So verschieden sind die Geschmäcker!
Auch gleich gelagerte Sachverhalte sind kein Garant für eine im Ergebnis übereinstimmende rechtliche Beurteilung, was sich wieder einmal beim Vergleich zweier OLG-Entscheidungen zur Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe in Gewaltschutzsachen bei gleichzeitig anhängig gemachter Hauptsache und einstweiliger Anordnung zeigt.
Während das OLG Zweibrücken Verfahrenskostenhilfe in Gewaltschutzsachen für die Hauptsache versagt, wenn sich das Rechtsschutzziel (allein) durch eine einstweilige Anordnung ebenso erreichen lässt – wovon es allerdings regelmäßig ausgeht –, sieht das OLG Hamm dies nun erfreulicherweise anders, um nicht zu sagen, konträr. Diese Divergenz hätte ganz einfach durch Einlegung einer Rechtsbeschwerde, die durch das OLG Zweibrücken wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache und zur Sicherung einer einheitlichen Rspr. sogar zugelassen worden war (§§ 70 ff. FamFG), vermieden werden können. Leider ist dies aber nicht geschehen.
Das OLG Hamm findet indes durchweg die zutreffenden Ausführungen dafür, das Verhalten des Antragstellers auch dann nicht als mutwillig anzusehen, wenn er Hauptsache und einstweilige Anordnung in Verfahren nach §§ 1, 2 GewSchG gleichzeitig anhängig macht. Hauptargument des OLG ist die Überlegung, dass eine Entscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren – wie bei der einstweiligen Verfügung – nicht zur Vorwegnahme der Hauptsache führen darf und regelmäßig nur eine aufgrund summarischer Prüfung zu treffende vorläufige Regelung beinhalten kann. Deshalb muss es auch stets möglich sein, den weitergehenden Weg bis zu einer endgültigen Entscheidung in der Sache zu gehen, auch für eine wirtschaftlich schlechter gestellte Partei, so dass ihr dafür Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen ist. Diese Auffassung des OLG ist überzeugend und nachvollziehbar und findet darüber hinaus in den einschlägigen gesetzlichen Regelungen ihre Grundlage (§§ 49 ff., 214 Abs. 1 FamFG).
Dass in diesen Konstellationen ein Rechtsschutzbedürfnis auch für ein Hauptsacheverfahren besteht, hat der BGH beispielsweise auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts bereits so häufig entschieden, dass sich eine ausufernde Rechtsdiskussion hierüber auch in anderweitigen Rechtsgebieten eigentlich erübrigen sollte. Nach dieser BGH-Meinung ist der Rechtsweg für eine Unterlassungsklage stets auch dann eröffnet, wenn der Unterlassungsgläubiger bereits eine einstweilige Verfügung erwirkt hat.
In Gewaltschutzverfahren, deren Regelungsgegenstand höherwertige Rechtsgüter wie Leib, Leben und Gesundheit sind, kann es folgerichtig auch nicht rechtsmissbräuchlich oder gar mutwillig sein, wenn der Antragsteller auch eine Hauptsache anhängig macht, obwohl er bereits mit der einstweiligen Anordnung einen – vorläufigen – Titel in Händen hält. Der Antragsteller hat ein berechtigtes Interesse daran, den Verfahrensgegenstand in einem Hauptsacheverfahren endgültig klären zu lassen. Das einstweilige Anordnungsverfahren stellt zwar einen einfacheren, mitunter billigeren, keineswegs aber einen gleichwertigen Weg zum Erreichen einer endgültigen Entscheidung dar, so dass letztendlich auch ein Selbstzahler das regelmäßig weitergehende Hauptsacheverfahren anhängig machen wird. Die Bedeutung der Rechtsschutzgleichheit würde verkannt und im Übrigen auch in verfassungsrechtlich zu beanstandender Weise tangiert, wenn diese zulässige und nachvollziehbare Vorgehensweise beim mittellosen Beteiligten als mutwillig angesehen wird.
Die Entscheidung des OLG Hamm ist daher uneingeschränkt zu begrüßen.
FAFamR Lotte Thiel, Koblenz