten durch die Verwalterin, ist, konnte die Erhöhung der Verfahrensgebühr gem. Nr. 1008 VV nicht rückwirkend entfallen lassen. Diese ist bereits durch die Klageerhebung mit den mehreren Auftraggebern auf der Klägerseite entstanden. Fraglich kann allenfalls die Notwendigkeit der Klageerhebung durch mehrere Kläger und damit deren Erstattungsfähigkeit sein.
Hier scheitert die Festsetzung der Erhöhung der Verfahrensgebühr nach Nr. 1008 VV bereits daran, dass eine Verrechnung mit der erhöhten Verfahrensgebühr des Beweisverfahrens zu erfolgen hat (Vorbem. 3 Abs. 5 VV). Im selbstständigen Beweisverfahren würde die 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV in Höhe von 1.560,00 EUR aus einem Streitwert von 72.203,75 EUR gem. Nr. 1008 VV um 2.400,00 EUR auf 3.960,00 EUR erhöht. Die entsprechende Festsetzung erfolgte im Kostenfestsetzungsbeschluss. Da es sich bei der Nr. 1008 VV nicht um eine eigenständige Gebühr handelt, sondern darin geregelt ist, um wie viel die Verfahrens- oder Geschäftsgebühr sich bei der Vertretung mehrerer Personen erhöht (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 18. Aufl., Nr. 1008 VV Rn 3), ist auch die erhöhte Verfahrensgebühr des Hauptsacheverfahrens auf die erhöhte Verfahrensgebühr des Beweisverfahrens anzurechnen. Die 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV in Höhe von 1.772,60 EUR aus einem Streitwert von 38.955,00 EUR war im Hauptsacheverfahren erhöht um 1.804,00 EUR auf 2.976,60 EUR. Da somit die Verfahrensgebühr des Beweisverfahrens einschließlich der Erhöhung die entsprechende Gebühr des Hauptsacheverfahrens übersteigt, war für eine Festsetzung im Hauptsacheverfahren kein Raum.
Anmerkung
Die Auffassung des OLG ist zutreffend.
Es gibt keine Erhöhungsgebühr, sondern nur erhöhte Gebühren. Der Wortlaut der Nr. 1008 VV ist eindeutig.
Abzurechnen war wie folgt:
I. |
Selbstständiges Beweisverfahren |
|
|
1. |
3,3-Verfahrensgebühr Nrn. 3100, 1008 VV |
|
2.976,60 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
|
1.082,40 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
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Zwischensumme |
4.079,00 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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775,01 EUR |
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Gesamt |
|
4.854,01 EUR |
II. |
Hauptsacheprozess |
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|
1. |
3,3-Verfahrensgebühr Nrn. 3100, 1008 VV |
|
2.976,60 EUR |
2. |
gem. Vorbem. 3 Abs. 5 VV anzurechnen |
|
– 2.976,60 EUR |
3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr, 3104 VV |
|
1.082,40 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.102,40 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
209,46 EUR |
|
Gesamt |
|
1.311,86 EUR |