FamGKG § 41; FamFG §§ 49 ff., 246
Leitsatz
Der Verfahrenswert einer einstweiligen Anordnung in Unterhaltssachen richtet sich zwar nach § 41 FamGKG; jedoch ist hier nicht grundsätzlich vom hälftigen Hauptsachewert auszugehen. In Anbetracht dessen, dass hier nach § 246 FamFG Zahlung verlangt wird und nicht nur eine vorläufige Regelung und damit faktisch die Hauptsache vorweggenommen wird, ist grundsätzlich vom Hauptsachewert auszugehen.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.2.2010 – II – 3 WF 15/10
Sachverhalt
Die Antragstellerin hatte den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf zukünftigen Unterhalt in Höhe von monatlich 370,00 EUR beantragt. Das FamG hatte den Verfahrenswert auf den hälftigen Hauptsachewert festgesetzt. Hauptsachewert wäre nach § 51 Abs. 1 FamGKG der auf die nächsten zwölf Monate entfallende Bezug gewesen, also 12 x 370,00 EUR = 4.440,00 EUR. Hiervon hat das FamG dann die Hälfte, also 2.220,00 EUR, als Verfahrenswert festgesetzt.
Die hiergegen erhobene Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin hatte Erfolg.
Aus den Gründen
Zwar ist im Verfahren der einstweiligen Anordnung gem. § 41 S. 2 FamGKG grundsätzlich von der Hälfte des für die Hauptsache bestimmten Hauptsachewertes auszugehen, mithin vom sechsfachen Wert des Antrags. Zu Recht weist der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin jedoch darauf hin, dass der Streitwert bis zur Höhe des für die Hauptsache bestimmten Wertes angehoben werden kann, wenn eine einstweilige Anordnung die Hauptsache vorwegnimmt oder ersetzt (vgl. Fölsch, Das neue FamFG in Familiensachen, 1. Aufl. 2009, § 8 Rn 65; Hartmann, KostG, 38. Aufl., § 41 FamGKG; N. Schneider, FamFR 2009, 109, 112). Die generelle Regelung des § 41 FamGKG passt wegen der über die regelmäßig geringere Bedeutung der einstweiligen Anordnung nach § 49 FamFG hinausgehenden Bedeutung einer einstweiligen Anordnung nach § 246 FamFG, die auf Leistung des vollen Unterhalts gehen kann, nicht ohne weiteres für die Wertfestsetzung in durch einstweilige Anordnung geregelten Unterhaltssachen. Zielen diese – wie vorliegend beantragt – auf Leistung des vollen Unterhalts, d.h. nehmen sie damit die Hauptsache vorweg, fehlt eine Rechtfertigung, wegen "geringerer Bedeutung gegenüber der Hauptsache" den Verfahrenswert herabzusetzen.
Anmerkung
Das OLG Düsseldorf ist mutig und hoffentlich wegweisend! Es hat den Verfahrenswert in einem einstweiligen, auf Zahlung von Kindesunterhalt gerichteten Anordnungsverfahren auf den Jahreswert festgesetzt, obwohl § 41 S. 2 FamGKG als Grundregel bei der Wertfestsetzung nur auf den halben Hauptsachewert abstellt.
Mutig ist die Entscheidung nicht etwa, weil die Gesetzeslage einen begründeten Zweifel an der Richtigkeit der ihr zugrunde liegenden Feststellungen ließe. Nein, aber im Trend der Rechtsprechung, jegliche Beschneidung oder Einschränkung anwaltlicher Gebührenansprüche mit einem vom Gesetzgeber so gewollten allgemeinen Sparzwang begründen zu wollen, wäre auch eine gegenteilige Auffassung leider nicht mehr verwunderlich gewesen.
Zutreffend orientiert sich das OLG Düsseldorf aber in erster Linie und letztlich chronologisch an § 41 S. 1 FamGKG, wonach der Verfahrenswert nur dann zu ermäßigen ist, wenn die Bedeutung der einstweiligen Anordnung gegenüber der Hauptsache als gering(er) anzusehen ist. Wenn aber keine Hauptsache anhängig gemacht wird, was nach Inkrafttreten des FGG-ReformG zulässig ist, kann ein einstweiliges Anordnungsverfahren in seiner Bedeutung auch nicht als gering(er) eingestuft werden, zumal es dann regelmäßig die Hauptsache ersetzt oder vorwegnimmt. Der klassische Ausnahmefall der vollständigen Vorwegnahme der Hauptsache ist der Kostenvorschuss in Familiensachen (§ 246 Abs. 1 FamFG). Hier wurde bereits nach früherem Recht der Hauptsachewert, also der Wert der als Vorschuss zu zahlenden Kosten angesetzt. Ob ein Kostenvorschuss aufgrund einer einstweiligen Anordnung gezahlt wird oder aufgrund der Hauptsache, ist im Ergebnis naturgemäß das Gleiche.
Zu befürchten ist leider, dass Familienrichter der Einfachheit halber und in Erinnerung an die frühere Gesetzeslage (§ 53 Abs. 2 S. 1 GKG a.F.) regelmäßig den halben Hauptsachewert festsetzen. Zu hoffen bleibt, dass diese "frühe" und damit aktuelle obergerichtliche Entscheidung von den Amtsrichtern zur Kenntnis genommen wird und zur richtigen Anwendung der Vorschrift des § 41 FamGKG führt. Deshalb sollte sie wegweisend sein.