RVG VV Nr. 3104; Vorbem. 3 Abs. 4

Leitsatz

Werden in außergerichtliche Verhandlungen zwischen den Prozessbevollmächtigten der Parteien mehrere Parallelverfahren einbezogen, so fallen für die beteiligten Rechtsanwälte die Terminsgebühren in allen besprochenen Fällen aus dem jeweiligen Gegenstandswert und nicht nur aus dem addierten Wert der betroffenen Verfahren an (entgegen KG, Beschl. v. 6.11.2008–2 W 11/08, AGS 2009, 175).

OLG München, Beschl. v. 19.1.2010–11 W 2794/09

Sachverhalt

Das LG hat der auf die Rückabwicklung eines Darlehensvertrages gerichteten Klage mit Endurteil weitgehend stattgegeben und der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Ihre gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung hat die Beklagte, nachdem außergerichtliche Einigungsgespräche gescheitert waren, zurückgenommen. Das OLG hat daraufhin der Beklagten die Kosten der Berufung und der wirkungslos gewordenen Anschlussberufung auferlegt.

Die danach in vollem Umfang erstattungspflichtige Beklagte wendet sich dagegen, dass zugunsten der Kläger im Berufungsverfahren eine volle Terminsgebühr aus dem vom OLG festgesetzten Streitwert berücksichtigt worden ist.

Zur Begründung wird ausgeführt, es sei zwar richtig, dass am 2.10.2008 Vergleichsverhandlungen geführt worden seien. Diese hätten sich aber auf ein ganzes Paket verschiedener Einzelfälle bezogen und es sei ein Gesamtbetrag von 1,85 Mio. EUR für sämtliche Fälle ermittelt worden. Der Klägervertreter hätte diesen Betrag auf die Einzelfälle umlegen sollen. Es sei nicht richtig, dass bei den Vergleichsverhandlungen die Besonderheiten der Einzelfälle ausdrücklich besprochen worden seien. Es seien somit in den Prozessen, die in die Besprechung einbezogen worden seien, zwar jeweils Terminsgebühren entstanden. Der Höhe nach falle die Gebühr aber nur einmal aus der Summe der Streitwerte aller betroffenen Verfahren an. Jedem Verfahren sei der Gebührenanteil zuzuordnen, der dem Anteil des Verfahrens am Gesamtstreitwert entspreche. Der Gesamtstreitwert der besprochenen Verfahren belaufe sich auf 3.631.840,57 EUR. Der Streitwert des vorliegenden Verfahrens betrage 46.798,39 EUR, somit 1,28 % des Gesamtstreitwertes. Die Terminsgebühr aus dem Gesamtstreitwert betrage 14.935,20 EUR. Bei einer Quote von 1,28 % ergebe sich somit ein Betrag von 191,17 EUR, den die Kläger für die Terminsgebühr geltend machen könnten. Der zutreffende Festsetzungsbetrag für das Berufungsverfahren belaufe sich somit auf 2.790,40 EUR.

Die sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen

1.  Durch Besprechungen zwischen den Prozessbevollmächtigten der Parteien kann eine Terminsgebühr gem. der Nr. 3104 VV anfallen. Hierfür reicht es nach der Vorbem. 3 Abs. 3 VV aus, dass der Prozessbevollmächtigte an auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts mitgewirkt hat, wobei diese auch telefonisch durchgeführt werden können (BGH Rpfleger 2006, 624 = NJW-RR 2006, 1507 [= AGS 2006, 488]; BGH NJW-RR 2007, 286 = JurBüro 2007, 26 [= AGS 2007, 115]; OLG Koblenz NJW 2005, 2162 = Rpfleger 2005, 488 = JurBüro 2005, 417 [= AGS 2005, 278]; Senatsbeschl. v. 30.11.2005–11 W 1611/05 u. v. 25.3.2009–11 W 1088/09; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 18. Aufl., Vorbem. 3 Rn 95, 103, 104).

2.  Die Terminsgebühr kann im Kostenfestsetzungsverfahren in Ansatz gebracht werden, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des Gebührentatbestandes unstreitig sind (BGH NJW-RR 2007, 286 [= AGS 2007, 115] und NJW-RR 2007, 787). Nur falls dies nicht zutrifft, muss der Anspruchsteller im Kostenfestsetzungsverfahren den Ansatz gem. § 104 Abs. 2 S. 1 ZPO glaubhaft machen.

a)  Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass am 2.10.2008 in den Räumen der Beklagten zwischen den Prozessbevollmächtigten der Parteien Vergleichsverhandlungen geführt worden sind, in die auch das hier gegenständliche Verfahren einbezogen wurde. Uneinigkeit besteht allerdings darüber, ob die Verhandlungen nur eine Gesamteinigung ("Paketvergleich") zum Ziel hatten oder ob, wie die Kläger behaupten, über den vorliegenden Fall speziell verhandelt worden ist.#a>

b)  Bereits der von beiden Seiten eingeräumte Gesprächsinhalt reicht für die Entstehung der Terminsgebühr in der geltend gemachten Höhe aus.

aa)  Gerade bei komplexen Sachverhalten und mehreren Parallelverfahren kann es für die Entstehung der Terminsgebühr ausreichen, wenn bestimmte Rahmenbedingungen für eine mögliche Einigung abgeklärt und/oder unterschiedliche Vorstellungen über die Erledigung der Parallelfälle unter Einschluss des streitigen Verfahrens ausgetauscht werden (BGH Beschl. v. 27.2.2007 – XI ZB 39/05 u. XI ZB 38/05, NJW-RR 2007, 1578 [=AGS 2007, 292] und NJW 2007, 2858 = MDR 2007, 862 [= AGS 2007, 292]).

bb)  Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall zweifelsfrei erfüllt und werden auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt.

c)  Entgegen der Auffassung der Beklagten ist nicht in sämtlichen Fällen, die in die Erledigungsgespräche einbezogen wurden, eine einheitliche Terminsgebühr aus den addierten Gegenstandswerte...

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