RVG VV Nr. 1000
Leitsatz
Wird unter dem Vorbehalt des Widerrufs ein von den Prozessbevollmächtigten ausgehandelter und protokollierter Vergleich widerrufen und anschließend von den Parteien unmittelbar ohne Mitwirkung ihrer Prozessbevollmächtigten in abgeänderter Form erneut geschlossen, so entsteht den Prozessbevollmächtigten dafür eine Einigungsgebühr.
LG Offenburg, Urt. v. 14.1.2010–1 S 113/09
Sachverhalt
In einem gerichtlichen Verfahren hatten die Prozessbevollmächtigten im Termin einen Vergleich ausgehandelt und protokolliert, wonach der Beklagte verpflichtet werden sollte, an den Kläger 3.000,00 EUR zu zahlen, und zwar in monatlichen Raten zu jeweils 250,00 EUR. Mit Zahlung des Betrages von 3.000,00 EUR sollten sämtliche wechselseitigen Ansprüche aus dem Mietverhältnis erledigt sein. Es war zudem noch die Fälligkeit geregelt und eine Verfallklausel vereinbart, nämlich dass bei Zahlungsverzug der dann noch offene Restbetrag sofort zu zahlen sei. Die Kosten des Rechtsstreits wurden gegeneinander aufgehoben.
Auf Weisung der Parteien wurde der Vergleich widerrufen.
Sodann setzten die Parteien sich zusammen und schlossen einen Vergleich, wonach der Beklagte an den Kläger 2.000,00 EUR sofort zu zahlen hatte. Damit sollten wiederum sämtliche Ansprüche aus dem Mietverhältnis abgegolten sein. Die Kosten des Rechtsstreits sollten gegeneinander aufgehoben werden.
Die Prozessbevollmächtigten des Klägers rechneten daraufhin gegenüber diesem neben der 1,3-Verfahrensgebühr und der 1,2-Terminsgebühr auch eine 1,0-Einigungsgebühr ab. Sie waren der Auffassung, an der Einigung mitgewirkt zu haben. Der Mandant war anderer Auffassung und verweigerte die Zahlung der Einigungsgebühr.
Die daraufhin angestrengte Klage hat das AG abgewiesen und Folgendes ausgeführt:
Eine Einigungsgebühr fällt immer dann an, wenn der Anwalt am Abschluss der Einigung mitgewirkt hat und seine Tätigkeit zumindest mitursächlich war. Eine solche Mitursächlichkeit vermag das Gericht vorliegend nicht zu erkennen.
Vorliegend war es so, dass sich die beiden Parteien ohne Anwesenheit ihrer Rechtsanwälte nach dem seitens des damaligen Beklagten widerrufenen Vergleich in der Wohnung des damaligen Klägers und jetzigen Beklagten getroffen haben. Im Gegensatz zum gerichtlich geschlossenen und dann widerrufenen Vergleich wurden sowohl der Zahlungsbetrag als auch die Zahlungsweise geändert. Damit aber wurde nach Auffassung des Gerichts ein erkennbar anderer Vergleich geschlossen, da der neue Vergleich in wesentlichen Punkten vom ursprünglichen Vergleich abweicht. Allein der Umstand, dass diese Änderungen auf dem gerichtlichen Vergleich vermerkt wurden, vermag hieran nichts zu ändern. Auch dass die Parteien die Kostenentscheidung beibehalten haben, führt zu keinem anderen Ergebnis. Vielmehr haben die Parteien nach Auffassung des Gerichts einen völlig neuen, von dem gerichtlichen Vergleich losgelösten Vergleich geschlossen, zumal der an den jetzigen Beklagten zu zahlende Betrag um ein Drittel, mithin nicht unwesentlich herabgesetzt wurde. Von daher ist weder eine Mitwirkung noch eine Ursächlichkeit der Mitwirkung des Prozessbevollmächtigten des damaligen Klägers und jetzigen Beklagten an dem Vergleichsabschluss gegeben. Da dieser Vergleich seitens des damaligen Beklagten gleich an Ort und Stelle erfüllt wurde, kann eine Mitwirkung des Prozessbevollmächtigten auch nicht darin gesehen werden, dass dieser Vergleichsabschluss dem Gericht später mitgeteilt wurde.
Die hiergegen erhobene Berufung hatte Erfolg.
Aus den Gründen
Die Klage ist zulässig. Die Kläger können nicht auf den Weg nach § 11 RVG verwiesen werden, da der Beklagte mit dem Vorbringen, die Mitwirkung seiner Prozessbevollmächtigten sei nicht ursächlich für den Vergleichsabschluss gewesen, nach der von der Kammer vertretenen Auffassung einen nicht gebührenrechtlichen Einwand erhoben hat (vgl. Hartmann, KostG, 37. Aufl., § 11 RVG Rn 70; OLG Frankfurt JurBüro 1987, 1799).
Für die Mitwirkung an den Vergleichsverhandlungen im Verfahren des AG und dem anschließenden außergerichtlichen Vergleich, den die Parteien geschlossen haben, steht den Klägern gegen den Beklagten gem. § 611 BGB aus Dienst- und Geschäftsbesorgungsvertrag ein restlicher Zahlungsanspruch in Höhe von 1.053,73 EUR zu.
1. Die Kläger hatten den Verfahrensauftrag, für den Beklagten im Verfahren des AG Vergleichsverhandlungen unter anderem über nicht rechtshängige Ansprüche zu führen. Diese Vergleichsverhandlungen sind im Termin zur mündlichen Verhandlung geführt worden und haben zunächst zum Abschluss eines widerruflichen Vergleichs geführt, den der Beklagte jenes Verfahrens allerdings widerrufen hatte.
2. Für diese Mitwirkung an den Vergleichsverhandlungen über nicht rechtshängige Ansprüche steht den Klägern – unter Berücksichtigung der Höchstgrenze nach § 15 Abs. 3 RVG – eine 0,8-Verfahrensgebühr nach 3101 Nr. 2 VV zu. Schon nach dem Wortlaut der Vergütungsregelung ist für das Entstehen dieser Verfahrensgebühr keine Einigung notwendig. Es genügt, dass Verhandlungen vor Gericht zur Einigung über...